laut.de-Kritik
Inhaltliche Tiefe auf Knöchelniveau.
Review von Dominik LippeSpaß muss sein. Angesichts der politischen Großwetterlage sollte jeder gelegentlich die Chance nutzen, seinen geschundenen Geist zu schonen, indem er sich mit Blödsinn beschäftigt. Dazu liefert etwa die aktuelle Staffel des Dschungelcamps Gelegenheit oder Yanniks YouTube-Clinch mit KuchenTV. Isi Glück ist auf Nonsens abonniert. Seit 2017 amüsiert die frühere Miss Germany das volltrunkene Publikum mit infantilem, etwas verklemmtem Party-Schlager à la "Der Kleine Haifisch" oder "Ein Kleines Bisschen Küssen". Ihr Debütalbum "Alles Isi" schlägt nun überraschenderweise eine andere Richtung ein.
Ikke Hüftgold und Dominik de León setzen für "Malle Ist Bei Mir Das Ganze Jahr" auf elegische Streicher, zu denen auch Olexesh Kampfsport betreiben könnte. Dazu rappt Isi Glück wie ein Azubi Schwesta Ewas. "Wo wir sind, ist oben. Fick deine Mutter!", lässt sie die irritierte Hörerschaft wissen. Ungelenk hangelt sie sich von "OG" bis "Chaya" durch den fremden Jargon, bevor jemand als "hässlicher Bastard" geschmäht wird. Anstelle der inklusiven Malle-Sause rückt die Konfrontation. Der Refrain dieses wirren Einstiegs verströmt dann auch eher Bedauern. Da hilft selbst der Rednex'sche Party-Teil nichts mehr.
Eben posiert sie noch mit Street-Attitüde, schon preist sie mit stolzgeschwellter Brust ihre "Dorf DNA". Isi Glück vermeidet es dabei, die bekannten Klischees des Landlebens aufzulösen, sondern potenziert und verklärt das Elend auch noch stolz. Warum sie dort "das beste Leben" führe? In der Ortschaft stinke es nach Gülle und auf dem Bolzplatz lasse sich prima Vorglühen. "Mallekind" wiederum schwenkt zur Hochkultur, indem es sich schamlos an "La Donna È Mobile" aus Giuseppe Verdis "Rigoletto" bedient. Natürlich schrumpft das Stück zur reinen Besäufnis-Begleitung zusammen.
Abseits der Opern-Referenz driftet "Mallekind" in einen weiteren halbgaren Rap-Part sowie einen Döp-Döp-Döp-Refrain ab. Isi Glück wiederholt auf ihrem Debüt immer wieder diesen Chorus, dem es wohl selbst Scooter an Feingeistigkeit fehlen würde. Im Titelsong döppt sie fröhlich vor sich hin, während sie zugleich versucht, am Dance-Pop von Madonnas "Holiday" und einer trotzigen 'I don't care'-Haltung anzuknüpfen. Einen Nerv-Bonuspunkt erhält "Alles Isi" für das blökende Publikum am Ende jedes Vers. Und was passt am besten zu "Halt Ma' Mein Bier"? Genau: "Dö-dö-dö, döp, döp, döp-döp-dö-dö."
Schon bei inhaltlicher Tiefe auf Knöchelniveau reißt die Schlager-Strömung Isi Glück in tiefste Abgründe. "Es ist nur Malle, wenn sie mich nach Hause tragen", feiert sie auf den "Mallearen" die zu verschwinden drohende Kunst des Komasaufens. "Atlas" idealisiert das Rauschtrinken ebenso und überhöht die Ignoranz gegenüber der Welt zur obersten Tugend. Und "Chill Ma Wilma" skizziert eine Frau, die sich hohe Ziele im Leben setzt. Auf einige mögen diese albern wirken, aber wie ihre vermeintlichen Freunde sie dafür abkanzlen, ist fatal. "Du hast alles, was du brauchst. Jetzt hör doch endlich auf!"
So folgt Wahnsinn auf Wahnsinn. Mal verballhornt Isi Glück den Reggae-Pop von Inner Circle ("Luftballon"), mal widersetzt sie sich pseudorebellisch mit Stefan Raabs Reality-Philosophen Calvin Kleinen dem Trinkverbot ("Heimlich Am Strand"). Einzig der stumpfe Atzen-Sound mit Gaga-Text von "Knicklicht" und das alkoholisierte Anbandeln von "Frosch" gehen so gerade eben noch als erträglich durch. "Alles Isi" unterbietet die jüngsten Schlager-Unternehmungen von Thomas Anderes, Florian Silbereisen und Melissa Naschenweng noch einmal deutlich. Wer es nicht gehört hat, würde es nicht glauben.
