zakk-Chef Miguel Passarge freut sich zur Halbzeit der dritten Ausgabe über das große Medienecho. Und die Sterne spielen ihr Album "Posen" komplett.
Düsseldorf (rnk) - "Wieso gehst du denn nicht rein?", fragt ein höflicher Mensch mit einem gar nicht mal rheinischen Akzent. Der hilfsbereite Kollege, der in die wohlige Wärme der Location bittet, ist zakk-Chef Miguel Passarge. Sein Baby, das noch recht frische Lieblingsplatte Festival, geht mittlerweile in die dritte Runde: An sieben Abenden führen deutsche Bands ihr zentrales Album in voller Länge auf. Dieses Jahr sind Acts wie Stereo Total oder RAG und Die Sterne an der Reihe.
Miguel trägt einen Verstärker unter dem Arm, was gleich die passende Überleitung zu einem bekannten Blumfeld-Song ist. Vor einem Jahr trat die Band im Rahmen des zakk-Festivals auf und bezeichnete den Gig als große Motivation für ihr Comeback. Die Connection zwischen Hamburg und Düsseldorf ist schon seit Jahren stabil. In den 90er traten hier Bands aus der sogenannten "Hamburger Schule" auf - gestern Abend nahmen Die Sterne die nicht gerade kurze Fahrt von der Hansestadt bzw. Berlin nach Düsseldorf auf sich, obwohl sie nebenbei noch Jobs haben.
Auch das zakk muss sich neu orientieren, gerade nach dem Wegfall wichtiger Koop-Partner wie Intro oder Spex, die dieses Jahr ihr Aus verkündeten. Obwohl auch das Lieblingsplatte Festival die Stadt Düsseldorf in Sachen populäre Musik landesweit bekannt macht und heuer auch heimische Größen wie die Elektroniker Kreidler oder die erste Punkband Mane auftreten, ziert sich die Stadtverwaltung immer noch beim möglichen Sponsoring bzw. Zuschüssen.
Auch Campino schaut rein
Die großen Grabenkämpfe der 80er, in denen sich CDU und linksautonomes Zentrum noch als Feindbilder gegenüber standen, sind allerdings längst Geschichte, wie mir Miguel versichert. Heute kommen Kulturbeamte der Christdemokraten zu Konzerten, auch weil ihre Kinder dort hingehen bzw. Fans der im zakk auftretenden Bands sind. Diese müssen gleichwohl noch immer zum Profil der Veranstalter passen. Ein Kollegah würde wahrscheinlich eh nicht anfragen, würde vermutlich aber auch nicht eingeladen.
Campino ist hingegen ein geschätzter Freund und Gast des Hauses. Schon länger mit dem zakk verbunden, feierte er hier öfters nach den Megagigs in der Phillipshalle die Aftershow und auch dieses Jahr besuchte er das Male-Konzert Der gut aufgelegte Alt-Punk erzählte dort Anekdoten aus der gemeinsamen Proberaumzeit ("Ihr schuldet mir noch jeder zehn D-Mark!") und plauderte im Publikum anschließend noch mit den Leuten Überhaupt sei das Standing von Campi zumindest in Düsseldorf tadellos, so die Aussage der zakk-Chef.
Die Toten Hosen gehören mittlerweile zum Kulturgut der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt, die ihre ganz große Phase in den 70ern mit Bands wie Neu! und Kraftwerk hatte, aber auch in der Gegenwart mit der Antilopen-Gang, Broilers und Oscar-Gewinner Hauschka sehr gut aufgestellt ist.
Ein ziemlich einmaliges Konzept
Natürlich alles Bands, die noch zu jung scheinen, um ins Repertoire des Lieblingsplatte Festivals aufgenommen zu werden. Doch die Veranstalter bemühen sich, nicht nur altgediente Bands wie Male, die angeblich das erste Deutsch-Punk-Album veröffentlichten, zu gewinnen. Auch Gisbert zu Knyphausen, der zum Zeitpunkt Males Album-Veröffentlichung noch gar nicht geboren war, spielt in diesem Jahr sein selbstbetiteltes 00er-Jahre-Album vor vermutlich eher jüngerem Publikum. "Der Austausch zwischen den Generationen ist mir wichtig", betont Miguel.
Der Lieblingsplatte-Kurator benötigte vor der Premiere 2016 eine gewisse Anlaufzeit, um mit seiner Idee zu überzeugen. Schließlich ist ein Festival auch ein finanzielles Wagnis und bedarf größere Logistik, aber nach einiger Zeit war sein Team bereit, dieses bisher tatsächlich weltweit einzigartige Konzept mitzutragen: Reunion-Touren gibt es zwar genügend, aber nicht kurz hintereinander mit verschiedenen Bands und im Rahmen eines Festivals. Und heute, freut sich Miguel, gab es dazu so viel Presseecho wie noch nie.
Die Wunschbands diverser Konzertbesucher und auch der Veranstalter - etwa Die Ärzte und Hosen - sind für zakk-Verhältnisse leider viel zu groß für den kleinen Laden und logistisch nicht machbar. Miguel, der eigentlich aus Baden-Württemberg stammt und ins Rheinland zog, nahm aus seiner Heidelberger Zeit Ende der 90er jedenfalls eine große Hip Hop-Affinität mitgenommen.
