laut.de-Kritik
Zwischen Proll-Rap und Sonntagsschule.
Review von Lisa RupprechtZwei Brüder, ein Glaube, 17 Songs und 46 Minuten missionarische Überzeugungsarbeit: Mit "To Be Honest" liefern die Münchner O'Bros ihr fünftes Studioalbum ab, ein Werk zwischen Bibelvers, Technobeat und Radiotauglichkeit.
Seit 2015 sind die Brüder als christliche Rap-Formation unterwegs. Erste virale Bekanntheit erlangten sie 2017 mit dem Track "Die Chvrchies", der eher als Meme denn als Musik rumgeschickt wurde. Musikalisch ausgebildet, kommerziell erfolgreich – ihr letztes Album "Underrated" schafft es 2023 auf Platz zwei der deutschen Charts.
Underrated fühlt sich "To Be Honest", das aktuell an der Spitze der deutschen Albumcharts steht, nicht an. Vielmehr wirkt es wie ein Best-of des frommen Pop-Raps: Gott in jeder Hook, Bibelverse als Lyrik-Grundlage, und immer wieder der Versuch, musikalisch mit der Zeit zu gehen – mal schlecht, mal richtig schlecht.
Gleich der Titeltrack startet mit einem Brief ans jüngere Ich, begleitet von sanftem Piano – ein frommes Intro mit der üblichen Prise Theatralik. Einen Track später folgt mit "T B H!" das Gegenteil: aggressiver Techno-Beat, Bibelzitate im Rave-Modus. Schon seltsam, nach den Worten "Jesus Christ" plötzlich einen Technobeat zu hören – normalerweise erwartet man das eher bei Tracks wie "Satan Was a Babyboomer" von Brutalismus 3000. Die Line "ihre Lügen werden überrollt so wie kleine Mädchen im Moshpit" bleibt dabei irgendwo zwischen Satire und Fremdscham hängen.
Was folgt, sind weitgehend vergessenswerte Radiotracks. Zum Beispiel "Paradise" mit einer Hook, in der "Highway to Heaven" geschmettert wird – auf Technobeat, einfach peinlich, aber halt auch lustig. Irgendwo zwischen Gottesdienst und Gute-Laune-mache verliert der Track jegliche Erdung.
Ein paar Features bringen immerhin etwas Farbe ins Spiel. Sugar MMFK erinnert auf "Step by Step" stimmlich entfernt an Gims und rettet den Song vor der Bedeutungslosigkeit. Auch "Wo bist du?" überrascht kurz: Zweifel blitzen auf, die Frage nach Gottes Abwesenheit steht im Raum – doch wird natürlich schnell beantwortet. Spoiler: Gott war nie weg.
Wirklich gut hingegen war "Zeichen" mit JONA – eine Indiepop-Nummer, die mit ihrem Sound deutlich an Acts wie Zartmann oder Majan erinnert. Wer die Heilsbotschaft ausblendet, bekommt hier einen der wenigen wirklich hörbaren Songs des Albums.
"Emblem" hingegen lässt an Shirin Davids "90-60-111" denken – zumindest im Einstieg. Inhaltlich bleibt's bei Predigt in Reimform. Warum Gott für den Menschen sterben musste? Hier wird's erklärt – inklusive missionarischer Botschaft.
Zum "Vater Unser (Skit)" bleibt nicht viel zu sagen. Zweimal Vaterunser, dazwischen ein Technopart. Der eigeninterpretierte Gospel-Track "You Are Holy" feat. Sam Rivera punktet mit Atmosphäre, leidet jedoch unter schwerem deutschen Akzent, da der Song komplett auf Englisch ist. Trotzdem einer der besseren Momente.
Doch lange hält sich der Aufwind nicht. "Whatever It Takes" bringt Zeilen wie "Jesus auf die Eins" und "Auch wenn die meisten Leute Christen nicht feiern kommen wir rein mit den dicksten Eiern" – irgendwo zwischen Proll-Rap und Sonntagsschule. Kinderchöre haben ja oft eine besondere Note, aber bei "Wir sind nicht verloren" kommt diese leider nicht durch.
Thematisch kreist das Album immer wieder um moderne Probleme mit altbekannter Lösung: Social Media? Bibel aufschlagen. Identitätskrise? Beten gehen. Immerhin die Line: "Die Jünger waren Fischer / Jetzt bin ich im Netz gefangen" bringt einen kleinen Schmunzler.
Gegen Ende schleichen sich noch zwei Radiotracks ein. "Liebesrausch" ist solide, "Ewigkeit" klingt wie ein Song von 2012. Die musikalische Handschrift bleibt brav, bemüht, überproduziert.
"To Be Honest" ist ein Album ohne roten Faden – außer einem: Gott. Wer diesen ständigen Fokus ausblenden kann, bekommt ein durchwachsenes, in Teilen ambitioniertes Werk, das aber nie wirklich zündet. Die Produktion ist hochwertig, der Wille erkennbar, doch das Ergebnis wirkt oft wie ein missionarischer Versuch auf EDM-Basis.
Für ein Publikum, das christlich sozialisiert ist, könnte "To Be Honest" genau die Musik sein, nach der es sucht. Und Chartplatzierungen kommen schließlich nicht von ungefähr. Positiv bleibt: Das Wort "Kirche" fällt kein einziges Mal.
7 Kommentare
Musik für Menschen irgendwo auf dem Spektrum zwischen "Reconquista Europa" und "Einen auf jung und modern machende Freikirche mit gesellschaftlichen Ansichten reaktionärer als der Papst"
Schade, hätte gern einen Yannick-Verriss über den Schrott gelesen. Wie kann das mehr als einen Stern bekommen?
Wenn Deutschrap eine Nische nicht gebraucht hätte, dann sicherlich diese. WTF?!
Dieser Kommentar wurde vor einem Tag durch den Autor entfernt.
Dieser Kommentar wurde vor einem Tag durch den Autor entfernt.
KMN Gang für Leute die Ned Flanders heissen.