laut.de-Biographie
Raptile
Addis Mussa, ortsansässig in Bayerns Landeshauptstadt München, hält die Fahne des Anglizisten-Sprechgesangs tapfer in den Wind. Der Halb-Äthiopier, besser bekannt unter seinem Pseudonym Raptile, kann sich als einer der wenigen glücklich schätzen, denen ein gewisses Vertrauen der Plattenfirmen entgegengebracht worden ist. Unter der mächtigen Haube von Label-Gigant BMG gehört Raptile zur Subword-Familie und versucht, mit seiner Kunst den Erwartungen der hungrigen Geschäftsleute gerecht zu werden.
Ihren Ursprung haben seine Ambitionen inmitten der Bayerischen Metropole, wo die Hingabe an den Hip Hop im Umfeld von Main Concept oder dem Blumentopf prächtig gedeihen konnte. Die Liebe für das Genre teilte man also, es gingen eben nur die Vorstellungen der benutzten Sprache etwas auseinander. So spezialisierte sich Raptile, aus dem Rahmen fallend, auf Englisch, während Blumentopf und David P.s Mannen sich daran machten, den Deutschrap mitzugestalten. Trotzdem geben ihm seine schon etwas bekannteren Kollegen die Chance, sein Talent einem größeren Publikum zu präsentieren, und nehmen ihn auf die Future Freestyle Tour durch Deutschland mit. Neben Samy Deluxe oder David P. zeigt er seinen Zusehern, dass ein Landsmann sogar auf Englisch freestylend mehr als nur überzeugen kann. Sein Name spricht sich also herum und die ersten Singles, die auf dem Main Concept-Label Plan 58 erscheinen, finden den einen oder anderen Abnehmer.
Auf dem Höhepunkt des Deutschrap Booms bekommt Raptile endgültig die Chance, sein Talent auch kommerziell unter Beweis zu stellen. Sein Debütalbum "Da Basilisk's Eye" erscheint im August 2001, entwickelt sich aber zum Ladenhüter. Obwohl das Live-Publikum ihn außergewöhnlich gut akzeptiert und feiert, halten es wenige für nötig, seine Platte zu kaufen. Trotzdem bleibt ein Grund zur Freude, da sich eine neue - nicht vorhersehbare - Käuferschaft heraus kristallisiert. Mit Hilfe von BMG und gewissen Beziehungen macht Raptile auf dem kanadischen Hip Hop-Markt von sich reden. Er spielt bei einigen Shows im Vorprogramm der Rascalz und wird überraschend gut aufgenommen. Wie er selbst stolz berichtet merken viele nicht einmal, dass er aus Europa stammt. Die in Kanada sehr erfolgreichen Rascalz lassen schließlich von Raptile und Teilen seiner Crew ihre Single "Top Of The World" vom "Global Warning"-Album remixen. Auf diese Weise kommt es dazu, dass sich sein Debüt praktisch genauso oft in Kanada verkauft wie in seinem Heimatland. Und das, obwohl die Kanadier deutlich mehr für die CD berappen müssen, weil sie nur als Import erhältlich ist. Auf der einen Seite ist das sicher ein schwacher Trost für den Rapper, auf der anderen liefert gerade dieser überraschende Erfolg jenseits des großen Teiches die Argumente dafür, dass BMG Raptile nicht ohne zu Zögern feuert.
Trotz des auf Eis gelegten Vertrags brechen nach dem Misserfolg des Albums harte Zeiten für den Münchner an. Leider im doppelten Sinne. Erstens kann er nicht auf den Deutschrap-Schnellzug aufspringen und zweitens entpuppt sich die Bahnfahrt der Kollegen mit der Zeit leider auch als ernüchternd. Die Musikindustrie hat Probleme, und die fallen auf Raptile doppelt zurück. Während er auf bessere Zeiten wartet, hält er sich durch Auftritte, Club-Hostings oder dem Verkauf von Studiomaterial über Wasser. Außerdem ist der junge Mann ein nicht ganz untalentierter Kicker und verdient so ein wenig Kohle für das tägliche Brot.
