Porträt

laut.de-Biographie

Surrogat

Sie sind wohl eine der umstrittensten Bands der deutschsprachigen Musik und schlittern konstant auf der Grenze zwischen Helden des Noise-Pop und provokativen Arschlöchern herum. Ob Surrogats Sänger Patrick Wagner nun wirklich "größer als Gott" ist oder eben nur ein weiterer arroganter Berlin-Mitte-Boy, der verdammt gute Rock-Songs schreiben kann, spaltet jedenfalls die Gemüter und ist Stoff für abendfüllende Diskussionen.

Beeinflusst von Noise-Bands wie Shellac (die Band von Top-Produzent Steve Albini, der für den Sound von praktisch jeder Band die in Indie-Kreisen Rang und Namen hat, verantwortlich ist) gründen sich Surrogat 1994 in Berlin. Am Schlagzeug sitzt T.T. Mai-Linh, die zwar kaum über eine Hi-Hat schauen kann, aber die Power von einem Thrash-Metal-Schlagzeuger um Welten übertrifft; Lockenkopf Tilo Schierz-Crusius fetzt die Basssaiten und Patrick Wagner brüstet sich an der Gitarre und am Mikrofon.

Für die erste Single "Tick" gründet Wagner zusammen mit dem Radio-DJ Raik Hölzel das Label Kitty-Yo, auf dem die Beiden in den folgenden Jahren Künstler wie Peaches, Kante oder Maximilian Hecker veröffentlichen und zu einem der wichtigsten und besten Indie-Labels Europas werden. Ein Jahr später erscheint - auch auf dem eigenen Label - das noch sehr metallisch und brutal klingende Debüt "Unruhig".

Beim Nachfolger "Soul feat.MMM" tritt dann schon eine erste Veränderung ein: die Verzerrer werden zurückgedreht und die Texte auf das Wesentliche reduziert. Surrogat begnügen sich mit Sprachfetzen, die hier und da Sinn ergeben, manchmal völlig Fehl am Platze erscheinen und im Endeffekt einen doch meistens relativ ratlos lassen. Zum Beispiel wenn nach der Hälfte der Platte plötzlich – und ohne erkennbare Abgrenzung - die Gitarren gegen den Computer eingetauscht werden und das Album in abstraktem Minimal-Elektro endet, an dem Surrogat nicht eine Sekunde beteiligt gewesen sind. Diese Tracks stammen aus der Feder von MMM, einem Berliner Techno-Künstler, dem die Band auf ihrer Platte einige Minuten Zeit gibt. Früher lief so etwas unter dem Namen Split-Single ...

Nachdem "Soul feat. MMM" die Presse erstmals auf Wagner und Co aufmerksam macht, bleibt den Berlinern die übliche Rock-Rosskur nicht erspart. Touren, Touren, noch mal Touren. Mit Hilfe der Erfahrung aus den zahlreichen Konzertreisen schaffen es Surrogat, die Dynamik und die Intensität ihrer wahnsinnigen Live-Gigs genau so roh auf ihr drittes Werk "Hobby" zu übertragen. Produziert wird es im Weilheimer Domizil des deutschen Albini Mario Thaler (Notwist, Slut). Weiterhin bleibt Shellac der meist genannte Name bei Versuchen, den Sound der Band einzuordnen.

Drei Jahre herrscht Stille in Berlin. Dann kehren Wagner und sein zweiköpfiges Team zurück auf den Plattenteller. Jedoch in einem unbekannten Gewand, das die depressiven Noise-Orgien hinter sich lässt und nun knallhart losrockt. Freudig, provokant - und natürlich insbesondere mit einer Ausreizung der Selbstüberschätzung bis zum Geht-Nicht-Mehr. Der komplette Berlin-Mitte-Wahnsinn wird von Produzent Tobias Levin (To Roccoco Rot, Kante) und Engineer Peter Deimel (Chokebore) auf 30 Minuten dicht zusammengepackt und Surrogat konzentrieren sich in ihren knapp drei Minuten langen Gitarren-Krachern nun auf zwei Sachen: Old-School-Rocken und provozieren. Angelehnt an alte Veteranen wie AC/DC sind ihre Riffs wild und drückend und lenken ein in Richtung rockender und intelligenter Pop-Songs. An dieser Gabelung spalten sich Presse bzw. Fans in zwei Lager: diejenigen, die das Dreigestirn sofort nach dem Release von Rock im August 2000 neben den beiden Hamburgern Tocotronic und Blumfeld als den neuen Hoffnungsträger für die Zukunft der deutschen Rockmusik betrachten; und in diejenigen, die den Band-Kopf lieber heute als morgen unter der Erde sehen möchten.

Während die Meute sich noch streitet, wechseln Surrogat endgültig von Kitty-Yo zu Motor, und auch Patrick Wagner verlässt ohne öffentliche Begründung seine eigene Firma. Mit so viel Zuspruch und durch eine enorme Hassflut gegen Wagner (die ihm nur noch mehr Selbstvertrauen gibt) gestärkt, melden sich Surrogat Anfang 2003 mit "Hell in Hell" zurück. Noch prolliger, noch zielsicherer und mit einem noch größeren Augenzwinkern in Punkto Größenwahn.

Alben

Surrogat - Rock: Album-Cover
  • Leserwertung: Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2000 Rock

Kritik von Uwe Bielz

Neues aus der Berliner Minimalismus-Rockschmiede (0 Kommentare)

Surftipps

  • Offizielle Seite

    Alles on top. Lyrics, Desktops, Downloads, Infos, News, Toudaten.

    http://www.surrogat.com
  • Kitty Yo Records

    Patrick Wagners altes Label (Maxi Hecker, Tarwater,Peaches, Kante...)

    http://www.kitty-yo.de

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