"Starman - David Bowie's Ziggy Stardust Years" von Reinhard Kleist zeigt auch die dunkle, egozentrische, erfolgshungrige Seite David Bowies.
Hamburg (giu) - Bücher über David Bowie gibt es reichlich, nach seinem Tod im Januar 2016 ist eine wahre Flut an Veröffentlichungen erschienen. Darunter "Bowie: Sternenstaub, Strahlenkanonen Und Tagträume", in dem Michael Allred, Steve Horton und Laura Allred Bowies Leben farbenfroh zeichneten.
Wenn sich jedoch Reinhard Kleist sich eines Themas annimmt, lohnt sich die Auseinandersetzung immer. Seine Werke über Johnny Cash ("Cash - I See A Darkness", 2006) und Nick Cave ("Nick Cave - Mercy on Me", 2017) sind grandios. Nicht nur über Musiker hat er aufrüttelnde Werke geschrieben und gezeichnet: "The Boxer" (2012) erzählt die Lebensgeschichte des Holocaust-Überlebenden und Sportlers Hertzko Haft, "Der Traum von Olympia“ (2015) die der somalischen Olympialäuferin Samia Yusuf Omar, die auf der Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrank.
"Er hat mich angekuckt!"
Nun also Bowie. "Seine Musik habe ich die ganze Zeit verfolgt, auch wenn Phasen dabei waren, die mich nicht so begeistert haben" erzählt Kleist in einem Interview mit dem Carlsen-Verlag. Nick Cave selbst habe ihm den Ratschlag gegeben, "Bowie zu zeichnen, weil der ja so schön visuell sei". Mindestens zwei gute Gründe also, zumal Kleist Bowie in New York auch mal live gesehen hat. "Ein ganz eindrückliches Erlebnis, weil ich ganz vorne stand und mir 100% sicher war, dass er mich angeguckt hat. Ganz sicher!".
Im Gegensatz zu Cash oder Cave, deren Werdegänge mit Höhen und Tiefen mehr oder weniger linear verliefen - sie sind sich selbst im Prinzip immer treu geblieben, - ist Bowies Schaffen von vielen Brüchen gezeichnet. Die eindrücklichste Phase bleibt die, in der er nach mehreren Anläufen schließlich doch berühmt wurde, mit seiner Kunstfigur Ziggy Stardust. Hier setzt auch Kleist an, wie viele vor ihm. Doch beginnt er "Stardust" mit einem Schwenk in die Zukunft, oder besser, unsere Gegenwart. Ist das in der ersten Zeichnung Johnny Cash mit OP-Maske? Kommt tatsächlich die Apokalypse, wie die Bilder auf den folgenden Seiten von Krieg, Umweltzerstörung, Trump, auf Smartphone starrende Menschen mit verzweifelten Gesichtsausdrücken nahelegen?
Die dunkle, egozentrische, erfolgshungrige Seite Bowies
"Siehts du nicht, dass du in einem Lied über das Ende der Welt bist?", fragt Bowie schließlich inmitten eines Mobs. "Five years, that's all we got>", singt er, mit Schwenk zurück in einen spärlich besuchen Club 1972, wo ihn die Zuschauer mit einer Flasche bewerfen und ihn beschimpfen. "Sei froh, wenn du noch fünf Jahre hast! Haut ab nach London, ihr Homos!". Während die Bilder davor farbig sind, stellt Kleist die Zuschauer in Brauntönen dar. Eine Stärke dieses Buchs ist der Kontrast zwischen dem tristen Alltag und dem Star-Dasein auf der Bühne, das eine grau und braun, das andere so farbenfroh, dass es in den Augen fast wehtut (die Kolorierung stammt von Thomas Gilke). Eine weitere die Darstellung der Kostüme, die sich Bowie anfertigen ließ. Wunderbar, wie Kleist den Besuch beim japanischen Modeschöpfer Kansai Yamamoto darstellt. Im Türrahmen ist Bowie, mit Frau Angie und Kleinkind Zowie, noch eine graue, gesichtslose Gestalt. Mit verschiedenen Jumpsuits verwandelt er sich dann in den bunten wie schrillen Ziggy Stardust, den Starman.
Mehr und mehr entwickelte sich Ziggy in die "dunkle, egozentrische, erfolgshungrige" Seite Bowies, wie Kleist eindrucksvoll darstellt. Am 3. Juli 1973 zog der Sänger die Reißleine und ließ sein Alter Ego sterben, indem er bei einem Auftritt in London ankündigte, das sei es gewesen. Ein "Rock'n'Roll Suicide", wie auch der letzte Track des Albums "The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars" hieß. Hier endet Kleists Geschichte, gefolgt von der Ankündigung eines zweiten Teils, "Low - David Bowie’s Berlin Years". Er sei noch im Schreibprozess, so Kleist bei der Veröffentlichung von "Starman", das Erscheinungsdatum sei noch nicht geplant. Wann auch immer - es wird sich lohnen.
"Starman" erscheint in zwei Versionen. Die Luxusausgabe ist limitiert und enthält einen handsignierten Druck. Wer dann noch nicht genug hat, kann auch zum "David Bowie 2022: Buch- und Terminkalender*" greifen.
Reinhard Kleist: Starman - David Bowie's Ziggy Stardust Years, Carlsen, 25 EUR. Luxusausgabe 59 EUR, Terminkalender 10 EUR.
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