Massiv macht die Connor nackig, MoneyBoy trasht weiter, Kool Herc ist alt und braucht das Geld, und P. Diddy hat die Twin Towers abgerissen.

München (max) - Dass der Rapsport mitunter recht individuelle Athleten hervorbringt, ist erfreulich und erstaunlich zu gleichen Teilen. Einerseits möchte man meinen, eine so streng auf ihr selbst angelegtes Regelkorsett achtende Szene würde alles, was nicht das Mindestmaß an Qualität mitbringt, binnen kürzester Zeit von der Bildfläche tilgen. Andererseits beweist der Fall MoneyBoy nun schon eine geraume Weile, dass im deutschsprachigen Hip Hop-Betrieb – zumindest in den Randbereichen – offenbar eine Umdenke stattfindet.

Klar ist: Man gibt sich nach einer knappen Dekade düsterer Einbahnstraße wieder experimentierfreudiger. (An dieser Stelle sei übrigens und unbedingt auf den dritten und letzten Teil der äußerst lesenwerten JUICE-Strecke "Deutschrap 2000 - 2010" hingewiesen.) So lässt es sich der Wiener nicht nehmen, seinen hedonistischen Luxus-Trash weiter zu kultivieren – im Gegenteil. Wer mit hart an der Schmerzgrenze verorteter Fremdscham umgehen kann, der möge einen Blick auf seinen neuesten Erguss namens "Stripclub" werfen:

(Ich halte es ja immer noch für möglich, dass MoneyBoy ein wissenschaftliches Experiment ist. Oder so eine Art Horst Schlämmer des Rap. Eine groß angelegte Verarsche. Oder eine virale Kampagne. Vielleicht für Louis Vuitton.)

Portwein

Erfreulicher ist hingegen, was der Osten der Republik in sowohl akustischer als auch visueller Hinsicht aktuell anzubieten hat. Leipzigs "Untergrund-Hoffnung" Morlockk Dilemma – mit bürgerlichem Namen übrigens ebenfalls reichlich individuell: Falko Luniak – veröffentlicht in Kürze seinen neuen Langspieler "Circus Maximus". Zusammen mit den Dauer-Kumpels Hiob, JAW und R.U.F.F.K.I.D. ließ er kürzlich einen Vorgeschmack in Form einer Portwein-Verkostung durchsickern. Sollte dieses Appetithäppchen stellvertretend für die Gesamt-Qualität des am 28. Februar erscheinenden Albums stehen, darf man schon heute von einem gelungenen Jahrgang 2011 sprechen:

Persönlichkeitsrecht massiv verletzt

Massiv ist seit kurzem mit "BGB 2" am Start, bei dem mich Kollegin Fromm mit einer unerwartet positiven Wertung überraschte. (Nicht überraschte mich indes der prompte Kommentar darunter mit Bezug auf die Haftbefehl-Review.)

Unfein allerdings, was sich der Wahlberliner zeitgleich zum Release der Scheibe leistete: Er veröffentlichte ein YouTube-Video, in dem er – reichlich platt – das Bild einer barbusigen Sarah Connor präsentierte. Der Promo-Stunt zündete erwartungsgemäß trotzdem, die alte Regel "Hupen gehen immer, Promi-Hupen erst recht" zeitigte x-fach Aufmerksamkeit in Blogs und den sozialen Netzen. Inzwischen findet man allerdings weder die entsprechenden Blog-Einträge, noch das YouTube-Filmchen wieder – die Connor'schen Anwälte gehen da scheinbar äußerst rigoros vor. Eine entsprechende Pressemeldung zum Vorfall macht inzwischen auch die Runde.

Nachbarschaftshilfe

Wie vergangene Woche bekannt wurde, ist es um den Mann, der back in the days, im Sommer 1973 nämlich, den "Grundstein für Hip Hop" legte und dafür bis heute von den ganz Großen geehrt wird, sowohl gesundheitlich als auch finanziell schlecht bestellt: Der 55-jährige Kool DJ Herc hatte eine dringende Nierenstein-OP nötig, konnte sie sich allerdings zunächst nicht leisten. Eine Pflicht-Krankenversicherung, wie sie bei uns üblich ist, gibt es bis dato in den Staaten nicht – weder für Otto Normal, noch für lebende, aber todkranke Legenden.

Inzwischen wurde die Operation zwar durchgeführt und der Patient befindet sich auf dem Weg der Besserung – die Genesung erfährt allerdings einen unschönen Dämpfer in Form der Krankenhaus-Rechnung, für die er nach wie vor selbst nicht aufkommen kann. Seine Schwester Cindy Campell startete daraufhin mit der Unterstützung einiger anderer älterer Semester, darunter Tony Touch und DJ Premier einen offiziellen Spenden-Aufruf und stieß damit eine öffentliche Diskussion zum Thema an.

