laut.de-Kritik
Immer zerbrechlich, immer neblig und immer sehr depressiv.
Review von Philipp SchiedelIn Skandinavien sind zur Zeit irgendwie alle traurig. Nachdem die Skate-Punk-Welle mit No Fun At All oder Millencolin langsam aber sicher den Bach runter läuft, produziert man im kalten Norden anscheinend nur noch Heul-Platten. Und das äußert erfolgreich: Röysköpp oder die Kings Of Convenience sind längst auch über die Ost/Nordsee hinaus respektvoll ausgesprochene Namen. Letztere starteten mit ihrem Slogan "Quiet Is The New Loud" sogar den größten Skandinavien-Hype seit dem Billy-Regal.
St. Thomas a.k.a der Briefträger Thomas Hansen trifft mit seinem unerfüllten Traum von der weiten Prärie also den Nerv der melancholischen Zeit. Mit einer stilsicheren Nachfolge-Stimme eines frühen Neil Young näselt er sich durch knappe 48 Minuten Country ohne Lebensfreude. Das gelingt ihm meistens auf eine sehr schöne Weise, die aber Gefahr läuft, auf die Nerven zu gehen. Diese Grenze überschreitet er leider manchmal, z.B. wenn er wie am Schluss von "A Nice Bottle Of Wine" oder "She Married A Cowboy" in fragwürdigen Düdel-Dei-Rei-Rei-Rei-Parts hängen bleibt.
Meistens kratzt er aber er gekonnt die Kurve und schwebt mit wunderschönen Melodien irgendwo umher, ohne dass man ihn richtig zu fassen bekommt. Man ist eher verträumter Nachdenker als Zuhörer. Dabei ist das Zuhören besonders gut, wenn Hansen seinen Freundeskreis in seiner Küche versammelt, um mehrstimmig im Trashsound um die Wette zu folken ("Bookstore" oder "I'm Coming Home #2"). Solo funktioniert die Sache natürlich auch: immer zerbrechlich, immer ein bisschen neblig und immer sehr depressiv. Eben so, wie Postboten sich auf dem morgendlichen Rundgang durch ihre Stadt fühlen müssen.
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