laut.de-Biographie
Beneluxus
Im Grunde ist es vollkommen sinnlos, den Lebensweg dieses Mannes beschreiben zu wollen: Besser, als jeder Biograf es vermag und zudem in Reimform, fasst Beneluxus seinen Werdegang von der Kaiserschnittgeburt über die Stationen grüner Strampelanzug, Super Mario, Skateboard und Boxhandschuhe hin zum ersten Suff, dem ersten Tag, dem ersten Auftritt und der ersten eigenen Wohnung bis hin zum ersten Solo-Album in seinem exzellent konstruierten Rückblick "Zeitreise" zusammen.
Diese beginnt Ende der 70er: Als Sohn eines deutschen Vaters und einer Mutter von den Philippinen erblickt Benjamin Dehling in Hannover das Licht der Welt. Früh wird ihm die Musik nahe gelegt: Benjamin erhält Flöten- und Keyboard-Unterricht. Das Klavierspiel bringt er sich autodidaktisch bei. Bald schon klimpert er klassische Stücke ebenso flüssig wie Blues und Ragtime.
Aus der Schulkameradschaft mit Martin "Maze" Markwort aka Atze M. entsteht eine Männerfreundschaft, wie sie im Buche steht. Beide vergöttern sie Michael Jackson. Maze bringt Bene das Skaten nahe und öffnet ihm so den Weg in eine ganz andere Welt. In der Skater-Szene kommt Bene erstmals mit der Musik von Cypress Hill, Paris, House Of Pain oder den Beastie Boys in Kontakt.
Die erste Rap-Platte, "As Nasty As They Wanna Be" von der 2 Live Crew, verhilft dem inzwischen 14-jährigen Bene zu einem beachtlichen Fundus an englischen Schimpfwörtern. "Schön, dass Musik so bildet", grinst er noch Jahre später. Diese neu gewonnene Fertigkeit liefert allerdings nicht die Initialzündung dafür, sich mit Leib und Seele dem Hip Hop zu verschreiben. Als endgültig funktionierenden Köder bezeichnet Bene rückblickend die Dokumentation "Lost In Music", die deutsche Hip Hop-Stars der ersten Stunde, darunter Torch, Toni L, Cora E und Deutschlands wohl erfolgreichsten B-Boy Storm portraitiert.
Hip Hop ist mehr als nur Musik, soviel steht augenblicklich fest. Bene beginnt zu sprühen und zu malen. Wenig später finanzieren die Eltern seinen ersten Synthesizer, einen Korg X3, und eröffnen ihm damit ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten. Bene schreibt und komponiert Songs. Sein erstes Tape (Bene D. - "Einfach Cool") verscheuert er auf dem Schulhof.
Bereits hier ist Kumpel Maze mit von der Partie. Mit diesem und drei anderen hebt er 1994 seine erste Live-Band, S.D.W., aus der Taufe. Manche mögen's hart: Bei S.D.W. kickt man Raps über Metal-Beats. Nebenbei absolvieren Maze und Bene zahlreiche Auftritte in und um Hannover und ziehen dabei Kreise: Die beiden erregen die Aufmerksamkeit von Falk Hawkeye Schachts Adlerauge. Hawkeye lädt das Doppel zu einer Freestyle-Session, bei der Bene und Maze erstmals mit DJ Lord Wax auf der Bühne stehen.
Drei Demotapes später besuchen Bene und Maze Hawkeye und Lord Wax in deren Studio. Beeindruckt und inspiriert investieren sie daraufhin selbst in anständiges Equipment. Die daraus resultierenden Beats genügen ihren eigenen Ansprüchen allerdings nicht: Die beiden verlegen sich hauptsächlich aufs Freestylen. Auch das zeigt Wirkung: Im Dezember bietet sich die erste "richtige" Auftrittsmöglichkeit. Hawkeye legt an den Beatbeständen noch einmal Hand an. Lord Wax bietet sich als DJ an. Gemeinsam gründen sie 1995 das Trio MB1000 und bringen es über die Jahre auf mehr als vierhundert Live-Shows.
Unter denen, die sie nicht gerade unbeeindruckt zurücklassen, befindet sich Spax, der 1998 zusammen mit MB1000 ein Demo-Tape aufnimmt. Im Gegenzug begleitet ihn die Truppe 1998 und '99 auf Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Beneluxus produziert mit "LT 1999" das erste MB1000-Vinyl. Das Trio sichert sich seinen Platz auf diversen Compilations (darunter Roey Marquis IIs "Ming", der Sampler zum Splash!-Festival und einer "Masterblaster"-Mixtur der Juice). Maze und Bene schwingen sich zudem zu gern gehörten Feature-Gästen auf. Unter anderem kooperieren sie mit Main Concepts David P. sowie Ju und Schowi von den Massiven Tönen.
