8. Februar 2018

"Dass die Platte so hart geworden ist, war ein Versehen"

Interview geführt von

Deutschlands führender Post Rock-Express rollt wieder zu viert. Gastsänger finden sich zwar seit den Anfangstagen im Repertoire der Münsteraner wieder. Auf den letzten beiden Alben schien der Kompromiss zwischen Vocals und Instrumental in die erste Richtung abzudriften. Trotz hoher Chartplatzierungen mehrten sich die Stimmen, wieder verstärkt auf der Instrumental-Schiene zu fahren. Nach der Wiederauflage des Debüts und der dazugehörigen Tour 2017, schloss die Band sich im Proberaum ein und entfachte das Feuer der Vierer-Konstellation neu.

Das Resultat "Boundless" wagt den Blick in die Vergangenheit zurück, ohne den Fehler zu machen, die bandeigenen Trademark allzu sehr zu strapazieren. Vielmehr verschließt sich das Quartett nicht vor unterschiedlichen Einflüssen und wagt einen Blick über den Tellerrand. Ein gut aufgelegter Jan Hoffmann, seines Zeichens Bassist von Long Distance Calling, verleiht seiner Begeisterung Ausdruck und plaudert in unserem Telefongespräch von Beginn an munter drauflos.

Schön, dass du dich meldest, Jan. Ich hab mir heute nochmal die Platte angehört und muss sagen, dass Teil ist richtig gut geworden.

Wo sitzt du denn? Ist das Kaiserslautern oder die Ecke?

In Mainz.

Mainz? Ich hätte dich jetzt ein bisschen weiter nach Rheinland Pfalz rein verortet vom Dialekt her.

Ich komme gebürtig tatsächlich aus dem Saarland, Grenzbereich zu Rheinland Pfalz. Da bist du gar nicht mal so weit von entfernt.

Ich versteht mich gut darauf, Dialekte zu erkennen (lacht).

Ist es denn übertrieben bei "Boundless" von einem Befreiungsschlag zu sprechen?

Das klingt zunächst mal nach viel, aber im Prinzip ist es ziemlich genau das. Wer sich ein wenig mit unserer Bandgeschichte beschäftigt hat, weiß, dass wir zunächst drei hauptsächlich Instrumentalalben gemacht haben und es jeweils nur einen Song mit einem Gastsänger darauf gab. Irgendwann kamen wir an einem Punkt, wo wir dachten, dass wir auf der Stelle treten. Und wir sind keine Band, die gerne auf der Stelle tritt. Als wir an dem Punkt waren, dass die Instrumentalschiene für uns ausgereizt war, wollten wir was mit Gesang machen.

Darauf folgten zwei Platten, die zur Hälfte Gesang enthielten. Daraufhin haben wir gemerkt, dass das Ganze vom Entstehungsprozess bis zur Rezeption viel schwieriger war, als wir uns das vorgestellt haben. Die Platten zu schreiben, war sehr anstrengend und sehr ungewohnt für uns. Ein paar Leute fanden das dann auch nicht so toll. Andere fanden es dann wiederum gut. Man merkt, dass man es den Leuten sowieso nicht recht machen kann, das ist total unmöglich.

Na ja, in jedem Fall war es mit den letzten beiden Platten anstrengender und schwieriger, als wir das früher gewohnt waren. Von daher war dieser Umweg jetzt auch nötig, um wieder an den Punkt zu kommen und zu sagen, wir machen jetzt einfach wieder zu viert ne Platte, komplett instrumental, ohne jegliche externe Faktoren. Das war eigentlich der Plan. Lustigerweise hat sich keine Platte so entspannt geschrieben wie "Boundless". Alles lief easy ab und das hat uns bestärkt in der Marschroute.

Es gab ja tatsächlich zu "Trips" nicht nur positive Kritiken. Wie seid ihr denn damit umgegangen? Habt ihr das zur Kenntnis genommen oder gar zu Herzen?