R.A. The Rugged Man bringt das Ganze via Twitter stimmig auf den Punkt: "KOOL HERC hospitalized and needs financial help. Rappers Step Up, if it wasn't for HERC We would all be broke with no career."

Humptata meets "SoLaLa"

Nach inzwischen knapp 20 Jahren stabiler Bandgeschichte geht der altehrwürdige Blumentopf für zwei Tage auf die kostenlose "Fenster Zum Berg"-Mini-Tournee. Im Gepäck: fünf Acapella-Tracks vom aktuellen Album "Wir" und als musikalische Begleitung die Blaskapelle Münsing.

Das bayerische Culture-Clash-Projekt erscheint am 11. Februar ebenfalls als zehn Tracks starke EP, den entsprechenden Teaser findet man hier. Der SZ haben die Musikanten inzwischen auch ein Interview gegeben.

Außerdem

Bushido wirft neuerdings in unregelmäßigen Abständen und ohne jeden Kommentar deutsche Handynummern in die Runde seiner über 18.000 Follower starken Twitter-Entourage. Was er damit bezweckt, bzw. wessen Nummern das sind, ist bis dato unklar. Lediglich die Tatsache, dass er wissen wollte, ob es "diese SMS-Bomben" noch gebe, lassen vage Vermutungen zu. Wenn das mal nicht wieder zu Klagen führt ...

Apropos Klagen, hier eine Anekdote aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Eine Frau aus Los Angeles will in P. Diddy den Verantwortlichen für die 9/11-Katastrophe erkannt haben. Erst habe er zusammen mit zwei anderen das World Trade Center eingerissen, anschließend ihre Poker-Chips geklaut und schlussendlich ihre Kinder verprügelt. Selbstverständlich ist er auch der Vater eines dieser Kinder. Für all das zusammen verklagt sie Diddy nun auf eine Billion Dollar. Der ganze Spaß hier.

Wo wir schon drüben sind: Kann sich noch irgendwer an Raptile erinnern? Ich hatte den Mann erfolgreich vom Schirm, bis sein Name neulich in meinem Twitterstrom auftauchte. Und siehe da: Raptile macht seinem alten Pseudonym alle Ehre und tut es einem Chamäleon gleich: Er wechselt sich mal eben komplett aus – neuer Name, neues Land, neuer Sound:

Wie war das noch mal anno 2003? Im Intro einer ach so wegweisenden Platte? Ach, ja: "Verpisst Euch aus unserer Stadt! (...) Nehmt Euren Hip Hop mit und dreht Eure drecksverdammten Videos in dem Dorf, wo ihr herkommt (...) Frauen stehen auf Tempelhof-Gangster und Schöneberg-Kings." Wer nach so einer Ansage und obendrein mit dem Alter Ego "Frank White" in New York (!) ein reaktionäres Deutschrap-Video dreht, gibt damit beredt Auskunft über den Zustand seiner, sagen wir, Geisteshaltung.

Zurück in die alte Welt katapultieren wir uns mit dem Beitrag des rappenden Polen Wini - rein äußerlich zunächst das osteuropäische Pendant zu Fat Joe, der allerdings mit seinem Video "Rzucam" schnell klar macht, dass es um unkonventionelle Ansätze im Hip Hop wieder besser bestellt ist:

(Bei Interesse findet man hier das Making-Of.)

Track der Woche:

Ganz klarer Fall, geht gar nicht anders. Wie man mit Bombenflow und trotz beziehungsweise gerade wegen nicht vorhandenen Budgets einen veritablen Kleinkunst-Superhit hinlegt, macht der Dresdener Gossenboss mit Zett vor. Sein Video zum Song "Linseneintopf" beweist mir: Die oben erwähnten Umstrukturierungen in der Randbereichen (no pun intended) sind letzten Endes absolut begrüßenswert. Die zugehörige LP "Mehrwegmusik" lässt sich übrigens hier kostenlos herunterladen, wozu ich auch in schärfstem Befehlston auffordere, weil so unverkrampft fresh war schon länger nix mehr:

Ich, Maximum Brandl und sie, Yo Mama Fromm, sammeln und kredenzen wöchentlich Diverses aus dem Kopfnicker-Universum. Anträge, Blumen oder Punchlines an dani@laut.de oder max@laut.de.

Fotos

Blumentopf, Massiv und MoneyBoy

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