Porträt

laut.de-Biographie

Ini Kamoze

"Woman I feel your love / Descend on me like a dove / And like a mountain breeze /Settin' my mind at ease / Just like a flowin' river / Your love is a coolin' water / I want you to be my wife / Put a little sugar in my life."

Ini Kamoze - Statement Aktuelles Album
Ini Kamoze Statement
Rasta-Hymnen für die Ewigkeit.

So romantisch wie im Song "Settle With Me" sieht es bei den Eltern des Jamaikaners Cecil Campbell aka Kamoze nicht aus. Statt in einer Klinik kommt er in einem Holzschuppen zur Welt, dann will den Knaben keiner haben. In idyllischen Landschaften wächst der immer ein wenig mysteriös gebliebene 'Hotstepper' auch nicht auf. Durch seine Aufs und Abs hindurch hilft ihm die Religion.

Glaubt man nicht an eine höhere Macht, die manch soziale Schieflage qua unsichtbarer Hand korrigiert, kann man in den Blechhütten-Slums von Kingston vielleicht gar nicht lange überleben. Kein Wunder, dass auf der Insel viele Künstler Gott im Namen führen, so auch dieser: "Kamoze" bedeutet "Berg des wahren Gottes". "Ini" steht für die Wendung "I and I", also "ich, der Mensch, und ich, das Göttliche bzw. Gott in mir".

Sly & Robbie veröffentlichen mit ihrer Band Taxi Gang eine EP namens "Ini Kamoze". Jahrzehnte später heißt die Platte im Vinyl-Boom "Sly & Robbie presents Ini Kamoze" oder - nach dem Hit der Scheibe - "World A Music". Dieser Song groovt langsam und unscheinbar, doch die Stimme strahlt, schillert, und dann diese Line: "Out in the street they call it: Mur-der!" Dazu diese Slogans zum klavierunterlegten Refrain: "World a reggae music on ya-eh / Keep me rockin', with me daughter" und "Then thousand riddims pee-li-ing / It makes the spider kiss the fly."

Ini Kamoze, geboren am 9. Oktober 1957, ist beim Release 26, schreibt alle Zeilen und komponiert auch selbst. Für einen Newcomer im Musikgeschäft erscheint er schon ein bisschen alt, und bis zu seinem kommerziellen Durchbruch vergehen weitere ganze zehn Jahre. Wovon Kamoze zuvor lebt? Drogen dealen, das gibt sogar sein offizieller, etwas obskurer Biographie-Text aus dem Jahr 2016 zu.

Der Sänger stammt nicht aus dem solidesten Elternhaus: Sein Vater ist zwar leitender Polizeibeamter, lässt sich aber nach Kamozes Geburt kaum noch blicken. Die Mutter leistet Schichtdienst in einer Fabrik. Mit der Gesamtsituation überfordert, steckt Mama Kamoze den Kleinen (der später einer der größten Reggae-Stars wird) in einen Pappkarton und bringt ihn zu einer Adresse, von der sie weiß, dass dort eine Gespielin ihres Ehemannes wohnt. Die packt den Karton aus und freut sich über das Geschenk: Ini wird erst einmal ihr Kind. Lange geht das nicht gut, und der Sprössling landet beim Großvater. Der macht ihm Druck und prophezeit, er werde später studieren, Arzt werden, und damit der Stolz der Familie.

Fehlanzeige: Er macht gar nicht erst einen Schulabschluss, wirft schon als Teenager die Brocken hin. Trotzdem: Als Sohn der Insel ist er sogar jemand, auf den 1995 ganz Jamaika stolz ist - und 2005 gleich noch einmal. Ini Kamoze teilt mit wenigen anderen jamaikanischen Bürger*innen die Ehre, in einem anderen Land Platz eins der Charts erreicht zu haben. Kamoze steppt, damals als Hip Hop-Act missverstanden und oft so einsortiert, abseits Jamaikas, auf vier Kontinenten an die Spitze: in Dänemark, Simbabwe, Neuseeland und den USA, nur Asien fehlt. In Deutschland erreicht er Rang sechs.