Man versucht natürlich immer, sich das nicht zu Herzen gehen zu lassen. Natürlich liest man sich die Sachen dann durch. Die Presse war ja insgesamt trotzdem sehr gut. Ich glaube, bei der Platte "The Flood Inside" muss man Abstriche machen, aber die "Trips" ist nach wie vor ein gutes Album. Es war nur zu wenig von dem darauf zu hören, was uns als Band ausmacht, vielleicht ein bisschen weit draußen. Natürlich nimmt man das wahr und findet das auch nicht schön. Aber letztendlich macht man das alles für sich selbst und das ist zunächst das Wichtigste.

Das Gefühl, das man selbst hat mit einem Album, das ist eigentlich das Entscheidende. Als wir die Songs als Demo hatten von der "Boundless", da wussten wir direkt, dass wir damit total zufrieden sind. Normalerweise ärgert man sich nach dem Studio immer und würde gerne dies und das noch ändern. Das ist diesmal fast überhaupt nicht so. Das ist das Höchstmaß, zudem wir aktuell in der Lage sind, sowohl spielerisch als auch kompositorisch, und das Erstaunliche daran ist, dass das alles ziemlich schnell ging. Innerhalb von vier, fünf Monaten haben wir die komplette Platte geschrieben.

"Trips" datiert auf Ende April 2016, jetzt haben wir Anfang Februar 2018. Das ist in der heutigen Zeit, was Veröffentlichungen angeht, keine Selbstverständlichkeit. Dazu kommt, dass ihr 2017 euer Debüt zum zehnjährigen Jubiläum neu aufgelegt habt und damit auf Tour gegangen seid. Wobei das sicherlich auch seinen Teil dazu beigetragen hat, euch in der Vierer-Konstellation wieder zusammenzuschweißen.

Das hat sich alles relativ schnell entwickelt, dass wir gesagt haben, ja das ist es jetzt. Wir müssen keinen Platz lassen in den Songs, um auf irgendwas zu warten, was da vielleicht noch reinkommt. Vergleichbar mit den ersten drei Platten lief alles relativ schnell und sehr konkret ab. Es gibt Songs, die sehr, sehr schnell entstanden sind. Außer dem Sound und dem Arrangement hat sich fast nichts mehr geändert.

Das finde ich faszinierend. Mir persönlich lief die "Trips" sehr gut rein. Sie war halt Collagen-artiger, sie war catchy und griffig. Sie hat ja durchaus ihre hörbaren Momente gehabt. "Boundless" wirkt halt wesentlich mehr aus einem Guss und trotzdem detailverliebt und trotzdem sehr komplex, weswegen mich die Aussage etwas überrascht, dass ihre manche Arrangements aus dem Ärmel geschüttelt habt. Da passiert ja durchaus einiges.

Wir achten halt extrem auf Details. Wenn du keine Stimme hast oder keine Stimme mehr hast, dann sind diese instrumentalen Details natürlich umso wichtiger und das entsteht in der Tat bei uns meistens relativ spontan. Ein paar Sachen werden dann am Ende noch ein wenig ausgearbeitet im Studio, aber im Prinzip achten wir bei Instrumentalsongs darauf, dass die zu einem frühen Zeitpunkt ziemlich final sind. Es ändern sich dann vielleicht noch Längen. Aber wenn eine Melodie nicht stark genug ist, dann muss die weg und durch ne neue ersetzt werden. Oder man schreibt halt so lange bis es soweit ist und das ist bei uns eigentlich immer das wichtigste. Wir starten meistens mit einer starken Melodie oder einer Atmosphäre. Damit fängt alles an.

"Auf Terra Incognita hatten wir da diesmal keinen Bock!"

Es gab nicht unbedingt den Punkt, an dem ihr entschieden habt, zurück zum basischen zu gehen, sondern es war eher ein Prozess.