Im Sommer 2004, nach einigen Jahren der Abstinenz von der Öffentlichkeit, steigt Raptile plötzlich wie aus dem Nichts wieder auf. Im Gepäck hat er eine Single, die vor allem durch die Beteiligung Xzibits zum Staunen bringt. Vom Track mal ganz abgesehen, dessen Beat, von keinem Geringeren als DJ Khalil (dem Hausproduzent der G-Unit) gemixt, mit hartem Synthie in bester Bounce-Manier durch die Boxen schallert. Der Remix von Deutschlands umstrittensten Rapper Eko Fresh tut sein Übriges, um den MTViva-Kids den Track schmackhaft zu machen. Schwuppdiwupp sind 40.000 Einheiten verkauft, und "Make Y'All Bounce" konkurriert mit Jeanette um die Plätze in den Charts.
Auch mit den Gästen, die für Album Nummer zwei angesagt sind, hätte niemand gerechnet. Auf "Classic Material" tummeln sich Namen wie Redman, Rah Digga, Necro oder Wordsworth, die ohne Frage zu den ganz Großen im internationalen Zirkus gehören. Raptile hat es tatsächlich geschafft, seine Plattenfirma zu überzeugen, nicht nur ein weiteres Album aufzunehmen, sondern sogar richtig teures Geld in den Silberling zu investieren. Bei Fragen nach den hochkarätigen Features erklärt Raptile zwar schnell die Vitamin B(eziehungen)- und C(onnections)-Methoden, doch für einen Redman, Xzibit oder Wayne Wonder muss man ohne Zweifel tief in die Taschen greifen. So wartet also im Spätsommer die wohlverdiente zweite Chance auf den 27-Jährigen.
Doch Raptile weiß selber gut genug, dass die Basis für seinen angestrebten Erfolg auch in Übersee von den Verkaufszahlen in den deutschen Charts gezimmert wird. Wenn das Majorlabel den MC nach einem weiteren Albumflop aus der Kartei schmeißen sollte, helfen nämlich auch keine Vielleicht-Connections zu irgendwelchen Amis weiter. Und auch das viel zitierte Lob des US-Produzenten Clark Kent, bei Raptile handele es sich um das Beste, was er je aus Europa gehört hat, kann ganz schnell in Rauch aufgehen.
Für Raptile erfüllt sich dieses Schreckensszenario nicht. Bei Subword bleibt man ihm treu. Im September 2005 erscheint mit "Mozez" das dritte Album, das drei Monate später noch einmal in einer "Black Edition" auf den Markt geworfen wird. Ohne Zweifel handelt es sich bei dieser Re-Edition um nichts anderes als einen Marketing-Schachzug. Musikalisch unterscheiden sich die beiden Ausgaben nicht. "The Black Edition" wird lediglich um einige Gimmicks in Form von Wallpapers, Video-Material und einem Making-Of aufgepeppt. Zwei Remixe werden schamlos als neue Tracks angepriesen. Tönt die Eröffnungsnummer noch breitflächig und überzeugend aus den Boxen, mangelt es dem Album auf voller Länge doch mächtig an Abwechslung.
Ein Problem, dem Raptile bis zur nächsten Veröffentlichung Herr geworden zu sein scheint: "Hero Muzik" erscheint im November des Folgejahres, "keeps your stereo boosting" und wartet mit deutlich größerem Variantenreichtum auf. Wie schon bei "Mozez" geht mit Lioness eine starke Feature-Partnerin an den Start, die sich keineswegs auf süßliche R'n'B-Hooklines reduzieren lässt. Unter anderem sind daneben Cronite und Manuellsen zu Gast. Raptile feiert sich mit der Single "NevaEva" als "first German MC on MTV Cribs", lässt finstere Rhymesalven auf seine Hörer niederbrettern, überzeugt mit Nummern wie "Missin' Ur Kisses" diesmal aber auch in der sachteren Liga.
Keine Atempause, Rap-Geschichte wird gemacht: Kaom einen Monat später zieht Raptile mit "Best Of - Europe's Golden Child" Bilanz. Raptile lässt sämtliche dicken Features der vergangenen Jahre Revue passieren: Von Xzibit über Valezka, The Game, Rah Digga und Da Lioness bis zu Keon Bryce und Wayne Wonder gehen alle noch einmal gemeinsam mit Europe's Golden Child an den Start. Die Bonustracks "All My Peoples" und "Fire" befriedigen zudem den Hunger der Fans nach neuem Material.
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