Er war selbst Teil der Szene um Heidelberger Rapper wie Stieber Twins und Torch, die hier bereits ihre Platten "Fenster Zum Hof" und "Blauer Samt" aufführten. Dieses Jahr war das Konzert der Ruhrpott-Rapper R.A.G. innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Und einen Wunsch für das nächste Jahr gibt es auch schon: Kinderzimmer Productions.
Von oben leuchten Die Sterne
Das Konzert der Sterne ist nahezu ausverkauft, der Laden brechend voll. Die Sterne lassen es, entgegen der aufgeregten Grundstimmung im Publikum, ruhig angehen und kommen mit Verspätung auf die Bühne. Die ersten drei Songs stammen alle nicht von "Posen", sondern stammen wie das wuchtig wütende Stück "Die Interessanten" von späteren oder wie "Widerschein" von noch früheren Alben.
Erst mit "Frank Orgel" beginnt der vorhergesehene Part: "Posen" bleibt das beschwingte Funk-Album, dem die gesellschaftskritischen Texte Frank Spilkers gegenüber stehen. Der hünenhafte Frontmann hat sich extra noch mal in Schale geworfen und die 90er-Konzert-Garderobe mit dem ästhetischen Western-Hemd ausgekramt. Etwas irritiert betrachtet man den Skater-Typen neben ihm, bis man kapiert, dass es sich um Bassist Thomas Wenzel handelt: Große Cap, Shirt und Skinny Jeans. Da ist jemand trotz Nostalgie-Schub an diesem Konzertabend doch sehr in der Gegenwart angekommen. Er war bereits mit den Goldenen Zitronen hier.
Drummer Christoph Leich sieht immer noch so aus wie Ende der 90er, nur die Fluppe im Mund ist wohl doch passé für den einstmals überzeugten Kettenraucher. Die stets ein bisschen vakante Stelle am Keyboard besetzt nach Frank Will und Richard von der Schulenburg aktuell Dyan Valdes von The Blood Arm.
"Wir hatten Sex in den Trümmern"
Sie fügt sich prächtig ins gut gelaunte Line-Up ein, das sich während des Gigs öfter gegenseitig veralbert. Eine Band, so wird gescherzt, sei man doch eh nie gewesen und eher durch Zwang zusammen. Was man erlebt, ist ein Band, die richtig gut harmoniert und einen auch mal verpassten Einsatz locker weggelächelt. Natürlich werden Hits wie "Trrrmmer" und dessen immer noch großartiger Refrain "Wir hatten Sex in den Trümmern und träumten / Wir fanden uns ganz schön bedeutend" mitgesungen. Da passt der unerwartet lange und tanzbare Zugabenteil mit Songs vom elektrobeatlastigen "24/7" perfekt. Der Funk steckt eben immer noch in den Sternen.
Auch der Überhit "Universal Tellerwäscher", den lustigerweise viele noch immer auf "Posen" vermuten, der aber auf dem 1994er-Album "In Echt" zu finden ist, führt natürlich schon beim "Warst du nicht immer fett und rosig"-Einstieg zu großer Euphorie.
Wer nun glaubt, dass hier nur die Kids der 90er ihre Jugend noch mal hochleben lassen, irrt nicht komplett - tatsächlich liegt der Altersdurchschnitt bei 40, aber auch viele halb so alte Fans schauen mit begeisterten Blicken auf die Bühne und stehen später beim Merch. Dort erfahre zumindest ich eine wirklich schöne News: Mein persönlicher Album-Liebling "Von Allen Gedanken Schätze Ich Doch Am Meisten Die Interessanten" wird seine längst verdiente Vinyl-Neuauflage nächstes Jahr bekommen. Die Geldbörse ständig klammer Schallplatten-Aficionados wird es freuen, da dieses Album immer noch zu Mondpreisen auf Discogs angeboten wird.
Die glücklichen Menschen, die später "Wir hatten Sex in den Trümmern ... Wooohoooo" auf der Straße singen, zeigen, dass Nostalgie keine müde Fanabzocke sein muss, sondern richtig präsentiert eine tolle und schöne Geschichte sein kann. Lieblingsplatte wird wohl sehr Lieblingsfestival für Erstbesucher werden. Bleibt zu hoffen, dass auch die städtische Politik dieses Potential erkennt.
Die Sterne im zakk - Setlist:
- Widerschein
- Aber andererseits
- Die Interessanten
- Frank Orgel
- Texte
- Inseln
- Schnorrvögel
- Swinging Safari
- Themenläden
- Stell die Verbindung her
- Unter Geiern 2
- Trrrmmer
- Zucker
- Risikobiografie
- Was hat dich bloß so ruiniert
- Depressionen aus der Hölle
- Convenience Shop
- Wahr ist, was wahr ist
- Big In Berlin
- Universal Tellerwäscher
- Fick das System
- Wenn dir St. Pauli auf den Geist fällt
3 Kommentare
Rückt mal n Stern für "Posen" oder "Von allen Gedanken...." raus, ihr Geizhälse!
Eine der besten deutschsprachigen Bands.
„Mane“, „Convience Shop“... lasst mich doch beim nächsten Mal vorher drüberlesen.
Universal Tellerwäscher fängt an mit "Er hat immer Hunger...", nicht mit " Warst Du nicht fett und rosig" (= ... ruiniert)was nichts daran ändert, dass ich die Einschätzung des Autors teile: Ein richtig geiles Konzert von einer der wichtigsten deutschsprachigen Bands! Ein großartiges Festival!