Es war halt auch so ein Wohlfühlen in dieser Konstellation. Dass das auch am besten ist. Das einzusehen und sich einzugestehen, dass man auch einfach wieder einen Schritt zurück gehen kann. Was ich zudem spannend finde an der Platte ist, dass wir in Anführungsstrichen vier Jahre Pause hatten mit dieser Art von Songwriting. Ich finde man merkt jetzt aber deutlich den Unterschied zu den ersten drei Instrumentalplatten, weil wir, was das Songwriting angeht, besser geworden sind. Daran haben die letzten beiden Alben mit Gesang sicherlich ihren Anteil. Das war alles ein wenig mehr kompakt und auf den Punkt und trotzdem sehr eingängig. Dahinter stehen wir nach wie vor und das ist auch gut so.

Du sprichst davon, dass es zurück zu den Wurzeln geht. Wie definiert ihr denn eure Wurzeln und ist diese Wucht und Direktheit, die dann mit dem Metal-Riffing auftritt, euer Ausdruck Back To The Roots zu gehen oder schwingt da mitunter auch Verdrossenheit über die aktuellen gesellschaftspolitischen Missstände mit?

So ein bisschen schwingt das sicherlich unterbewusst mit. Aber dass die Platte jetzt so hart geworden ist, war ein Versehen. Das war überhaupt nicht geplant. Das hat sich relativ schnell herauskristallisiert und wir haben dann nur gedacht, ja warum nicht? Wir haben trotzdem drauf geachtet, dass es ein paar Ruhepole und ruhige Momente gibt. Zusammenspielen, Spielfreude, die Live-Atmosphäre heraufbeschwören, das war uns wichtig. Auch wenn die Gesamtsituation auf der Welt sicherlich auch eine Rolle spielt.

Ich hab gelesen, dass ihr euch für "Trips" in verschiedene Orte zurückgezogen habt, bspw. auf ne Berghütte. Ist "Boundless" komplett im Proberaum entstanden oder habt ihr einen vergleichbaren Arbeitsprozess gewählt?

Ziemlich genau vor einem Jahr fiel der Startschuss, Anfang, Mitte Januar. Da waren wir einmal in einem Haus im Dreiländereck Hessen, NRW, Rheinland Pfalz, irgendwo im Westerwald. Das haben wir einmal gemacht und uns danach dazu entschlossen, den Proberaum schön herzurichten. Wir haben Geld in die Hand genommen und den Proberaum richtig gemütlich gemacht. Das war vorher so ne Art Rumpelkammer. Von Februar bis Juni oder Juli haben wir dort viel Zeit verbracht. Die Idee war einfach, vieles wieder so zu machen wie am Anfang und das Gefühl ein bisschen zu reproduzieren.

Wir haben mittlerweile alle Familie und zum Teil Kinder. Die letzten Platten musste man entsprechend immer so nebenbei schreiben. Diesmal haben wir gesagt. Diese fünf, sechs Monate, die nehmen wir uns jetzt und stellen alles andere ein wenig zurück und konzentrieren uns halt wirklich auf dieses Album. Ich glaub, dass man das auch richtig merkt. Das war dann sehr komprimiert und fokussiert, was für den Kopf aber auch ganz schön war, weil man wusste, in nem halben Jahr hat man eine fertige Platte oder halt eine zumindest fertig geschriebene Platte. Die "Trips" hat fast zweieinhalb Jahre gedauert vom ersten Ton an bis zur Veröffentlichung und das war wirklich anstrengend, weil wir damals mit extrem vielen Parts und Stückwerk ins Studio sind. Bei der neuen Platte hingegen waren 80-85% fertig. Das wollten wir auch so. Auf Terra Incognita hatten wir da diesmal keinen Bock (lacht).

Das glaub ich. Die neue Platte wurde ja auch wieder von Vincent Sorg (u.a. Die Toten Hosen, In Extremo) produziert.

Genau.

Vincent Sorg hat euch ja für die "Trips" einen sehr modernen Sound verpasst bzw. es war wohl auch in eurem Interesse. Dagegen hat "Boundless" – davon abgesehen dass man euch nach wie vor als Band heraushört, die die Musik schreibt und spielt – einen wesentlich stärkeren Flow, wozu neben den direkten und harten Parts auch die sphärischen Sounds und atmosphärischen Parts beitragen. Aber euch war von Anfang an klar, dass ihr wieder dem gleichen Produzenten arbeiten wollt.

