laut.de-Kritik
Die Ruhe nach dem rauschhaften Erfolg.
Review von Michael SchuhSie verbergen erst gar nicht, was ihnen Außergewöhnliches widerfahren ist. Auf dem Cover des zweiten Boy-Albums "We Were Here" prangen im Hintergrund unscharf die Big City Lights, Songs heißen "New York" oder "Hotel", und in der Vorabsingle "We Were Here" singen sie: "Everywhere we were, we made the city sing (...) Everywhere we've been, we have been leaving traces."
Was dem Duo Boy widerfahren ist, erinnerte ein wenig an ihren Clip zum 2011er Erfolgshit "Little Numbers". Kinder, Twentysomethings, alternde Barkeeper: Die halbe Welt umschwärmte eine gestern noch völlig unbekannte Gruppe. Man wollte zu diesem federnden Sound unweigerlich auf der Straße tanzen, egal ob auf grauem Pflaster oder auf mit bunter Straßenkreide angefertigten Keyboardtasten.
Dennoch hatte man auch während ihrer rasant steigenden Popularität nie das Gefühl, Boy würden abheben. Abgeklärt nahmen die beiden Hamburgerinnen Valeska Steiner und Sonja Glass Konzertanfragen aus Amerika, Kanada und Japan entgegen. Ganz ähnlich dürften sie auch ihrem Label nach exzessiven Konzertreisen zu verstehen gegeben haben, dass ein Album-Schnellschuss der weiteren Karriereplanung nicht förderlich sei.
Alleine die Tatsache, dass "We Were Here" ganze vier Jahre nach dem Erfolgsdebüt "Mutual Friends" erscheint, ist schon eine Seltenheit. Die neun Songs belegen aber auch, dass sich Steiner und Glass alle Zeit der Welt genommen haben, um wieder einen Weg zu neuen Songufern zu finden. Ihren lässig dahin geschrubbten Folk haben sie bei der Gelegenheit eingemottet.
Wer ein neues "Little Numbers" sucht, wird enttäuscht. Boy haben ein stilles, sinnliches Album aufgenommen, vielleicht auch eine intuitive Reaktion auf das weltweite Jubelgeschrei. Gleich das großartige wie nachdenkliche "We Were Here" zeigt Boy frei jeglicher liebgewonnener Mädchenhaftigkeit, fast schon ernst. Auf einem warmem Synthie-Teppich lässt es sich zwar noch immer hervorragend tanzen, aber eher eng umschlungen im Halbdunkel als bei strahlender Sonne auf der Blumenwiese. Wenn gegen Ende Fanfaren das Songfinale einläuten, erreichen Boy ihren ganz persönlichen Pet Shop Boys-Moment.
"Fear" zieht das Tempo etwas an und lässt mit gemeinsam vorgetragenem Gesang im Refrain noch einmal die Vergangenheit hochleben. Dennoch mag sich zunächst kaum ein Song so festbeißen wie der Titeltrack. Erst nach und nach öffnen sich die Melodien, sei es das zarte, introspektive "Hotel", das beschwingte "Hit My Heart" oder das herausragende "No Sleep For The Dreamer", eine Ode ans Träumen und an die Liebe.
Eine Konstante zum ersten Album steckt auch im Charme manch leicht verständlicher Zeile. Wenn Valeska "The minibar is always open" oder "He turns off his mobile phone" singt, fühlt man sich den beiden gleich noch näher. Gleichzeitig rücken Boy eindrücklicher als noch beim Debütalbum ihre ausdrucksstarken Gesangsstimmen in den Mittelpunkt des Songs, was Parallelen zur Kanadierin Feist nicht übertrieben erscheinen lässt.
Besonders schön gelingt dies in der zweiten Hälfte des Albums in dem von einigen Pausen durchsetzten "New York", das dann doch keine Reminiszenz an den Amerika-Erfolg geworden ist: "'Cause the truth is / I was wrong when I said I was bored / Any street that I'm walking on with you / Anywhere with you could be New York."
Tief betrübt hinterlässt einen die Platte aber nicht, selbst wenn Boy Textzeilen singen wie "I'll cry rivers or oceans 'til I get over it" oder mit "Into The Wild" ein arg langsames Ende wählen. "We Were Here" umarmt die Melancholie mit fein ineinander verwobenen Kompositionen, denen man die Detailversessenheit ihrer Urheber anhört, ohne dass der Groove darunter leiden würde.
"Look how we celebrate our time", singen Boy in "Hit My Heart". Schön, dass wir dabei sein dürfen.
6 Kommentare mit einer Antwort
Das sind ja Määäädchen. Voll subersiv, dass die Boy heißen. Hoffentlich machen die mal ein Feature mit dem Boy, der am Block chillt.
Sehr gut
Seichter Pop für den berliner Hipstermarkt. *gähn*
hab denen nie eine richtige Chance gegeben.. wurden von fake ass hipstern zu sehr gehyped und daher pas enough indie für mein gusto. Spass beiseite: zum ersten Mal bewusst gehört und erstaunlicherweise gefällts mir. Bisweilen schon etwas seicht.. aber im Moment mag ich das - kann da gut meine Pussyseite ausleben lassen.
Gehr gut ins Ohr. So ein zwischending aus Indie und Mainstream-Radiomusik.
potenzial ist ajf da. gefällt mir im ersten durchlauf recht gut.
Ein ziemlich überbewertetes Pop Album, nach dem kein Hahn mehr kräht.