2005 sampelt Damian Marley die "World A Music"-Songstruktur für "Welcome To Jamrock". Von da an ist die Nummer die nächsten 15 Jahre (bis Corona kommt) eine gefühlte Nummer eins in der Szene, nämlich ein oft gesummter und oft aus den Boxen schallender Song auf Reggaefestival-Campingplätzen. Der fleißig dauertourende Anthony B tut sein Übriges und performt den Klassiker allzeit live. Chartstechnisch pusht Alicia Keys mit ihrer "Unplugged"-CD die Nummer, sie covert Damians Sample wiederum akustisch.

Zu dieser Zeit ist Kamoze im Grunde schon Geschichte. Schlitzohrig, wie er ist, findet er sich mit dem Schicksal als One-Hit-Wonder nicht ab. Er veröffentlicht eine Art Hörbuch-Best Of: Seine alten Songs, gepaart mit kurzen Skits und Überleitungen, die seine Biographie erzählen. "Debut" nennt sich der Release, obwohl sein Debüt zu dieser Zeit schon über 20 Jahre zurück liegt. "The definitive collection of reggae classics from iNi Kamoze", behauptet das Booklet frech. Doppelte Täuschung: Zur definitiven Sammlung zählt natürlich "Here Comes The Hotstepper", das fehlt aber, weil Ini, der sich selbst fortan iNi schreibt, die Lizenzen nicht besitzt.

Die anderen "classics" auf jener Scheibe verzichten auf die tatkräftige Mitwirkung von Sly & Robbie und deren Band, weil iNi nur die Rechte an den Kompositionen hat, nicht aber an den Aufnahmen und noch nicht einmal an den Songtiteln. Aus "Call The Police" wird entsprechend "Police", aus "World A Music" dann "World A Reggae (Out In The Street They Call It Murder)", aus "Taxi For Me" einfach "Taxi". Von da an kursieren noch mehr Versionen der gleichen Tracks als ohnehin schon in der chaotischen Diskographie. iNi spielt alle Stücke neu ein. Da iNi ohnehin noch ein eigenes Label hat, releast er sich selbst.

Sly & Robbie kontern 2008 mit der Veröffentlichung eines Live-Mitschnitts von 1986. Der Sänger kollaboriert als nächstes mit Busy Signal und Sizzla. Die Platte floppt haushoch. Nach einigen Jahren erneuter Funkstille entdeckt Kamoze die Streaming-Welt für sich und veröffentlicht Drum'n'Bass-Versionen seiner Uralt-Hits. Ein französischer Konzern, der auf umstrittene Weise Trinkwasser abfüllt und zu saftigen Preisen verkauft, möchte sein Image in einem Werbespot 2013 mit Hilfe des "Hotstepper"-Songs aufpolieren. Die rumänische Sängerin Feli Donose und ihre Band TM Groove sammeln 2014 bei einem TV-Auftritt mit der rumänischsprachigen Akustik-Funkrock-Fassung des Songs Sympathiepunkte.

Kamoze profitiert davon aber kaum, Tantiemen fließen lange nicht, weil die Plattenfirma Columbia aus den Verkäufen erst Abmahnungen anderer Copyright-Inhaber abstottert. Schlüsselte man alle Samples auf, die "Hotstepper" zugrunde liegen oder daraus hervorgehen, die Liste füllte 20 Seiten.

Warum es mit Ino Kamozes Karriere nie klappte, umreißt das Billboard-Magazin schon 1994 in einer News-Story: Der Hit hatte sich dank eines Films von Robert Altman durchgesetzt. Zu dieser Zeit, als der Soundtrack auf dem Label Columbia/Sony erscheint, ist der Vertrag zwischen Columbia und Kamoze bereits ausgelaufen. Andere Plattenfirmen buhlen um den Künstler: Giant (damals Warner), EastWest und Atlantic (heute Warner), Mercury (heute inaktiv), Island (heute Universal), und eben Columbia. Sieh an: Gerade die Majors wollen ausgerechnet einen Reggae-Dub-Dancehall-Künstler unter Vertrag nehmen.