Wir waren einfach total zufrieden mit dem Sound und der Art, mit Vincent zu arbeiten. Es stand für uns und für ihn nach der letzten Platte schon fest, dass wir in jedem Fall wieder etwas zusammen machen wollen. Für ihn ist es auch mal ganz cool, was anderes zu machen. Er arbeitet ja sonst eher mit Bands aus anderen Genres. Für ihn ist es, denk ich, recht spannend etwas zu machen, was in unsere Richtung geht. Wir waren mit dem Sound auf der "Trips" extrem zufrieden. Wir haben sogar einen Preis dafür bekommen von der Deutschen Phono-Akademie für die beste Produktion was den Rock/Metal-Bereich angeht. Das ist natürlich schon cool. Vincent ist ein sehr witziger, angenehmer Zeitgenosse. Da stand das für uns relativ schnell fest. Das Schwierige an der Platte war – deshalb ist es schön, dass du das sagst, das hören wir jetzt auch öfter in den letzten Tagen – das alles fließt. Die richtige Reihenfolge zu finden, war vermutlich fast das Schwierigste.

Ich find die Platte hat nen starken Spannungsbogen.

Die perfekte Reihenfolge sozusagen. Ist immer total schwierig. Es gibt halt total viele Optionen.

Gerade die sphärischen Sounds und Parts, die im Mittelteil auftauchen, The Far Side bspw., das sind ja auch Songtitel, die wie die berühmte Faust aufs Auge passen. Sind die Songtitel von Anfang an mit im Spiel oder entwickelt sich das erst später?

Wir haben ein Gefühl. Dann kriegen die Songs einen total bescheuerten Arbeitstitel, das ist absolut jedesmal so (lacht). Danach bin ich meistens derjenige, der die undankbare Aufgabe hat, den finalen Songtitel zu finden. Also es geschieht immer sehr basisdemokratisch, aber das ist in der Tat super wichtig. Ich hab erst gestern wieder darüber nachgedacht.Gerade in instrumentaler Musik sind Songtitel extrem wichtig. Ohne Texte nehmen die Songtitel eine besondere Position ein und da sollte man sich auch viel Mühe mit geben. Reihenfolge, Songtitel und Albumtitel waren in der Tat das Schwierigste an der ganzen Platte. Die Musik war diesmal echt sehr easy, aber das ganze drum herum, der Überbau, war diesmal ein wenig anspruchsvoller.

"Es ist ein Trugschluss, dass sechzehn Gitarrenspuren fett klingen."

Die Mühe hört man auch, ohne dass es angestrengt klingt. Die Mühe sieht man auch, wenn man sich die Plattenfirmeninfo durchliest. Dass ihr Leute seid, die auch gern mal einen Workout hinlegen, hat man nicht zuletzt im Getaway-Video gesehen. Aber jetzt musste sozusagen noch die Besteigung eines Berges her. Wie seid ihr denn auf diese Idee gekommen?

Es war uns diesmal wichtig, dass alles wie aus einem Guss wirkt und alles miteinander zusammenhängt. Zunächst stand der Albumtitel. Dann haben wir überlegt, wie kann sowas aussehen. So sind wir schnell auf die weite Aussicht gekommen. Danach haben wir gesagt ja komm pass auf wir fahren in die Dolomiten und machen das Artwork, die Fotos und das Video. Alles in einem Abwasch. Nach dem Wochenende als wir auf dem Summer Breeze gespielt haben, sind wir fünf Tage nach Norditalien gefahren und haben das alles über die Bühne gebracht. Das war halt alles aus einem Guss und für uns in einer relativ kurzen Zeit fertig und insgesamt diesmal sehr entspannt.

Manchmal greift ein Rädchen ins andere.

