laut.de-Kritik
Reue klingt anders.
Review von Dominik LippeEin fröhlich ausgerufenes "Nochmal!"? Manche dürfte das gleich an die Puppen-Sitcom "Die Dinos" erinnern, in der Baby Sinclair es stets ausgerufen hat. Der Nachwuchs zeigte sich vor allem dann besonders amüsiert, wenn er seinem Vater Earl eine Bratpfanne ins Gesicht gepfeffert hat. Thomas Anders und Florian Silbereisen haben sich offenkundig ein Vorbild an diesem sadistischen Spaß genommen. Als hätten die Stampf-Songs ihres ersten Werks "Das Album" nicht ausgereicht, folgen nun auf dieses wahnwitzige Overstatement noch mal 19 Lieder und zehn "Party-Versionen ihrer größten Hits".
"Wir Tun Es Nochmal" knüpft nahtlos an den Schlager von der Stange an. "Hey, wie hab' ich das vermisst, hier mit dir gemeinsam abzugehen", geiert Anders berufsjugendlich zur Freude seines gespielt raubeinigen Kollegen: "Mann, ich sag' dir, wie es ist. Wir haben hier ein riesen Ding zu drehen." Folgt jetzt eine Art "Der Clou 2" mit Silbereisen als Robert Redford und seinem Partner in Crime als Paul Newman? Oder ist die Zielgruppe für diese Anspielung bereits zu alt? Egal, Oh-oh-oh-Chorus angeworfen, Pyrotechnik in Stellung gebracht und dann gib ihm: "Wir wollen alles und noch mehr!"
Die beiden Schlagerbarden halten zusammen wie Pech und Schwefel. "Was haben wir alles erlebt und wir sind immer noch am Start", frohlockt Silbereisen in "Herzen Tanzen Tango". Eigentlich schade, dass er es vermeidet, das Publikum an seinen Erlebnissen teilhaben zu lassen. Ihr Maximum an Nervenkitzel erreichen die Sänger allerdings auch schon, wenn sie den "Nachtzug Nach Venedig" besteigen. "Ich fühl' mich wie Kolumbus", singt der tollkühne Entdecker Anders auf dem Weg in das exotische, noch kaum erschlossene Reiseziel Italien. "Auf verrückte Sachen steh' ich - und mit dir sowieso!"
Wie schwer sie sich tun, Geschichten zu erzählen, zeigt sich an "Schon OK" oder "Der Mann Mit Der Gitarre", zwei Storyteller, die nirgendwo hinführen. Leichter fällt ihnen die 80's-Mottoparty "Neonfarbenwelt", die das angeblich "pure Glück" der 1980er hochleben lässt. Dazu bedienen sie sich am preisgünstigen Konzept von Maite Kellys "Hello!", den Text aus Referenzen zusammenzubasteln. So spielen sie auf Falco und Opus, Kim Wilde und The Bangles, Survivor und Bruce & Bongo an. Nur stilistisch halten sie weiten Abstand zum Jahrzehnt. Zumindest ein Saxofon hätte doch drin sein müssen.
Doch das Fahrgeschäft dreht unaufhörlich sein Kreise, als böte Christian Geller sein Geklimper im Dutzend billiger an. Anders und Silbereisen fühlen sich darauf jedenfalls pudelwohl. "Schau' in' Spiegel - so seh'n Sieger aus", wie es in "Wer Wagt Gewinnt!" heißt. Das stimmt natürlich für denjenigen, der sich der reflektierenden Fläche bevorzugt mit eingerolltem Hundert-Euro-Schein nähert. "Wir können nicht verlieren. Das ist unsere Art", stellen sie im Rausch "Alles Auf Anfang" fest, bevor sie am Ende in "Heute Nacht" wieder ins Zwiegespräch einsteigen: "Mit dir, nur mit dir, oh mit dir wäre das die perfekte Nacht."
Kaum zu glauben, dass nach "Heute Nacht" auf einer zweiten Disk noch zwei Handvoll Remix-Versionen folgen. Dabei sind spätestens zur Hälfte des Albums bereits alle Songs zu einem ungenießbaren, kaum unterscheidbaren Brei zerflossen. Als zwei erfahrene Genre-Vertreter, ja, abgewichste Profis, dürften sie wohl auch über die finanziellen Mittel verfügen, auf ideenreiche Produzenten zurückzugreifen, die zu mehr imstande sind als Kirmes-Klimpern. Stattdessen ziehen sie bockig ihren Stiefel durch. "Wir tun es nochmal und würden's immer wieder, wieder tun!" Reue klingt anders.
5 Kommentare mit 4 Antworten
Na dann, es wird also endgültig Zeit die Sneakersocken wegzuschmeißen.
War schön mit euch, und danke, dass meine Beine am Ende des Tages für ein paar Jahre weniger gejuckt haben.
Gen Z haben sie noch ausgehalten, aber nun ist es alternativlos geworden.
Man sitzt nicht Schuhen am Sessel. Deshalb 0/5. Sonst: 0/5.
Wenn man wie Flori beim Sakko die Ärmel endlässig ein bisschen hochschiebt (ca. Hälfte Unterarm), dann kann man auch ausnahmsweise untenrum ohne gehen. Und beim Thomas läuft eh alles ein wenig anders. Einfach junggebliebene Styler, ihr Neider.
Die haben doch Weidners Textewürfel für die Strophen geklaut!
Vielleicht ist Thomas Anders doch gar nicht so gut wie wir immer dachten.
Dieter Bohlen war schon immer der heimliche Star von Modern Talking
Die 98er Version von You're My Heart, You're my Soul ist absolut fancy, also die ohne Singleton. Fand das schon als Kind stark, was der da per Selbst-Cover aus dem Hut gezaubert hat. Habe mich bis heute geschämt es öffentlich zuzugeben. Ab und zu höre ich es noch.
Was einiges erklärt.....