2000 werfen MB1000 mit "Sprechstunde / Schlaflos" die nächste Maxi auf den Markt. Wieder geht es mit Spax auf die Piste. Bei einer Show in München dann der vermeintlich große Wurf: Die Jungs knüpfen Kontakte zum BMG-Unterlabel Subword und haben wenig später den ersten Plattendeal in der Tasche. Ende 2001 bringen sie in Freestyletape ("Geistesblitze"), kurz darauf die EP "Kalter Schweiß" unters Volk.
Alles scheint bestens zu laufen. MB1000 touren mit Ferris MC und DJ Stylewarz, reißen einen TV-Auftritt nach dem anderen herunter, ihr Video zu "Abriss" rotiert auf VIVA, und 2002 folgt schließlich das überfällige Debüt-Album "Auf Platte". Womit die Durststrecke beginnt.
"Auf Platte" verkauft sich nämlich nicht besonders gut. Bei MB1000 ist man zwar mit den Zahlen sehr zufrieden, auf Labelseite sieht die Sache anders aus. In den Jahren 2003 und 2004 feilt das Trio am Nachfolger "King", zu einer Veröffentlichung bei Subword soll es jedoch nicht mehr kommen. Umstrukturierungen in der Chefetage bei BMG beeinflussen die Firmenstrategie. Subword erfährt durch die Signings von Kool Savas, Eko Fresh und Curse eine enorme Aufwertung. Acts mit weniger als 30.000 verkauften Einheiten werden zunehmend uninteressant. "Also rutschten wir in der Hierarchie nach unten", konstatieren MB1000. Zudem kommt ihnen Raptile mit seinem Hit "Make Y'All Bounce" in die Quere: "King" verschwindet in der Schublade. Die Empfehlung, sich musikalisch doch ein wenig mehr in Richtung Linkin Park zu orientieren, lehnen MB1000 dankend ab. Die Zusammenarbeit mit Subword hat sich daraufhin erledigt.
Plötzlich haben die drei viel mehr freie Zeit als ihnen lieb ist. Bene nimmt sein Boxtraining wieder auf (er boxt seit seinem zwölften Lebensjahr) und bringt es in den Jahren 2003 und 2004 jeweils zum Niedersachsen-Meister. Maze studiert, Lord Wax stürzt sich ins Berufsleben. Die musikalische Karriere, so die allgemeine Feststellung, müsse man selbst in die Hand nehmen. Beneluxus bringt sich Videoschnitt-Techniken bei und produziert diverse Filmchen, die auf der Crew-eigenen Webseite als "King TV" präsentiert werden. Er und Bene rappen Gastparts bei Ercandize, Ferris, Franky Kubrick, Raptile, Lunafrow und anderen Kollegen.
2005 stoßen sie auf das in Hannover ansässige Indielabel Gimme Mo' Records. In weniger als einem Jahr basteln sie ein fast völlig neues "King"-Album zusammen. Von den ursprünglichen 15 Tracks schaffen es nur zwei ("Hymne" und "Gothic Night") auf die neue Version. Den Rest verwursten MB1000 als Compilation-Beiträge oder Exclusives für verschiedene Webseiten. Für ihren zweiten Longplayer legen Bene und Co. inzwischen andere Maßstäbe an. "Das Ding ist: Du hast dich an den Liedern auch irgendwann sattgehört", so Bene gegenüber allesreal.de.
Die zwischengeschobenen Einzelaktionen haben dem MB1000-Sound eine Frischzellenkur verpasst: "K.I.N.G." tönt, im Gegensatz zu dem doch betont ausgewogenen Erstling "Auf Platte" wesentlich kompromissloser. Seit März 2006 feilt Beneluxus an einem Solo-Album, Maze plant ebenfalls einen Alleingang, während Lord Wax, der zusammen mit !Bazz die Gemeniz bildet, über ein Produzenten-Album nachdenkt.
Beneluxus setzt seine Pläne als erster in die Tat um. "Purer Luxus" erscheint Ende Januar 2007. Inhaltlich bewegt er sich in sehr klassischen Gefilden: Neben Battle- und Representer-Tracks gibt es eine Hymne an die Homies, eine an die Heimatstadt, die übliche Drogenverherrlichung sowie die obligatorische Schnulze fürs Herz. Beneluxus' außergewöhnlich umfassender Wortschatz, sein eleganter Flow, seine astreine Technik und sein Talent für Sprachspielereien machen "Purer Luxus" dennoch ausgesprochen hörbar.
Unter den Gästen finden sich Langzeit-Weggefährte Maze und Newcomer und Labelgenosse Phrase. Wo Bene die Produktion nicht selbst in die Hand nimmt, helfen unter anderem die Gemeniz, und Brisk Fingaz, der bisher noch auf jeder MB1000-Veröffentlichung seinen Beitrag leistete. Im Video zum Titeltrack schwelgt Beneluxus im puren Luxus, dem er so wieder einen Schritt näher gekommen sein dürfte.
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