Diesmal hat es gepasst und die Reaktionen sind bislang recht erfreulich. Es ist schon erstaunlich, dass gerade die Platte, über die man sich bislang den wenigsten Kopf gemacht hat, die ist, die sehr gut ankommt. Das ist vielleicht mal ein Zukunftsrezept, weil wir schon dazu neigen, zu viel nachzudenken und uns da halt auch selber auf den Füßen stehen. Manchmal ist so eine gewisse Leichtigkeit vorhanden und das trifft auf die Platte zu, vom Sound und von der Schwere und Härte mal abgesehen. Aber das ganze drum herum, die Entstehung war schon von einer großen Leichtigkeit geprägt.

Ich bin gespannt auf die Tour, darauf die Songs live zu spielen. Da müssen wir jetzt auch viel proben in den nächsten Tagen. Es ist halt auch die in unserem Fall spielerisch schwierigste Platte. Das muss man auch sagen. Da sind so ein paar Stellen dabei, da muss man echt üben. . . Macht ja nix.

Stichwort Live. Bringt ihr die Platte demnächst auch nur zu Viert auf Tour? Ohne Sänger, ohne Sounddesigner.

Nur wir vier.

Wobei der ein oder andere Part wohl vom Band kommt.

Aber das hatten wir ja schon immer. Ganz am Anfang hatten wir noch einen Elektro-Menschen in der Band, der aber im Prinzip auch nur auf An und Aus gedrückt hat. Aber wir haben jetzt umgestellt auf ein Roland-Pad, das heißt, dass dann der Schlagzeuger relativ viel live abfeuern kann. Er belegt das Pad mit Sounds, also er spielt die Sachen quasi trotzdem. Das ist dann so ne Mischung aus live und vom Band und schon nicht mehr so starr und nicht mehr immer an den Click gebunden. Uns war wichtig, ein bisschen mehr Freiheit zu haben. Das resultiert auch mehr aus einem Unfall. Wir haben letztes Jahr ein Festival in der Schweiz gespielt, da ist uns der Computer abgeraucht und wir hatten keinen einzigen Song mit einem Click. Das hat so Bock gemacht (lacht). Das hatte auch einen Einfluss auf die Konzeption. Wir können einfach freier auftreten. Durch den Click ist man schon ziemlich eingeschränkt. Stichwort Spontaneität.

Diese Spontaneität bzw. die Vierer-Besetzung kommt auf der Platte ziemlich gut rüber. Man kann die Gitarren gut lokalisieren. Der Bass ist sehr direkt, in der Mitte platziert, wie ihr am Ende auch auf der Bühne agiert. Das war sicherlich kein Zufall.

Nee das stimmt schon, dieses links-rechts Ding. Es gibt auch so gut wie keine gedoppelten Stellen. Eine Gitarre ist links, die andere rechts platziert, fertig. Das war uns wichtig und nicht sechzehn Gitarrenspuren übereinander zu schichten. Dadurch klingt es auch fetter. Es ist nämlich ein Trugschluss, dass sechzehn Gitarrenspuren fett klingen. Das ist Quatsch. Je weniger Instrumente, desto mehr Raum, desto größer klingt es einfach. Unsere einzige Vorgabe bestand darin, dass die Platte sehr sehr groß klingen soll. Das war uns wichtig. Viel Raum und sehr mächtig, ohne metal-mäßig tot komprimiert zu sein.

Gerade der Drum-Beginn beim Opener klingt schon richtig cool und zieht einen in die Platte rein. Du sprichst diese Weite an. Da schwingen ja durchaus cineastische Momente mit. Da ist mir doch direkt "Like A River" ins Gesicht gesprungen, weil da ein Western-Part drin ist. Wie habt ihr euch denn da hinreißen lassen?

