laut.de-Kritik
Selbstporträt mit verschwommener Kontur.
Review von Lisa Rupprecht"Ich wurde mit Bindungsangst geboren." Wer so ins Album startet, will keine Belanglosigkeiten servieren. Reezy hat in den vergangenen Jahren viel richtig gemacht. Nicht laut, nicht aufdringlich, aber konsequent: musikalisch, ästhetisch, geschäftlich. In einer Szene, die sich oft zwischen maximalem Drama und maximaler Austauschbarkeit zerlegt, bleibt der Frankfurter Künstler eine Ausnahmeerscheinung. "Born Spinner", sein mittlerweile viertes Studioalbum, liefert dafür den jüngsten Beweis und gleichzeitig eine Art Selbstporträt mit verschwommener Kontur.
Der Titel halb Angeberei, halb Mantra wirkt programmatisch. Denn "Born Spinner" ist keine Ansammlung von Hits, kein Festival-Hype-Futter, kein PR-Stunt. Es enthält 17 Tracks zwischen Trap, R'n'B, Dancehall-Anleihen und innerer Unruhe. Mehr Gefühlswelt als Straße, mehr Nachtsession als Chartformel. Wer Rap im klassischen Sinne erwartet, bekommt hier nur noch Fragmente.
Schon der Opener "HIDE & SEEK" lässt aufhorchen. Mit einer Mischung aus verletzlichem Singsang, Travis-Scott-Adlibs und reflektierter Selbstkritik setzt er den Ton: Das hier ist keine Prahlerei, sondern eine Spurensuche durch das eigene Innenleben, durch Beziehungen, durch ein Künstlerdasein zwischen Druck und Selbstinszenierung.
Im Laufe des Albums pendelt Reezy gekonnt zwischen souligem Falsett, laid-back Flows und melodischer Melancholie. Songs wie "TWINS", "SASHIMI" oder "THOUGHTS" gehören zu den stärksten Momenten der Platte getragen von warmer Produktion, sparsam eingesetzten Vocal-Delays und einem angenehm zurückgenommenen Songwriting.
Einer der stärksten Momente ist das große UK-Feature auf dem Titeltrack "BORN SPINNER" mit AJ Tracey, ein Track, der kompromisslos nach vorne geht, der Flow lässt einen einfach mitnicken. Dabei sind es oft die Zwischentöne, die am meisten berühren. "KOORDINIEREN" etwa dürfte einer der persönlichsten Songs seiner Diskografie sein eine Art Resümee der letzten Jahre, das auf vorsichtige Weise von Überforderung, Vaterrolle und Selbstzweifel erzählt. Zeilen wie "sie werfen Steine ins Glas und beschweren sich dann über die Scherben" wirken zwar fast zu geschliffen, doch in Kombination mit der Produktion funktioniert das erstaunlich gut.
Natürlich gibt es auch Ausreißer. "DALÉ" will zu viel, "ALLEZ LES BLEUS" bleibt trotz des treibenden Beats seltsam leer. Und "TO BE HONEST" erinnert mich einfach zu sehr an das Album von den O'Bros. Doch solche Schwächen bleiben in der Minderheit.
Denn Reezy spielt seine Stärken genau dann aus, wenn er die große Geste vermeidet. Tracks wie "TRAPPER'S LULLABY" mit seinem Vogelgezwitscher, das bittersüße "LIONEL/RICKYS" oder das spirituell aufgeladene "888" zeigen ihm im Spagat zwischen Lifestyle und echter Emotion. Das erwartete Bausa-Feature auf "REWIND" passt besser ins Album, als man erwartet hätte.
Was "Born Spinner" letztlich auszeichnet, ist die Konsequenz: Der Sound bleibt über die gesamte Laufzeit kohärent, die Produktion hochwertig, die Übergänge fließend. Reezy macht keine halben Sachen, auch wenn er sich immer öfter den halblauten Tönen zuwendet.
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