Die "The Car"-Tour der Arctic Monkeys übertrifft alle Erwartungen, das Konzert seit Monaten ausverkauft: Lösen die Briten ihr Versprechen ein?
Berlin (laut) - "Berlin, how wonderful to see you again!", so die erste Wortmeldung von Rampensau Alex Turner, die eine der wenigen bleiben wird. Nach eigener Aussage kann der Brite auch nach 20 Jahren bis auf "Gehts euch gut?" kein Deutsch. 2018 in der Columbiahalle skandierte er noch: "Ihr lieben Leute in Berlin!" Diese Zeiten sind längst vorbei, denn die Mercedes-Benz Arena platzt gestern aus allen Nähten.
Vor der Halle suchen Fans verzweifelt nach Tickets. Lange Gesichter auch bei einigen Besucherinnen, für die das Konzert noch vor Beginn wegen Kreislaufbeschwerden vorbei ist, dabei ist Alex Turner noch gar nicht erschienen. Dann erlischt endlich das Licht im Saal. Es ist soweit. Der Veitstanz beginnt.
Die Überreste der Generation MySpace
Die Bühne ist spartanisch. Kein Schnickschnack, dafür eine ovale Leinwand hinter dem Schlagzeug. Ein gedimmter Spot verleiht dem Bühnenzentrum einen goldenen Schimmer. Nonchalant und mit Sonnenbrille performt Turner, Master of Ceremony der vier Arctic Monkeys aus Sheffield, die seit über 20 Jahren gemeinsam Musik machen und die wohl berühmteste Erfolgsstory der MySpace-Ära verkörpern. Damals, in den Anfangstagen von Social Media, gelang den jungen Wilden der ganz große Durchbruch - Grundstein für alles, was noch folgen sollte. Und das ist eine ganze Menge.
Nach dem Hitalbum "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not", inklusive der Gassenhauer "When The Sun Goes Down" und "I Bet You Look Good On The Dancefloor", ging es für die Briten nur bergauf. Den Zenit ihrer Karriere erreichten sie 2013 mit knapp vier Millionen verkauften Kopien von "AM". Die Platte ist in der Setlist mit immerhin fünf der sechs Singleauskopplungen vertreten.
Alex Turner - und Band
Ein Konzert der Arctic Monkeys ist die Show von Alex Turner. Diese Tatsache wird besonders deutlich, wenn der Spot wieder mal nur auf den charismatischen Frontmann gerichtet ist, und die anderen Bandmitglieder im Dunklen bleiben. Der Brite, Inbegriff eines Indierockers, gelebtes Sexsymbol, dessen laszive Bewegungen akzentuiert im Takt bleiben.
Mittlerweile an der 40 kratzend, hat der Brite nichts an Bühnenpräsenz verloren. In dem engangliegenden Anzug aus der Mottenkiste von James Bond sitzt jede Pose, jeder Hüftschwung, Elvis Presley hätte wohl seine Freude daran: Der Kreischpegel im Publikum dürfte zu seiner Zeit kaum lauter gewesen sein.
Trotz der vielen treibenden Indie-Hymnen sind es am Ende doch die leiseren, fast post-jazzigen Töne, die dem Konzert erst richtig seinen Zauber verleihen. So wundert es nicht, dass Zeilen wie "It's just I'm constantly on the cusp of trying to kiss you / I don't if you feel the same as I do" ("Do I Wanna Know") irgendwie an Goethe erinnern, der auch in seiner späten Lebensphase Liebe und Lust nicht abgeneigt war. Und lustvoll klingt der Sound der Arctic Monkeys allemal. Das ausgesprochen junge Publikum interessiert derlei Gedanken freilich nicht: Am meisten bewegen sich die Massen zu den besagten Indiedisko-Klassikern.
Grandios brachiale Balladen
Dabei bleiben die herausragenden Momente der Monkeys nicht die gefälligen Drei-Minuten-Kracher, sondern diese an- und erregenden, leichten Post-Indie-Sludge-Stücke wie "Arabella" oder "Star Treatment". Ein Sound, der sowohl in einer Bar-Lounge, als auch zuhause funktioniert. Diese brachialen Balladen, diese permanente, unterschwellige Düsterkeit, das können so nur die Arctic Monkeys.
Daher wundert es nicht, dass genau hierauf auch der Fokus des Gigs liegt und die Zugaben "I Wanna Be Yours", "Body Paint" und "Do I Wanna Know" heißen. Auch die überdimensionierte Diskokugel, ebenfalls mit dem Monkeys-Schriftzug gepimpt, bekommt während des Sets nur einen kurzen Auftritt.
Die Arctic Monkeys spielen an diesem Berliner Abend einen grandiosen, ausgereiften Gig und zeigen, warum man Indie auch noch nach 20 Jahren lieben kann. Live zu siebt auf der Bühne, harmoniert der gut abgemischte Sound mit der ausgeklügelten Show und lässt bei Fans keine Wünsche offen.
Fotos und Text: Désirée Pezzetta.
1 Kommentar mit einer Antwort
Bin seit 2006 auf jeder Tour dabei gewesen und stand auch gestern wieder ganz vorne, fands aber nur so mittel. Sound war übrigens alles andere als perfekt abgemischt.
klar klingt's weniger gut wenn du ganz vorne stehst, weiß man doch.