laut.de-Kritik
Die Welt geht unter. Lächeln sollten wir trotzdem.
Review von Giuliano BenassiEskapismus kann man Jay McAllister nicht vorwerfen. "The world is dying / Shit is getting serious / Everybody's lying / It's impossible to tell the truth", so lauten die ersten Verse seines mittlerweile neunten Albums. Doch bleibt er seinem Nonsense-Bandnamen Beans On Toast treu: Wie gewohnt packt er seine Beobachtungen und Tiraden in fröhliche Arrangements, die zum Mitschunkeln einladen.
Big Data, Investmentfonds, multinationale Konzerne und unfähige Politiker machen uns das Leben zur Hölle. Im Wald von Sherwood steht seit tausend Jahren eine Eiche namens Major Oak, die landesweit bekannt ist? Das ist einer schweizerischen Firma scheißegal, die dort bohren will, um per Fracking Erdöl zu fördern. "Wo du und ich einen wunderschönen Baum sehen, erblinden sie durch ihre Habgier. Wenn sie Geld verdienen können - glaubst du wirklich, dass sie einen alten Baum in Ruhe lassen?", fragt McAllister rhetorisch.
Ein Barfuß-Öko, könnte man verächtlich meinen. In der Tat bevorzugt er es, ohne Schuhwerk aufzutreten, doch ein Langweiler im selbstgestrickten Wollpulli ist er deshalb noch lange nicht. Sein Sinn für Humor und das Lächeln, das er selbst in den gehässigsten Momenten nicht ablegt, zeichnen ihn aus.
Zwischenmenschlich sieht er zum Glück weniger Probleme. Liebe ist immer noch möglich ("Jamie And Lilly"), selbst als "ignoranter Engländer" findet er anderswo Anschluss. Etwa in Deutschland, in das er sich in einem Hotel in Quedlingburg verliebt hat.
"These fucking politicians are a right bunch of cunts", beschreibt er, lieber ohne Übersetzung, die Ereignisse rund um den Brexit. Was ihm dazu einfällt? "Entschuldigung, entschuldigung, Frieden auf Erden." Außerdem: "Did you know that Germany is actually not called Germany. It's called Deutschland ... Imagine if you were called Steve and everybody else called you John." Dem "Ignorant Englishman" sei erklärt, dass die Franzosen "Allemagne" sagen und die Italiener zu den Deutschen "tedeschi", wobei hierzulande die Unterscheidung zwischen England, Großbritannien, Vereinigtem Königreich oder UK auch schwer fällt. Was gemeint ist, ist dennoch klar.
Als zeitgenössischer Künstler verdient McAllister seine Moneten weniger mit Alben als mit Auftritten, unter anderem als Stammgast beim riesigen Glastonbury Festival. Worüber er natürlich auch einen Song geschrieben hat, "Can't Get A Gig At Glastonbury" (2013).
Der daran vorbei führenden Bundesstraße A303 widmet er hier ein Stück, on the road entstand auch der Gedankengang in "Taylor Swift". Bei einer langen Autofahrt überlegt er sich mit einem Kumpel, welche Promis er zu einer Party einladen würde. Tom Waits? Muhammad Ali, auch wenn er vermutlich nicht trinkt? Eine Pinte John Smith's mit John Lennon? Ein Jack Daniel's mit Jack White? Noam Chomski? Kate Tempest? Er kommt zum Schluss, dass er am liebsten seinen Kumpels einladen würde, weil er all die Promis ja gar nicht kennt.
Max Thomas (Akkordeon), Matt Millership (Klavier), Jenna Mahone (Fiddle) und Bobby Banjo sorgen mit Produzent Tristan Ivemy dafür, dass "Cushty" immer wieder seinen Weg in die Ohren findet. McAllisters raue, stets fröhliche Stimme lädt ein, auch die Texte zu beachten. Übrigens ist selbst der Titel sarkastisch gemeint, denn "cushty" ist ein altenglischer Begriff für "alles gut", den Fernsehkoch Jamie Oliver gerne verwendet. Die Welt geht unter, lächeln sollten wir trotzdem.
1 Kommentar
2 mal komplett durchgehört und gefällt mir sehr gut