laut.de-Kritik
Auf in den Elfenwald.
Review von Paula FetzerAuch anderthalb Wochen nach dem ESC verstehe ich noch nicht, wie die norwegischen Teilnehmer Gåte auf dem letzten Platz landen konnten. An ihrem folk-rockigen "Ulveham" oder ihrer Performance im Finale lag es auf jeden Fall nicht, beide zählten zu den besten des Abends. Aber es wäre nicht der ESC, wenn es nur um die musikalische Leistung und Qualität gehen würde.
Wie man hier schon herauslesen konnte, hatte "Ulveham" definitiv das Zeug zum Gewinnerlied. Das darf natürlich auf dieser Compilation-EP nicht fehlen und gibt ihr sogar den Namen. Der Aufbau des Stücks gelingt den fünf Norweger*innen perfekt: Während anfangs noch gut mitgeklatscht werden kann, steuern die Instrumentierung und der Hintergrundgesang mehr als nur einen Hauch Mystik bei. Das unumstritten beste an "Ulveham" ist jedoch der Refrain, in dem Sängerin Gunnhild Sundli mir auch nach dem dreißigsten Mal mit ihrem einzigartigen, vom norwegischen Folk stammenden Gesangsstil ("kveding") Gänsehaut beschert. Wie sie auch live jedes Mal diese Passage meistert, ist mir schleierhaft.
Einen großen positiven Nebeneffekt hatte der ESC aber für Gåte: Publicity. Diese half ihnen dabei, eine EU-Tour auf die Beine zu stellen, auf der sie auch nach Deutschland kommen. Hiermit spreche ich also eine Konzertempfehlung für euch aus, denn nicht nur "Ulveham" macht sich live gut.
Auch "Skarvane" ist ein Song wie geschaffen für die Bühne, aber auch die Studioversion, die sich auf dieser EP befindet, muss sich nicht verstecken. Der folkige Einstieg, über den Sundli wie eine norwegische Sirene singt, muss schnell einem Synth-Wabern weichen, bevor die beiden Komponenten so verschmelzen, als wäre es die natürlichste Kombination. Apropos Natur: Im Verlauf gibt es noch Vogelgezwitscher dazu, sodass man sich noch mehr in eine norwegische, bewaldete Berglandschaft transportiert fühlt. Ein ebenso explosiver Refrain darf hier auch nicht fehlen. Das ganze Stück bezeugt nach "Ulveham" einmal mehr die musikalischen und kompositorischen Fähigkeiten der Band.
Dagegen präsentiert sich "Førnesbrunen" erst einmal unscheinbarer, da es sich im ruhigeren Spektrum aufhält. Die Atmosphäre ist betont düster und zieht in den Bann, nicht zuletzt durch Sundlis weiches und hohes Singen, das besonders im ätherischen Refrain besticht. Zum Ende nimmt der Song Fahrt auf und findet in einem letzten Hauchen ein passendes Ende. Ebenfalls düster, aber bedrohlicher, gibt sich "Svarteboka". Neben den Instrumenten sorgt die Sängerin Agnete Kjølsrud der norwegischen Rockband Djerv, die als weitere Begleitung flüstert, zischt, knurrt und keift, ohne ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu spielen. Einen Kritikpunkt gibt es aber dann doch an dieser Veröffentlichung: "Huldra" bleibt trotz des E-Gitarren-Ausbruchs zur Hälfte wenig erinnerungswürdig, da es außer diesem nichts Frisches bietet und sich der Anfang zu sehr in die Länge zieht.
Wer nach etwas prädominant Folkigem sucht, ist mit "Solfager og Ormekongen" am besten bedient, dessen Grundstruktur ein stampfendes Schlagzeug und eine Geige vorgibt. Rockiger fällt "Hamløypar" aus, in dem Sundli außerdem die Bandbreite ihrer Stimme - von sanft bis kraftvoll - in ihrer Gänze zeigt. Eine Kostprobe davon, wie sie live klingt, bietet das abschließende "Kjærleik", das schon beim Konzert zu meinem Favorit wurde und nicht nur dort den perfekten Abschluss bildet. Mit einer Akustikgitarre, Streichern und dem Chor namens Koret Artemis laden Gåte zum Träumen ein.
Die EP weckt nicht nur das Interesse für diese Art des Folk Rocks, sondern auch für die sehr schöne norwegische Sprache. Auf dieser Compilation begrüßt das norwegische Quintett seine Hörer*innen in seinen - mal mehr, mal weniger düsteren - Elfenwald, schafft mit "Ulveham" und "Skarvane" aber auch modernere Stücke. Die gelungene Songzusammenstellung hilft ihnen sicherlich, bei Gåte-Neulingen auch nach dem ESC im Gedächtnis zu bleiben.
3 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 6 Monaten durch den Autor entfernt.
Hab mir die EP schon vorm ESC geholt. Geile Band, die zu unrecht den letzten Platz erhielt.
Völlig zu Recht Letzter. Bin so happy, dass es nicht geklappt hat, von einem unhörbaren Song, der zu 50 % aus Gekreische besteht, durch eine starke Show abzulenken. Vielleicht lernt Norwegen draus, dass das Ohr beim ESC letzten Endes doch noch etwas mehr zu sagen hat als das Auge. 2023 hatten sie es immerhin noch verstanden, also Hoffnung ist da, dass es nur ein Ausrutscher war.