laut.de-Kritik

Mehr ist mehr? Dream Theater sagen: Ja.

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Mit "Quarantième: Live À Paris" feiern Dream Theater ihr 40. Bandjahr – und zwar mit einer Party, die ziemlich dezent und ziemlich lang ausfällt. Der erste Track? "Metropolis Pt. 1". Zehn Minuten. Zum Einstieg. Catchen muss man hier niemanden mehr, die Tickets sind längst verkauft.

Nach diesem Brocken fühlt man sich bereits, als hätte man ein komplettes Konzert hinter sich – schade nur, dass noch rund 156 Minuten folgen. Der Arena scheint's zu gefallen. Nach LaBries kurzer Ansage, dass an diesem Abend eine DVD mitläuft, brüllt das Publikum erwartungsgemäß euphorisch zurück.

"Overture 1928" jammt sich danach weiter durchs Set. Freunde gepflegter Gitarrenfrickelei fühlen sich spätestens hier zu Hause, alle anderen eher im falschen Film. "Strange Déjà Vu" zieht die Härteschraube wieder an, und am Sound gibt's wirklich rein gar nichts zu meckern: sauber getrennte Instrumente, ordentlich Wucht, Publikum nur dort, wo's dramaturgisch passt.

Bei "The Mirror" darf man in den ersten Sekunden kurz denken, man sei versehentlich auf einem Pantera-Gig gelandet, ehe LaBrie einen wieder zurück in die Dream Theater-Realität schickt. Vier Songs geschafft – bei manch anderen Bands wäre das schon die komplette Show.

Mit "Panic Attack" signalisieren Dream Theater dann endgültig: Heute wird nichts ausgelassen. Alles, was je geschrieben wurde, soll offenbar in dieses Set geprügelt werden, egal wie wild es stilistisch durch die Jahrzehnte springt. "Barstool Warrior"? Gitarre ein paar Zentimeter höher, breitbeinig hinstellen, Solo um Solo abfeuern. "Sing along!", fordert LaBrie bei "Hollow Years". Nur scheint an diesem Abend niemand den Text zu kennen – oder der Chor ist einfach in der Albummischung verschwunden.

"Constant Motion" treibt das Dauerfeuer weiter voran – irgendwann wäre ein bisschen Stillstand durchaus willkommen. Klar, 40 Jahre Bandgeschichte sind lang, aber ewig durchgehendes Gebretter ermüdet dann doch. "As I Am" rüttelt immerhin wieder wach. Dann: 20 Minuten Pause. Für die Leute in der Arena, wohlgemerkt. Für uns geht's nahtlos weiter mit "Orchestral Overture". Starker Track – braucht man davon einen Liveschnitt? Eher nicht.

"Night Terror" – ein neuerer Song – tut dem Live-Album überraschend gut und hätte früher kommen dürfen. Ein echtes Highlight folgt erst wieder mit "This Is The Life", stadiontauglich, hymnisch, songorientiert – man merkt sofort, dass dieser Titel atmen darf. "Vacant" schaltet dann endlich runter: Gitarre kurz ins Abstellgleis, Verschnaufpause. Denn danach kommt "Stream Of Consciousness", und der Gitarrenporno geht wieder in die Vollen.

Und ja, sie haben es wirklich getan: "Octavarium". 24 Minuten. Genug Zeit, ein Bier zu holen, ein zweites Bier zu holen, aufs Klo zu gehen und zwischendurch seine Lebensentscheidungen zu überdenken. Der Track funktioniert über Kopfhörer – live ist er eher eine Geduldsprobe. "Home"? Da will man mittlerweile hin. Warum "Pull Me Under" ganz ans Ende muss, wissen nur Dream Theater. Der Song zählt zu ihren besten – live jedoch zu ihren schwächsten. LaBries Stimme kratzt hier an der Schmerzgrenze.

