Porträt

laut.de-Biographie

Chappell Roan

Das ist die Geschichte von einer der größten Fehlkalkulationen der modernen Labelgeschichte. Chappell Roan wird 2023 von ihrem Label gekickt und geht genau ein Jahr später auf einmal wie von Geisterhand von selbst durch die Decke. Aber selbst abseits des Kontextes, dass die junge Frau 2024 zu den Newcomern des Jahres zu gehören scheint, denkt man: Eigentlich hätte dieses Potential doch früher jemand intensiver fördern müssen.

Im Direktvergleich mit ihren Hype-Genossinnen wie Sabrina Carpenter oder Gracie Abrams hat Roan nicht einmal einflussreiche Vorfahren zu bieten: Die junge Frau stammt aus einem Trailerpark im amerikanischen Niemandsland, wo sie sehr christlich aufwächst und sich natürlich auch schon früh für Musik begeistert. 2016 schreibt sie in ebenjenem christlichen Jugendcamp einen Song, der das Midwest-Leben sehr in Frage stellen wird: "Die Young", damals noch unter ihrem gebürtigen Namen Kayleigh Rose.

Ein bisschen also die Justin Bieber-Story: Kind ohne Connections macht YouTube-Video, Label wird darauf aufmerksam, Zack, direkt nach LA. Nur, dass Roan nicht die ganze Cinderella-Geschichte abbekommt. Zuerst mag sie denken, dass sie das große Los gezogen hat. Sie macht eine EP für Atlantic. Erste Amtshandlung: Den eh ein bisschen muffigen echten Namen loswerden. Ihr Großvater gibt Inspiration für den neuen Bühnennamen: Chappell Roan.

Leider entpuppt sich die Schwerindustrie der Musikbranche als Irrgarten. Es dauert bis 2017, bis die erste Single "Good Hurt" auf den Markt kommt, nochmal fast das ganze Jahr, bis mit "School Nights" eine EP erscheint. Und dann? Erstmal nichts. Man kann auch nicht dem Label komplett die Schuld geben, immerhin versuchen sie ein paar Sachen. Musikvideos, Touren mit Vance Joy oder Declan McKenna. Aber es kommt nicht viel dabei rum.

Zwischendurch ein Lichtblick: Megaproduzent Dan Nigro wird auf sie aufmerksam. Sie machen ein paar Tracks zusammen, ein ganz neuer kreativer Funke wird wach. Es entstehen Singles wie "California" oder "Love Me Anyway" und schließlich auch das bald ikonische "Pink Pony Club" - ein superqueerer Synth-Banger, der im Grunde grundsteinlegend für die folgende Karriere sein wird. Leider kommt nun nicht der Moment der Auflösung, sondern erst der absolute Tiefpunkt der Heldenreise:

2021 muss sich Nigro statt Roan einem anderen kleinen Phänomen namens Olivia Rodrigo widmen, deren Album er produziert. Gleichzeitig beschließt das Label, dass Roans Musik einfach nicht profitabel genug sei – sie haben ein paar Sachen probiert, und selbst dass "Pink Pony Club" ein moderater Szene-Erfolg wurde, hat sie nicht überzeugt. Sie geht zurück ins Niemandsland, kellnert, schreibt selbst an einem Album, das sie durchziehen möchte.

Und erst wirkt es so, als wäre "The Rise And Fall Of A Midwest Princess" genau das, was es ist: Eine Geschichte, die mit dem Fall endet. Das Album kommt 2023 raus und reißt nichts weiter. Aber schließlich glaubt doch jemand daran: Es wird ein kleiner Kritiker*innenliebling und bringt sie am Ende auf Tour mit Olivia Rodrigo. Ihre Streams gehen hoch, ihr Profil wächst, auf einmal sprechen Leute so richtig von ihr.

Und dann veröffentlicht sie 2024 ihre erste neue Single: "Good Luck, Babe". Plötzlich brechen alle Dämme. Der Track avanciert zum viralen Mega-Erfolg und kratzt an den Top Ten. Nicht nur das: Auf einmal gehen ihre alten Songs steil, quasi einer nach dem Anderen. "Casual", "Red Wine Supernova", "Hot To Go!", sogar "Pink Pony Club" steigt noch einmal in die Charts ein. Da ist die Cinderella-Story, acht Jahre verspätet. Alle wollen auf einmal Day Ones gewesen sein. Die Aufmerksamkeit ist geradezu seismisch. Man kann nur in der Ferne ahnen, wie sehr irgendwo jemand von Atlantic vor Wut die Wand boxt, dieses Talent nicht gehalten zu haben.

Alben

Surftipps

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