laut.de-Kritik

Dreieinhalb Treffer für die Best-Of-Listen.

Review von

Zweite GBV-Review dieses Jahr, guter Run. Vielleicht gibt es ja Musikjournalisten, die nur von Robert Pollard leben? "La La Land" war eine feine Angelegenheit, wenn auch nach Pollards Ansicht ja eigentlich nur ein Anhängsel an die Veröffentlichungen aus dem Vorjahr. "Welshpool Frillies" ist also das erste "richtige" 2023-Album der Band, insgesamt das 38. Album und das 15. In dieser Konstellation.

Was sofort auffällt: Produzent Travis Harrison, der im Übrigen einige aktuelle interessante New Yorker Bands betreut, nahm die Band größtenteils live auf. "Meet The Star" begrüßt angenehm griffig und ungeschliffen. Die Songs selbst wurden gar nicht unbedingt rockiger im Vergleich zu den Vorgängern, sondern die Gitarren wie auf "Cruisers' Cross" klingen einfach grundsätzlich rau und schneidend.

Harrison trifft auf "Welshpool Frillies" einige Male einen sweet spot, indem der DIY-Pollard und der Studio-Indie-Pollard in derselben Band spielen. Harrison scheint erkannt zu haben, dass die erzwungene Entscheidung zwischen grottiger Produktion und glattem Studiosound viele GBV-Fans nervte.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen, solange das Songwriting-Niveau mitzieht und Pollard nicht nur hinrotzt, was er mitnichten bloß in den Lo-Fi-Produktionen tut. Auf den ersten beiden Songs haut das noch hin, vor allem auf dem Opener, der Richtung Alt-Grunge schielt, auf der Single "Romeo Surgeon" nicht, da der Song zwar druckvoll ausfällt, aber eine echte Idee fehlt.

"Chain Dance" hat was, aber das gilt nun mal für jeden Handstreich von Pollard. Trotzdem bleibt es eine Demoversion, die hingerotzt viel von ihrem Potenzial einbüßt. "Why Won't You Kiss Me" und "Animal Concentrate" sind schmissige, aber auch rasch vorbeiziehende Bandstandards, "Cats On Heat" und "Mother Mirth" Exemplare dieser frustrierenden Pollard-Songs, die in ihrer eigenen Ideenflut binnen 1:39 ersaufen wie ein süddeutscher Tourist in der 20 Zentimeter hohen Nordsee-Wattflut.

Seriosität gewinnt das ganze Vorhaben wieder mit "Don't Blow Your Dream Job", einer von nur zwei Tracks, die 3:30 knapp knacken. Wie es sich für einen GBV-Song gehört, gibt es hier gefühlt 20 verschiedene Tempi, die in diesem Beispiel aber sauber ausbuchstabiert sind und sich gegenseitig neckend an- und abflauen, statt nur in musischen Parallelgesellschaften nebeneinander zu stehen. Die GBV-Formel ist eben eine sehr gute, wenn die Mannen ihr den notwendigen Raum geben und sie organisch wachsen lassen. Der rockige Filler "Awake Man" weicht dem über vier Minuten langen (!) "Rust Belt Boogie", das aber keinen Spaß macht. Schon vor Ablauf der ersten Minute hat man den Eindruck, Pollard wisse nicht, wohin mit dem Track.

Es folgt das auffallend schlecht produzierte "Seedling", bevor nach diesem mediokren Rockreigen mit "Better Odds" wieder Komplexität einzieht. Hier ist endlich deutlich zu erkennen, wie Harrison die Scheibe sich wohl in Gänze vorgestellt hat. Eine atemberaubend schöne Nummer (die backing vocals!), auf die Pollard hörbar auch als Sänger richtig Bock hat, mitsamt klugem, verletzten, verunsicherten Text ("Would you kiss a snake if I held it?", "Would you make a exception for me if I hold ya?") und gleichzeitig ähnlich wie der Opener ungewohnten Tönen von der Band. Es gibt sogar ein Fadeout, eigentlich Teufelszeug für Pollard, der sich hier wie der junge Keith Caputo anhört.

Die "Radioactive Pigeons" koten nicht besonders eindrücklich, und schon sind wir beim Titeltrack, der das Werk beschließt, aber seine nachvollziehbare Crescendo-Idee nur mit Handbremse durchzieht. Es bleibt ein Album mit dreieinhalb Tracks für eure GBV-Best-Of-Listen, davon einer sehr weit vorne, ohne den es bei zwei Pünktchen geblieben wäre - nicht Trevor Harrisons Schuld.

Trackliste

  1. 1. Meet The Star
  2. 2. Cruisers' Cross
  3. 3. Romeo Surgeon
  4. 4. Chain Dance
  5. 5. Why Won't You Kiss Me
  6. 6. Animal Concentrate
  7. 7. Cats On Heat
  8. 8. Mother Mirth
  9. 9. Don't Blow Your Dream Job
  10. 10. Awake Man
  11. 11. Rust Belt Boogie
  12. 12. Seedling
  13. 13. Better Odds
  14. 14. Radioactive Pigeons
  15. 15. Welshpool Frillies

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1 Kommentar

  • Vor einem Jahr

    Ich finde das Album ist richtig gut geworden. Ggf. 2,3 Songs weniger dann wäre es sehr tight. Aber so ist es dennoch ein tolles Zeichen. GbV hat super songwriting und vor allem eine tolle Atmosphäre. Wenn die mal in Deutschland live spielen gehe ich hin.