laut.de-Kritik
Gitarren-Pop, der sich noch traut, hippieesk zu klingen.
Review von Michael SchuhIch kann mir nicht helfen, aber beim Hören der neuen St. Thomas muss ich doch immer wieder an die letzte Go-Betweens-Platte "Oceans Apart" denken. Das ist einerseits nicht ganz fair gegenüber dem singenden Ex-Postboten St. Thomas, da die Go-Betweens gerade zur Form ihres Lebens auflaufen und ein Leistungsvergleich daher von vornherein zu Gunsten der beiden Australier ausfiele. Andererseits will ich gar nicht vergleichen. Denn der Singer/Songwriter Thomas Hansen schreibt vielleicht auch gerade die besten Songs seiner Karriere.
Definitiv gehört der Opener "LA Man" dazu. Was der Text mit L.A. zu tun hat und warum ausgerechnet ein Norweger darüber singt, das sind Fragen, die aufgrund des charmanten, an die Leichtigkeit behender Belle & Sebastian-Kompositionen erinnernden Auftaktes nebensächlich erscheinen. Besonders gefällt an St. Thomas' Folkpalette, dass der Norweger sich noch traut, hippieesk zu klingen, dabei aber eine angenehm eigenbrötlerische Spur hält. Neil Young und Bob Dylan mögen einmal Eck-Koordinaten gewesen sein, auf "Children Of The New Brigade" nabelt sich der 29-Jährige, der neuerdings Saint Thomas genannt werden will, auf dem Cover sinnigerweise aber den alten Namen beibehält, von Jugendhelden ab und kreiert, ähnlich Kristofer Aström, seine ganz eigene Folkrock-Variante. Gerade seine hohe Stimme kontrastiert oftmals angenehm die schrullig-erdigen Arrangements.
Zum Einspielen der insgesamt recht eingängigen Songs holte sich Hansen das schwedische Brüderpaar David-Ivar und André Herman Düne mit ins Studio, die aller Wahrscheinlichkeit nach die schönen Gesangsharmonien im zerbrechlichen "Last Word" und den hochwertigen Bonustracks "The Play" und "The Mexican Father" mit zu verantworten haben. Zu solch geballter Lebensfreude wären Lambchop, mit denen St. Thomas einst zusammen arbeitete, sicher nie zu überreden gewesen.
Die blau-orangenen Farbtupfer auf dem Cover deuten es an: St. Thomas freut sich momentan seines Lebens, sicher in bester Gewissheit, dass bei der Qualität seiner neuen Songs keinerlei Diss-Attacken zu erwarten sind, die sein letztjähriges Album "Let's Grow Together - The Comeback Of St. Thomas" zumindest bei der skandinavischen Presse hervor rief. Man mag "Children Of The New Brigade" als überraschungsarme Singer/Songwriter-Veranstaltung abtun, doch wer gerne zu den Go-Betweens oder Monta schunkelt, dürfte bei St. Thomas nicht nur auf einen Flirt mit dem wunderschönen "The Long Goodnights" aus sein.
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