laut.de-Kritik

Wie klingt R'n'B ohne Soul? Vielleicht so wie hier.

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Wenn man so will, dann ist dies Musik über Musik. Meta-Musik, Konzeptpop, Feuilletonistenfolk sind so Begriffe, die einem beim Hören dieses seltsamen Dings made in Brooklyn einfallen. Begriffe, genauso prätentiös wie die Musik der Dirty Projectors. Und doch ist das, was die Truppe um Mastermind David Longstreth auf ihrer mittlerweile schon fünften Platte macht, sehr bemerkenswert. Man muss sich halt ein wenig anstrengen, in die Musik hineinknien, dann ahnt man, worum es hier geht.

Dass das Album fast ohne Refrains, ohne wirklichen Groove, ja ohne Flow auskommt, mutet zunächst befremdlich an. Genauso befremdlich übrigens wie die Bandfotos, die zurzeit in einschlägigen Gazetten kursieren. Da wirken die Damen und Herren mal wie just aus der Irrenanstalt entfleucht, mal auch nur wie ein Haufen leicht verpeilter Studentenköppe. Eben so, wie man sich die In-Crowd vorstellt, die die ach so hippen Streets of Brooklyn zurzeit bevölkert.

Doch man kann diese im besten Sinne des Wortes offene Musik eben auch "genießen". Etwa so, wie man ein Theaterstück von Christoph Schlingensief "genießen" kann. Wenn man sich wie die Dirty Projectors erdreistet, hier und da eine Art R'n'B ohne echte Beats und freilich auch ohne Soul darzubieten, dann ist das erst mal eine Zumutung.

Leiht man dem Ganzen aber ein etwas offeneres Ohr, dann wird es interessant. Wie klingt R'n'B ohne Soul? Warum soll man dieser Frage nicht einmal nachgehen? Übrigens gibt es sehr wohl eingängige Momente, tolle Gitarrenläufe, süße Harmonien. Hohe Frauenstimmen sorgen für eine Art "Wohlklang", für Freunde der E-Musik gibts ein hübsches Streichquartett und mit "Stillness Is The Move" sogar eine Art "Hit".

Letztlich muss man sich das Ganze ein wenig so vorstellen, wie ein von David Byrne, Van Dyke Parks, Joanna Newsom und Vampire Weekend gemeinschaftlich gezeugtes Hybridwesen. Ein wundersames, vielgliedriges Etwas, das kaum laufen kann vor lauter pophistorischem Wissen, dabei aber immer wieder spannende Töne, Sounds, Momente generiert.

Auch in Afrika scheint das Ding schon mal gewesen zu sein; wahrscheinlich damals zu "Graceland"-Zeiten zusammen mit dem lieben Onkel Paul Simon. Kunst also, versteckt im Pop-Mäntelchen? Vielleicht. Irgendwie erinnert das Ganze ein wenig ans Tetris-Spielen. Kaum hat man mal nicht aufgepasst, ist schon wieder ein Steinchen Musikgeschichte hernieder gefallen, ohne dass man es verstanden hätte. In Sachen Weirdo-Charme jedenfalls kann zurzeit niemand den dreckigen Projektoren das Wasser reichen.

Der vormalige Musikstudent Mister Longstreth macht Musik, die gleichermaßen verkopft wie verspielt ist. Und das ist eine nicht gerade kleine Leistung. Glaubt man aktuellen Texten über die Band, dann stand Arnold Schönberg genauso Pate wie die Beach Boys und Buddy Holly. Ach, eigentlich ist es ganz einfach: Dies ist ganz sicher die zugleich nervigste und spannendste Platte des Jahres. Und ja, den Album-Titel soll man wohl tatsächlich "deutsch" aussprechen: "Bitte, lieber Killerwal …" Da fehlen einem dann endgültig die Worte.

Trackliste

  1. 1. Cannibal Resource
  2. 2. Temecula Sunrise
  3. 3. The Bride
  4. 4. Stillness Is The Move
  5. 5. Two Doves
  6. 6. Useful Chamber
  7. 7. No Intention
  8. 8. Remade Horizon
  9. 9. Flourescent Half Dome

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