Am Ende: Fast drei Stunden technische Gitarrenlehrstunde, gute musikalische Performance, gesangliches Mittelmaß und insgesamt viel zu viel des Guten. Mehr ist mehr? Dream Theater sagen: Ja. Ein Abend für Hardcore-Fans und Durchhalteweltmeister.

Trackliste

  1. 1. Metropolis Pt. 1
  2. 2. Overture 1928
  3. 3. Strange Deja Vu
  4. 4. The Mirror
  5. 5. Panic Attack
  6. 6. Barstool Warrior
  7. 7. Hollow Years
  8. 8. Constant Motion
  9. 9. As I Am
  10. 10. Orchestral Overture
  11. 11. Night Terror
  12. 12. Under A Glass Moon
  13. 13. This Is The Life
  14. 14. Vacant
  15. 15. Stream Of Consciousness
  16. 16. Octavarium
  17. 17. Home
  18. 18. The Spirit Carries On
  19. 19. Pull Me Under

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9 Kommentare mit 14 Antworten

  • Vor 20 Tagen

    Ich weiß nicht was der Rezensent gehört hat, dieses Live Album kann es nicht gewesen sein. Vielleicht wird sich hier auch nur an einer Band abgearbeitet, die man nicht versteht oder nicht mag, vielleicht auch beides.

    La Brie singt live besser denn ja. Wäre er so schlecht wie oft behauptet, er könnte sich nicht in dieser Band halten, ging zumindest seinem Vorgänger so. Es ist ganz grundsätzlich sehr beeindruckend diese Songs überhaupt zu singen.

    Ich würde die Kritik eher bei der Frage ansetzen ob es überhaupt noch ein Live Album von DT braucht oder ob nicht einfach eine Encore Serie als Downloads reichen würde. Viel neues ist von dieser Band auch mit Portnoy nicht zu erwarten, wie das aktuelle Album gezeigt hat.

    Dream Theater machen Dream Theater Musik auf hohem Niveau und das ist auch gut so. Ich persönlich sehe das entspannt und finde es gut.

    Dem Rezensenten wünsche ich viel spass beim nächsten AC/DC live album. Ich hoffe es wird nicht zu komplex

  • Vor 20 Tagen

    Wieso funktioniert Octavarium nur über Kopfhörer? Die spielen ihn live doch 1:1. Jedenfalls scheint der Rezensionist mit Prog überfordert zu sein. Pull Me Under habe ich im Sommer erst live gesehen, da war keine Schwäche zu hören. 1/5 für Herrn Dröll!

    • Vor 20 Tagen

      "Wieso funktioniert Octavarium nur über Kopfhörer? Die spielen ihn live doch 1:1."

      Lies doch den Absatz noch mal, vielleicht kommst du dann drauf, was er meinte.

      "Jedenfalls scheint der Rezensionist mit Prog überfordert zu sein."

      Und deine Argumentation "scheint" mal wieder vollkommen schwachsinnig. Der Rezensent merkt an, dass überlange Konzerte, insbesondere wenn sie von Dream "Gymprog - aufgeblasen, machohaft, unangemehm riechend - Theater stammen, für manche Zuhörer/Zuschauer zuviel des Guten sein *können*.

      "Pull Me Under habe ich im Sommer erst live gesehen, da war keine Schwäche zu hören."

      Hmm ja, es scheint fast so als wären die Konzerte von Bands nicht immer exakt gleich und manche wären besser als andere. Verrückt, nicht? :rolleyes:

    • Vor 20 Tagen

      Wer nicht drei Stunden stehen und sich auf die Musik konzentrieren kann, der ist überfordert. Ende!

    • Vor 20 Tagen

      Lieber stehend sterben als sitzend genießen?

    • Vor 20 Tagen

      Nö. Wer nicht drei Stunden stehen und Musik hören kann/will, könnte Probleme mit der Haltung haben, oder mit den Ohren, oder mit großen Menschenmengen, oder mit schlechter Luft, vielleicht mit zuviel Bierkonsum, oder oder oder. Das lässt erstmal gar keine Rückschlüsse auf die Haltung zum Genre zu.
      Ich hab mich bei Konzerten auch schon gelangweilt oder anderweitig unwohl gefühlt, zum Beispiel bei Konzerten von ner bekannten Indieband. Das heißt aber nicht, dass Indie mich überfordert. Kann es sein, dass du immer dümmer wirst, oder warum siehst du so simple Dinge nicht?

