laut.de-Biographie
Aceyalone
Im Jahr 1991 weht ein lauer Wind der Veränderung über die amerikanische Westküste. Mit "Niggaz 4 Life" veröffentlichen die unbestrittenen Herrscher vor Ort, N.W.A., ihr drittes und bis dato schwächstes Album. Der revolutionäre Sound der Crew aus Compton hat an Intensität verloren. Die Zeichen für Dr. Dre, Eazy-E, Ice Cube und Yella stehen schlecht.
Was die Bloods und Crips in den Straßen von Los Angeles zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Nur wenige Monate später soll ein aufmüpfiger Jungspund in ihrem Revier auftauchen und sowohl die Stellung des Westcoast-Raps verrücken als auch das gesamte Genre gehörig auf den Kopf stellen: 1992 schenkt 2Pac der Rap-Welt sein Debüt "2Pacalypse Now" und tritt seinen legendären Gang als Black Messias an.
Die Geburt einer anderen Westcoast-Institution, die auf viele Jahre einer bestimmten Szene ihre Identität aufdrückt, zieht in dieser turbulenten Zeit an der Öffentlichkeit komplett vorbei. 1991 veröffentlicht die Crew Freestyle Fellowship, bestehend aus Aceyalone, Mikah 9, P.E.A.C.E. und Self Jupiter, ihr Erstlingswerk "To Whom It May Concern".
Trotz miserabler Vertriebsstrukturen avanciert das Album zum Westcoast-Gegenstück zur östlichen Native Tongue-Bewegung rund um A Tribe Called Quest und De La Soul.
Will heißen: jazzige Instrumentals treffen auf politisch motivierte, durchdachte Lyrics. War die Westküste bis zu diesem Zeitpunkt lediglich für Vertreter im Stile N.W.A.s bekannt, entzündeten Freestyle Fellowship die Flamme der westlichen Conscious Rap-Szene, aus der in den folgenden Jahren Crews wie Blackalicious, The Pharcyde oder die Hieroglyphics hervorgehen.
1993 folgt das zweite Werk "Inner City Griots" von Freestyle Fellowship, doch die fehlende Aufmerksamkeit bricht der Crew wirtschaftlich wie kreativ das Genick. Die Wege trennen sich, als einziger Vertreter der Combo hält sich Aceyalone im Gespräch.
Erst im Nachhinein erkennen Insider, dass Freestyle Fellowships "To Whom It May Concern" die Geburtsstunde einer konträren Westcoast-Rap-Bewegung bedeutete, die sich inhaltlich, aber auch musikalisch gegen die aufkeimende G-Funk-Ära rund um Snoop Dogg, Suge Knight und dessen Death Row-Label richtet.
Diese Richtung legt auch der Titel des Solodebüts von Aceyalone nahe, das er 1995 veröffentlicht: "All Balls Don't Bounce". Seine Vorstellung von Rap-Musik beinhaltet mehr als nur die Zurschaustellung sexualisierter Traumbilder oder stupider Tanzmusik. Mit seinen Solobemühungen behauptet sich Acey als versierter Conscious-Reimer westlich des Grand Canyons, der besonderen Wert auf Storytelling und Inhalt legt, sich dabei aber nicht für einen dumpfen Battlereim-Schlag in die Magengrube zu schade ist.
In der Folge führt Aceyalone genau das weiter, womit er als Teil von Freestyle Fellowship begonnen hat. Er schafft mit Project Blowed eine Basis für Conscious-Rap von der Westküste, die sich dem gerade eskalierenden Beef zwischen 2Pac und Notorious B.I.G. und dem dazu gehörigen tödlichen Küstengeplänkel entgegenstellt.
Die Idee wird als logische Weiterführung der Einrichtung KAOS Network geboren, die sich als kreatives Zentrum für Musiker und Künstler versteht. Project Blowed rückt mit der tatkräftigen Unterstützung von Aceyalone den Fokus noch enger auf Hip Hop und etabliert sich in Folge als Rap-Institution. Diese streckt ihre offenherzigen Fühler sogar über den großen Teich aus und arbeitet mehrere Male mit Künstlern aus dem Berliner Royal Bunker-Umfeld zusammen.
Ebenfalls unter dem Namen Project Blowed folgen Compilations, bei denen Aceyalone und sein Kumpel Abstract Rude als treibende Kräfte agieren. 2000 schließen sich beide zum A-Team zusammen und veröffentlichen "Who Framed The A-Team?", das die bereits etablierte Underground-Fangemeinde begeistert aufnimmt.
Auf seinen Solo-Alben, die in regelmäßigen Abständen in die Läden kommen, spezialisiert sich Acey auf mal minimalistisch, mal vertrackte, aber immer außergewöhnlich arrangierte Beats, die die komplizierten Reime des Emcees tragen.
Def Jux-Produzent RJD2 steht bei "Magnificent City" hinter den Reglern, mit dem weit weniger bekannten Produzenten Bionik versucht sich Acey daraufhin an Genre-Mashups zwischen Rap und Roots-Reggae ("Lightning Strikes"), sowie Rap und dem Doo-Wop der Fünfziger ("The Lonely Ones"). Auch künftig kooperiert Aceyalone eng mit Bionik. Er verantwortet zum Beispiel "Leanin' On Slick", das 2013 erscheint.
Die Widmung im Booklet spiegelt den Tenor von Aceyalones Schaffen: "Einst gab es eine Zeit, in der die Leute heiß auf den Break einer Platte waren. Sie haben auf diesen einen Moment gelauert, um zu tanzen, zu reimen oder um Worte an die Crowd zu richten, und hofften, dass der DJ ihn noch ein wenig länger dauern lässt. Diese Momente lieferten die Inspiration."
"Seine Wurzeln im Soul und Funk haben Hip Hop ernährt, zahllose andere Genres beeinflussen ihn noch immer, inspirieren ihn und lassen ihn fortdauern."
Aceyalone hat mit dem Straßenrap-Kindergarten nichts am Hut. Aus Coolness, Style und Groove erschafft er Hip Hop für die großen Jungs - egal welchen Alters.
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