Mit Columbia wird sich der Jamaikaner nie einig: Er verlange viel zu viel Geld, meint die Firma. Als EastWest den Zuschlag für "Lyrical Gangsta" erhält, rückt Columbia die Rechte am Charts-Hit nicht heraus und veröffentlicht ein eigenes Album namens "Here Comes The Hotstepper", zeitgleich mit der Konkurrenz. Darauf der Titelsong, kombiniert mit wahllos kompilierten sehr alten Aufnahmen. "Lyrical Gangsta" gerät derweil zu einem richtig schönen tanzbaren Konzeptalbum über die dunklen Seiten der Realität Kingstons, über Straßengewalt, Rassismus, Schuldzuweisungen und Waffen, und pflegt dabei eine ironische Distanz. Die Höhepunkte markieren "Listen Me Tic" und "Ballistic Affair".

Obwohl das Album sogar in Polen und Indien als Kassette auf den Markt kommt, bleibt es eher ein Geheimtipp für Connaisseure anspruchsvoller Dancehall-Musik. Ein schöner Klassiker, längst überrannt von den drei großen B, Beenie, Buju und Bounty. "Wir lieben immer Musik. Aber mehr Zeit verbringen wir mit Business-Fragen", konstatiert der glücklose Nummer-eins-Star 2005 im Booklet zu "Debut".

iNi Kamoze gewinnt später mehr und mehr Freude an Drum'n'Bass und kloppt weitere Tapes unter seinem Namen heraus. Auf den Trend der Electronic Dance Music springt er auf und veröffentlicht "EDM". Viele Jahre nach dem Tod von Philip "Fattis" Burrell kommt ihm wieder einmal der Einfall 'aus alt mach neu'. Er singt Aufnahmen aus den '90ern neu ein, die damals mit Fattis entstanden waren. Immerhin, die zugehörigen Original-Aufnahmen schlummerten ein Vierteljahrhundert lang unbemerkt.

Dass "Tramplin' Down Babylon" trotz exzellenter Aufnahmen wenig Resonanz erzielt, kann einen anderen Aspekt nicht kleinreden: Das Protoje-Camp setzt gleich mehrmals auf Kamoze. So wird aus "England Be Nice" "Kingston Be Wise". Protojes Kumpel Philip "Winta" James legt den auf einem anderen Kamoze-Stück beruhenden "Rootsman Riddim" verschiedenen Größen des Roots Revivals vor, es handelt sich um "Wings With Me" von der '84er-Debüt-EP. Chronixx performt darauf "Here Comes Trouble", eines seiner bekanntesten Lieder. Jah9 singt darauf "Reference", Jesse Royal seinen Klassiker "Modern Day Judas", den Walshy Fire remixt. Chronixx führt live gerne "Hail Mi Idrin" von Kamozes Debüt-EP auf.

So bleibt iNi Kamoze aktuell und weit mehr als eine musikalische Eintagsfliege. Etliche Studioalben bei fünf verschiedenen Labels, gleich mehrere Best-Ofs, eine Live-CD, Remix-Mixtapes, eine gute Handvoll Hits und einen globalen Bekanntheitsgrad von Australien bis ins südliche Afrika - doch seine Person kennen Jahrzehnte nach seinem Zenit in Musik und Medien noch immer nur wenige.

Alben

Surftipps

  • iNi Kamoze

    Offizielle Website seines Labels 9 Sound Clik.

    http://www.inikamoze.com/
  • iNi Kamoze bei Facebook

    Netzwerk.

    https://www.facebook.com/people/iNi-Kamoze/100063590562450/

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