laut.de-Kritik

ABBA auf Steroiden.

Review von

Schlecht war's ja nicht, was Herr Townsend auf dem letzten Project-Album "Sky Blue" fabrizierte. Rückblickend betrachtet war die Halbwertszeit aber doch recht kurz. Wie sich "Transcendence" dahingehend schlägt bleibt zwar noch abzuwarten, Startschwierigkeiten hat die Platte jedenfalls keine.

Wer Townsend kennt, weiß, dass beim Einlegen einer seiner Platten Bombast-Maßstäbe mal ganz schnell neu definiert werden können. "Transcendence" macht da keine Ausnahme. Ich würde sogar dazu tendieren, der LP in dieser Disziplin einen der Spitzenplätze in der weitläufigen Diskographie des Kanadiers einzuräumen.

Als wollte er das noch unterstreichen, eröffnet Devin mit einem neu aufgenommenen "Infinity"-Track: "Truth". Wie viele Spuren das Teil wohl im Studio wohl einnahm? Jedenfalls spielt sich im Vergleich zum Original eines dieser zu oft formulierten David-Goliath-Szenarien ab. Noch eine Schippe drauf legt der Herr am anderen Ende der Platte: dem dreieinhalbminütigen Ween-Song "Transdermal Celebration" verordnet er eine umfassende Steroidkur und schickt ihn zusammen mit einer Monsterladung Happy Ends in den Orbit. Am Ende stehen über acht Minuten auf der Uhr. In der zweiten Hälfte wabert zwar nur träumerisches Space-Gefidel aus den Boxen, das ist allerdings auch bitter nötig, um die vorangegangene Plättung zu verdauen.

Schließlich gibt's davor eine gute Stunde quasi Dauerfeuer. Selbst die ruhigen Momente sind verglichen mit anderen Bands m a s s i v. Das wird live vermutlich wieder zu einem Soundmatsch sondergleichen führen, auf Platte funktioniert's allerdings ganz wunderbar. Devins Lobesworte an Peripherys Nolly Getgood, der diesmal neben Mr Perfect am Mischpult Platz nahm, haben hörbare Berechtigung.

Zurück zur Musik. Die entpuppt sich als guter Querschnitt townsendschen Schaffens – Ausflüge à la "Ghost" oder "Casualties Of Cool" nebst Elektro-Süppchen mal ausgeklammert. Die kompakten, eher kurzen Songstrukturen der letzten beiden DTP-Alben bricht Devin diesmal wieder zugunsten von überlangen Prog-Epen auf. Mit einem Facettenmonstrum wie "Higher" hätte ich im Vorhinein nicht gerechnet. Das Ding erstreckt sich über beinahe zehn Minuten, startet als besinnliche Akustikballade, mündet aber schon bald in protzige Tech-Stränge. Es scheint, als wolle Dev seinem komplexen Cover-Artwork einen musikalischen Partner zur Seite stellen.

Anhänger der aggressiveren Tage können sich freuen: der Mittelteil ließe sich problemlos in den Strapping Young Lad-Kosmos übersetzen. Dass auf "Transcendence" eben doch ein anderer Name steht, merkt man daran, dass trotz aller Härte dieses gewisse ABBA-Feeling präsent bleibt.

Und dass der Typ nach wie vor riesiger Musicalfan ist, merkt man an jeder Ecke. Hat schließlich prächtige Auswirkungen auf die Vocallines. Während die Frauenchöre im Hintergrund praktisch omnipräsent sind (u.a. mit an Bord: Anneke van Giersbergen und "Casualties"-Ché) raubt Townsend am Leadmikro den Hobbysängern unter uns mal wieder jegliches Selbstbewusstsein.

"Stormbending" etwa macht nicht nur "Kingdom" ernsthafte Konkurrenz, sondern wiegt zwischenzeitlich auch noch sanft in den Schlaf. "Failure" steht dem kaum nach und präsentiert sowohl Scheinheiligkeits-Lieb-und-Nett- als auch Epik- und ganz kurz sogar Aggro-Dev. Letzteren gibt's dann vor allem wieder im schon angesprochenen "Higher", Harmonie/Schmalz-Dev kommt überwiegend in "Secret Sciences" und "Stars" zum Zuge. Ersterer ist dabei einer der verschlungensten und gesanglich eindrucksvollsten Tracks des Albums, der der wankelmütigen Oberfläche auch textlich genug Substanz bietet.

Zu meckern gibt's nicht viel. Außer über das, was bei einem Townsend-Album eigentlich auch irgendwie dazu gehört: Auf Dauer kann all der Bombast doch ganz schön anstrengend werden. Und wie schon gesagt: Hört man "Transcendence" am Stück ist man danach erstmal platt. Hier und da eine Spur weniger, ein bisschen mehr Luft zum Atmen täte der Konsumfreundlichkeit ganz gut, möchte man sagen. Andererseits hat Townsend seinen Stil eben längst gefunden. Der ist speziell und dem bleibt er treu – ohne sich davon einengen zu lassen.

Und der Höhepunkt der Scheibe bietet ja genau so eine Atempause: Inmitten des Marsch-Knüppels "Failure" thront ein vaieskes Wah-Wah-Solo, das für zwei Minuten alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Vvon mir aus könnte Devin ewig so weiterspielen. Wo sind die Best Solo Of The Year-Polls?

Trackliste

  1. 1. Truth
  2. 2. Stormbending
  3. 3. Failure
  4. 4. Secret Sciences
  5. 5. Higher
  6. 6. Stars
  7. 7. Transcendence
  8. 8. Offer Your Light
  9. 9. From The Heart
  10. 10. Transdermal Celebration

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