4 Kommentare mit 4 Antworten
Schade, wirklich schade. "Inhaltliche Tiefe auf Knöchelniveau" - das Gegenteil ist der Fall. Erstens: "Es ist nur Malle, wenn sie mich nachhause tragen!", ist als Kernaussage selbstverständlich starker Eskapismus in schwierigen Zeiten, zudem ein Loblied auf das helfende Miteinander. Dies steht im Kontext zu einer steigenden Anzahl an Pflegebedürftigen in einer älter werdenden Gesellschaft mit Tendenz zur Vereinsamung. Platt ausgedrückt: hier wird sich noch gekümmert! Zweitens: Im Video zum Party- und Polit-Kracher "Mallearen" erscheint bei Minute 1:27 ein schwarzafrikanischer Brillenverkäufer, mit dem die Künstlerin später abklatscht: wie kann dieser Hinweis auf die prekäre Erwerbssituation des vermutlich Geflüchteten mit gleichzeitiger Solidarisierung der Künstlerin mit ihm übersehen werden? Drittens: erneut im Übersong "Mallearen", die Schöpfung des Wortes "Alkoholkonsumgerät" als Beschreibung der Ich-Person der Künstlerin. Das ist Ego-, Kapitalismus- und Konsumkritik in Einem, der Blick von außen auf das eigen Maschinenhafte, Computerhafte im begonnen KI-Zeitalter. Moderner geht es kaum. Viertes: der Bumsbeat dazu zeigt natürlich eindrücklich die Begrenztheit der Maschine im Vergleich zum Menschen, weist möglicherweise auf die offene Frage nach der Kreativität von Code-Konstrukten hin. Fünftens: 5/5.
"Es ist nur Malle, wenn sie mich nachhause tragen!"
Ich glaube, es geht hierbei eher darum, dass man das Glück in sich selbst findet. Das Haus steht für die Identität des erzählenden Subjektes, das weg getragen wird. Sicher, helfende Hände sind dabei: diese aber nur von kurzer Dauer. Es ist eine Schein-Erkenntnis, dass andere für das Wohl und Glück des Individuums erforderlich sind. Hier wird geschickt mit einer Zwischenstation des menschlichen Zusammenseins gespielt, um selbiges erneut zu dekonstruieren und zwar durch ein Haus, welches sehr schwer wieder rückzubauen ist - die logischen Zusammenhänge der Allegorien sind offensichtlich. Lass uns das schematisch darstellen zur Vereinfachung:
A [Zustand der Identitätskrise] ----> B [Zeitliche Erscheinung der Zwischenmenschlichkeit] -----> A1 [Festigung der Identität unter Berücksichtigung der Selbstkonzentration]
Wie du siehst, ist Einsamkeit hier völlig irrelevant. Kann sowohl dienlich, als auch hinderlich sein. Alleinsein hingegen ist elementar wichtig. A1 ist eng an A gekoppelt, im Prinzip eine Spiegelung.
Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen.
... das unbestimmte "sie" verdeutlicht zudem nochmal die Leichtbespielbarkeit der Autorität, indem Menschen ohne eine Idee in Frage zu stellen, dieser folgen. Warum kann das Kollektiv keine Identität erfahren? Wer trägt wie genau das Individuum? Ist die Rechtsstaatlichkeit letztendlich reine Fiktion, die von Sprechakten Einzelner abhängig ist? Ich finde, Zusammenkünfte bieten eine Menge tragbares Material, um die Strukturellen Mechanismen der Vergeistigung in Form von kontextualisierten Abbildungen zu entlarven. Wir sind. Wir ist.
Das Album welches Andrea Berg immer
machen wollte (die auch versoffen genug dafür aussieht).
Hier fehlt mir jedoch die Authentizität.
Schade 1/5
Unkoitirbar.
das muss dir aber ganz schön auf'n sack gehen, dass künstlerin xy nicht den anstand besitzt, sich für deine wichsphantasie in schale zu werfen.
Lieber eggersn, vor 8 Monaten schriebst du in einem Post, Seeed sei „unfickbar“, vor 5 Monaten fragtest du bei Die Schlagerpiloten, ob das nicht die seien, die „unfickbar“ sind, jetzt ist jemand/etwas „unkoitirbar“ (sic). Alles gut? Frage für einen sexualinteressierten Freund.
Das Cover kommt mir irgendwie vertraut vor.