    • Vor 20 Tagen

      Wirkt eher als mag er einfach DT nicht so...

  • Vor 20 Tagen

    Ich finde diese Band unangenehm. Alleine schon diese austätowierte maskuline "Wir sind die schnellsten, besten und überhaupt..." Attitüde schreckt mich ab. Selbstdarstellung am am jeweiligen Instrument ist leider häufig ein Problem im sog. Prog-Metal. Der Vergleich mag hinken, aber eine Band wie Genesis wäre nie auf die Idee gekommen, ihre Musik der Selbstdarstellung ihre Musiker unterzuordnen. Das gleiche gilt für unzählige weitere Bands: Rush, Marillion, Porcupine Tree, Jethro Tull, VDGG...

    • Vor 19 Tagen

      Wenn du da Selbstdarstellung in den Kompositionen siehst, dann schaff dir mal ne Brille an.

    • Vor 19 Tagen

      Solltest schon etwas Spaß an Gegliedel mitbringen, sonst wird das nix mit dir und DT.
      Habe die früher auch gerne gehört, aber irgendwann hatten sie keine neuen Ideen, die mich noch interessiert hätten, mehr… auch schon wieder gut zwanzig Jahre her… wie die Zeit vergeht…

    • Vor 18 Tagen

      @pedrolino Schön dass du Musik so gut sehen kannst, und sogar ohne Brille. Ich verlasse mich da mehr auf meine Ohren. Ich höre bei DT so einiges, was ein Song eigentlich nicht braucht.

    • Vor 18 Tagen

      Das hast du sehr schön gesagt. Technisch 109%, Songwriting seit langer Zeit mittelmäßig, und es tut mir wirklich leid, aber der Sänger erinnert mich in den schlimmsten Momenten immer an Kermit den Frosch. Es ist so als ob die Band den nicht leiden kann und absichtlich Sachen schreibt, die der maximal im Studio singen kann....ich hör jetzt nochmal die Scenes from a memory, und dann bin ich ausreichend bedient.

  • Vor 18 Tagen

    Allein dafür, dass DT die Empfindungen beim Erleben einer Panikattacke in musikalische Form gebracht haben, mag ich diese Band sehr und freue mich über die Live-Variation. JEDER, der sich ein Live Konzert dieser Band anhört weiß, dass es Gitarrengegniedel, ultraschnelle Keyboardpassagen, einen viel zu leise abgemischten Bass eines der vermutlich besten Bassisten der Welt und fantastisches Drumming zu hören gibt. Prog eben. Wenn man damit nicht umgehen kann sollte man es nicht hören. Was die Länge des Konzertes angeht: Geschmacksache. Mir (!) sind z.B. 90 Minuten beim Fußball zu lang, 60 Minuten würden mir (!) völlig reichen. Ich würde aber nie auf die Idee kommen sowas zu kritisieren. Zu kurze Konzerte sind die Pest, bei zu langen kann man gehen oder die Anlage ausmachen. Eine letzte Anmerkung: Man kann zu LaBrie sagen was man will aber ihn bei dieser Aufnahme als "mittelmäßig" zu bezeichnen ist Blödsinn. 5 Sterne - geile Platte!

  • Vor 11 Tagen

    Ich habe Dream Theater letzten Sommer zum ersten Mal live gesehen und bin nach der Hälfte entnervt gegangen. Meine Fresse war das langweilig. Von Mike Portnoy war ich noch nie ein Fan, aber wozu braucht man drei Kick-Drums? Und wieso kann Jordan Rudess sein Keyboard tilten? Und LaBrie kann es einfach nicht (mehr), der sollte in Rente gehen.