Och, das entstand auch ganz spontan Im Proberaum, ziemlich zum Schluss. Wir haben uns gedacht, wir brauchen auf jeden Fall aufgrund der doch großen Härte einen Ruhepol. Da haben wir einfach angefangen zu jammen. Es dürfte ein Sonntag Morgen gewesen sein, wenn ich mich nicht irre. Flo (Florian Füntmann, Gitarre) hat irgendwann angefangen mit einem Western-Lick. Wir sind drauf eingestiegen und hatten den Grundsong ziemlich schnell nahezu fertig und haben den dann noch ein bisschen ausgearbeitet. Aber die Grundidee war in einer Stunde fertig. Und das ist bei uns eh so ne Sache. Es gibt Songs die brauchen sechs Monate und andere einen Nachmittag und dann sind die eigentlich schon fertig. Die spontansten Sachen sind oftmals die besten. Meiner Meinung nach sind die stärksten Songs die, die unter Zeitdruck entstehen. Bei denen man denkt, man hat nur noch einen Monat Zeit. Ganz am Schluss ist bspw. "Out There" entstanden, der Opener, und der letzte Song, der sehr hart daherkommt (überlegt) "Skydivers". Ich tu mich noch ein wenig schwer mit den finalen Titeln. Ich hab immer noch die Arbeitstitel lange im Kopf.

Kannst du da mal was sagen oder bleibt das bandintern?

Nee ich überleg grade. "The Far Side" hieß lustigerweise "The Dark Side", weil wir alle große Star Wars-Fans sind. Das ist eigentlich bei jeder Platte so. Wir haben eigentlich immer Arbeitstitel bis ganz zum Schluss.

Mich flasht ja der Detailreichtum. Das sind dann manchmal einfach so Kleinigkeiten, wie bspw. in "The Far Side", wo dann gegen Ende so bei vier Minuten, perkussive Schläge eingebaut sind. Wenn man das über den Kopfhörer hört, reißt es einen vom Hocker. Ich bin zwei oder dreimal aufgesprungen, weil ich mir gedacht hab, scheiße, wer klopft denn jetzt an die Tür.

Das ist eigentlich auch noch ein gutes Stichwort. Das viele Songs so einen Soundtrack-Touch haben, das ist halt noch wichtig. Vincent ist dafür absolut der Richtige, weil er ein richtiges Spielkind ist was Sounds angeht. Das war uns halt wichtig, dass die Platte so einen Soundtrack-Charakter hat. In dem Fall sind das so richtige Paukenschläge.

Ich sag jetzt mal Tusch-Schluss, wie man ihn aus mächtigen Werken aus der Klassik kennt. Das ist ja auch cool gemacht.

Genau, das gehört dazu und auch ein paar Bläser. Aber ich finde, dass wir es geschafft haben, dass es nicht zu cheesy ist. Darin liegt halt immer die Gefahr bei Bläsern und so weiter. Hört man glaub ich auch bei "The Far Side" am Schluss, wenn du genau hinhörst mit Kopfhörern, fangen so Fanfaren an, ganz am Schluss und es gibt noch viele Spielereien auf dem Album.

Wir haben bislang die Pfeiler Atmosphäre/Sounddesign und Metal auf dem Album ausgemacht. Was man auch noch heraushört ist ein gehöriger Einfluss dieses Siebziger-Denkens der Progrock-Schiene, vielleicht nicht unbedingt konkret an einer Band festzumachen, eher was den Gedanken betrifft. Habt ihr das bewusst in den Sound integriert oder hör ich da komplett falsch?

Das war uns überhaupt nicht bewusst. Das hat ja auch derjenige, der die Bio geschrieben hat, bemerkt, dass doch erstaunlich viele Krautrock-Momente drin sind. Und das meinte mein Vater auch, auch der Vater von unserem Schlagzeuger. Da wir das nicht wirklich hören, muss das aus Versehen passiert sein. Das hat sich so entwickelt. Der Albumtitel ist diesmal schon Programm, dass wir uns auch davon frei gemacht haben zu sagen, was darf man uns was nicht. Das war uns diesmal absolut egal. Wir haben das alles was wir mochten, einfließen lassen, ohne zu sagen, darf man oder lässt man es. Von daher sind das einfach Sachen, die spontan entstanden sind und die wir dann einfach auch behalten haben.

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