laut.de-Kritik

Ach Bruder, du weißt schon.

Review von

Es gibt Alben, die resümiert der geneigte Rapfan mit der Formel 'Kann man sich schon geben'. Das könnte zwar irgendwie auch in die Kategorie 'Nett ist die kleine Schwester von scheiße' fallen. Aber in einem Leben, in dem man sich vieles durchaus schon geben kann, ist dies wirklich kein Diss.

Das neue Celo & Abdi-Album zum Beispiel klingt schon genau so, wie man sich ein Album von den Beiden vorstellt. Die Beats passen, die Parts stimmen einfach. Die Platte entspricht so genau der Erwartung, dass man kaum Einspruch erheben könnte, wenn jemand doch sagen würde, dass man sich das sehr gut geben kann. Dennoch: Von einer Gruppe, die mit den kreativsten, vorwärts denkenden Deutschrap gemacht hat, darf man mehr erwarten. Irgendetwas fehlt.

Es fängt schon mit dem Albumtitel an, der vielleicht schon den Mikrokosmos der Probleme dieses Albums darstellt: Der Titel ist ein zehn Jahre altes Selbstzitat. Und "Duo Numero Uno" gießt sehr vieles wieder auf. Abdi vergleicht sich im Laufe des Tapes dreimal mit Pikachu, Celo wird auf einem Track namens "La Haine Rap" gesellschaftskritisch: Diesen Track gibt es doch schon; er heißt "Generation Tschö".

Und so kann das Album nicht anders, als uns ständig daran zu erinnern, warum wir dieses Duo Numero Uno mögen. Immer wieder leuchten die Synapsen auf, man erkennt etwas wieder, man fühlt den warmen, kleinen Serotonin-Kick. Celo & Abdi waren immer nostalgisch bezüglich allem Möglichem. Abdi steckte einst Killerparts aus einer lose durchdrehenden Assotiazionskette seiner Lieblingscartoons aus der Kindheit zusammen.

Es ist nun nicht so, dass diese Nostalgie nicht ein paar schöne Momente hervorbringen würde. "Tag Und Nacht" zieht Energie von einem Aymen, der sehr froh scheint, da sein zu dürfen. "J Puncher" kommt cool und rauflustig, auch wenn es etwas schickt, Abdi über Billie Eilish rappen zu hören. Einfach die Annahme, dass das zwei Menschen sind, die in der selben Dimension existieren. Beide Tracks haben wirklich schöne Beats mit nach vorne drängenden Basslines gemein.

Dies macht auch die vermutlich akut nostalgischste Single gut: "So So Def" nimmt viele Versatzstücke der 2000er-Kultur, unter anderem eine Chris Brown-Hook, die ein manischer Nimo ziemlich stark in die Gegenwart holt. Aber die paar Hits reichen nicht als Gegengewicht gegen ein irgendwie ermüdendes Album.

Es gibt stets Momente, in denen das Erzähltalent des Duos aufblitzt: Dieses Gefühl für Details, und wie man sie sehr rabiat erzählt. Auf "Ché & A" erzählt Abdi, wie ein Ticker sich im Douglas Gratis-Parfümproben auftut, um dann salbungsvoll duftend vor dem C&A stehen zu können, wo die Technodruffis ihn aufsuchen. Einen Part später rappt Celo über die Treppenstufen zum Deutschkurs. In beiden Bildern steckt diese banale Tristesse vom Leben am Rande der Gesellschaft, nicht mit zu viel Pathos aufgegriffen, sondern einfach so stehen gelassen. In seinen besten Zeiten hatte das Duo ein Dutzend solcher Momente auf drei Minuten, und der Track war trotzdem ein Banger.

Aber auf diesem Album? Ich weiß nicht. Böse Zungen würden eine Schreibblockade vermuten. Technisch ist das alles gut, aber die Reime leiten ein bisschen arg von Thema zu Thema - und oft entstehen dann diese Cluster an Celo & Abdi-Phrasen. Tijara hier, Eintracht dort, es sind ähnliche Reimpattern, die stets auf ähnliche Pfade führen und weiterwandern, bevor aus diesen Sprachklumpen ihre ansonsten so einschlägigen Bilder hervorgehen könnten. Im Intro spricht Celo mit einer gewissen Erschöpfung Album Nummer sieben ins Leben, kurz darauf Abdi: "Drop weiter Texte, das hier kein Spaß / Schreib weiter Bars". Ja, fühlt sich vergleichsweise wirklich wie kein Spaß an.

Sogar die Beats vom legendären M3 strahlen eine gewisse Müdigkeit aus. Die Sample-Kreativität hat ohne Frage gelitten. Sehr viele Beats folgen derselben Formel: Eine klar auf und ab steigende Melodie, meistens ein bisschen cineastisch, dann Percussion irgendwo zwischen Trap und der M3schen Boombap-808. Die Tempi fühlen sich gleich an, wie die Songs sich auf- und wieder abbauen wirkt irgendwann sehr homogen. Dass zwischendurch ein paar wirkliche Hook-Ausfälle wie das schräg und halbgare "Para Machen Schnapp" dazukommen, ändert das Gesamtbild nicht.

Die Diagnose 'Kann man sich schon geben' kommt wohl daher, dass wir es mit großartigen Artists zu tun haben, die ihr Level nicht wirklich abrufen. Ihr Stick ist zu gut und zu cool, um wirklich scheiße zu sein, und ich höre mir lieber das ausgebrannte "Duo Numero Uno" an, als viele andere Artists dieser Sparte. Aber es fehlen die Parts, bei denen man denkt - woah! Jetzt ist er on fire, jetzt will er was erzählen. Zu oft hat man das Gefühl, man will die Parts einfach durchhaben. Das Textblatt soll voll werden, ein jüngerer Gast oder ein Beat soll es zurechtschieben. Die große Geste dieses Albums: ein erschöpftes 'Ach Bruder, du weißt schon'.

Trackliste

  1. 1. Matzeral
  2. 2. Tag Und Nacht
  3. 3. Ché & A
  4. 4. Go Fast
  5. 5. Champion
  6. 6. So So Def
  7. 7. Überleben
  8. 8. Para Machen Schnapp
  9. 9. R32
  10. 10. Paris-Dakar
  11. 11. J Puncher
  12. 12. Frontkicks
  13. 13. Depras
  14. 14. La Haine Rap
  15. 15. Unsere Leute

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