laut.de-Kritik
Als klassische Hochkultur mit Rock'n'Roll zusammentraf.
Review von Michael SchuhWird man sich in 20 Jahren noch an den offiziellen Titel der Olympischen Spiele von London erinnern? Gewiss. Aufgrund des hohen, lyrischen Comedy-Faktors nämlich: "Ich bin darauf vorbereitet zu leben / ich werde nicht vergeben / die Rache ist mein / ich zeige meine Stärken der gesamten menschlichen Rasse" (Muse, "Survival"). Dass man sich heute noch an den Titelsong der Sommerolympiade 1992 erinnert, hat dagegen mehr mit wahrer künstlerischer Leistung zu tun.
Und ein bisschen vielleicht auch, weil nach wie vor niemand, nicht einmal Muse, in die Fußstapfen des großen Freddie Mercury treten konnte. Vor allem aber war das Duett einer spanischen Sopransängerin und eines weltberühmten Rocksängers in einer Ära vor gängigen Klassikrock-Kollaborationen ein gewaltiges Experiment. Legitim also, dass Arrangeur Mike Moran in der DVD-Doku noch einmal die Geschichte erzählt, wie Vertreter von Mercurys Solo-Label Columbia die Hände über dem Kopf zusammen schlugen, als sie mit dem Projekt konfrontiert wurden.
Ein Duettalbum? Interessant. Warum nicht? Kann man mal machen. Mit wem will Freddie denn singen? Wie? Bitte? Montserwas? Die Tür fiel ins Schloss, Moran und Mercury machten sich auf die Suche nach einem neuen Vertragspartner und fanden ihn in Polydor. Das Album "Barcelona" wurde ein von wahrscheinlich allen Beteiligten unerwartet großer Erfolg.
Miss Caballé fühlte sich seinerzeit zwar von Mercurys Anfrage und dessen großzügig ausgebreitetem Fantum durchaus geschmeichelt, hatte aber nur weniger als eine Woche Zeit für die Produktion des Albums. Dies könnte nun als Argument dafür herhalten, dass es 25 Jahre später plötzlich nötig war, in Abwesenheit des Schöpfers und Ideengebers des kompletten Projekts eine Neuaufnahme mit Orchester zu wagen.
Zwar weiß man, dass Mercury ein Freund des Orchesters und der Operette war. Dies heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass er mit dem Sound-Update des Prager Filmharmonic-Orchesters in dieser Form einverstanden gewesen wäre, was nun selbstverständlich vom Label und den Beteiligten suggeriert wird.
Um nicht zugeben zu müssen, dass einfach irgendeine Idee zum 25. Jahrestag des "Barcelona"-Albums hermusste, heißt es nun im Booklet, Fans hätten sich die Orchester-Umsetzung dieses Albums jahrelang gewünscht. Fehlt nur noch die testamentarische Beglaubigung, dass auch Mercury dieses Projekt aus vollem Herzen unterstützt. Um den Mythos weiter zu nähren, lud man für das Projekt neben Star-Geiger David Garrett auch Rufus Taylor ein, Sohn des Queen-Drummers Roger.
Heraus kommt eine Version, die hier und da tatsächlich fülliger klingt, teilweise aber auch seltsam überfrachtet. Oder war das vorher schon so? Wer das Original-Album nur fünf Mal im Leben gehört hat, dürfte verstehen, was ich meine. Denn schon Mercurys synthetisches Orchester war seinerzeit aller pathetischen Ehren wert.
Inwieweit die Armada an Freddie- und Queen-Jünger auf diese Neubearbeitung gewartet hat, wo schon das Original die Massen spaltete, mag ich nicht zu beurteilen. So erinnert "Barcelona (Special Edition)" in der aufwendigen CD/DVD-Version noch einmal an ein Stück Musikgeschichte, ohne dem Bekannten noch entscheidend Neues hinzuzufügen. Auch die Doku zeigt nur die altbekannten Bilder: Freddie, wie er 1987 an der Jukebox lehnt, sein Treffen mit Caballé kurz zusammenfasst und witzelt: "Forget Rock'n'Roll!" Den Gefallen tun wir ihm natürlich nicht.
2 Kommentare
Gibts sonst nix zu besprechen??
...genau; alles ein bisschen fade