laut.de-Kritik

Arty farty Disco-Moshpit in Cinemascope.

Review von

... fique, quoi? Evan Mast und Mike Stroud geben sich heuer frankophil. Die Hoffnung auf Lyrics oder ein gesungenes Wörtchen französischen Wohlklangs ist weiterhin zwecklos: die Herren sind und bleiben stumm und lassen nur ihre Saiten sprechen. So funktioniert die erlernte Marke Ratatat.

Mit dem "Intro" wird hier allerdings wieder zünftig am Tuner herumgedreht. Störgeräusche, Rauschen und Geknister. Eingestreutes Geplapper, Geraune und Gegrunze aus dem Studio oder dem Sonstwo. Sie können es sich nicht verkneifen und füllen schelmisch die Lücken und die (vermeintlich) unangenehme Stille zwischen dem aus, was man landläufig als Songs bezeichnen würde. Ein Kitten der Unterhaltungsleere in Zeiten von Ritalin und Reizüberflutung oder einfach arty farty!

Die Single mit dem unanständigen Beigeschmack im Titel "Cream On Chrome" lässt explizite Bilder am geistigen Augen-Autokino vorbeiziehen: der Rücksitz eines Muscle-Cars, zu unerwartet getimeten Breaks pumpende Körper, von Popcorn, Zuckerwatte und Körperflüssigkeiten verklebt mit einem Spritzer Cream Soda on top. Das dort gezeigte B-Movie kann gar nicht schmalzig genug gewesen sein, um eine derartig süßliche Verwüstung zu hinterlassen. Das Duo findet zu erstaunlicher Dramaturgie in diesem Vierminüter, mit einer im Vordergrund schwirrenden Hookline, die nur wiederholt angehoben und abgesenkt wird. Das sind Innenansichten aus dem Disco-Moshpit in Cinemascope.

Mindestens genauso singletauglich ist "Abrasive", der zunächst dahinschwirrt wie der neu aufgelegte Score einer "3 Fragezeichen"-Hörspielcassette von 1985. Zwar ohne die Stimmen von Jonas, Shaw und Andrews. Dafür offenbaren Mast und Stroud, welch facettenreichen Zauber man einer so kleinen, aber brünftigen Gitarre in Verbindung mit einem Vocoder entlocken kann. Das ist nur immer wieder ein und dasselbe Riff in der Wiederholung, in mehr oder weniger gutturalem Kleid. Das klingt dann einmal wie Toast Hawaii auf Bratensoße, dann wie Nutella mit dem Crunch von Paprikachips oder Marshmallows gefüllt mit sauren Gurken. Immer absonderlich in der Kombination, aber überraschend lecker. Denn letztlich macht auch die Textur den Geschmack, je ungewöhnlicher, desto besser.

Der klagende Gitarren-Kanon von "Cold Fingers" aus sich stolpernd windenden und vor den "kalten Fingern" zu entkommen suchenden Saiteninstrumenten, die ihren weichen Corpus unsittlichen Berührungen ausgesetzt sehen und dem neckischen Rein und Raus nicht zu entfliehen vermögen. Fast atmend, über Distanz dann hechelnd und durch einen Flanger getrieben, können sie dem treibenden Rhythmus nicht entweichen, der von einer synthetischen Hammond fortgetragen wird und in einem schwirrenden Hochfrequenzriff zerspringt. Ungefähr so ästhetisch wie eine Ultraschallsäge beim Zahnarzt. Das ist hohe, dramaturgisch auf zwei Minuten heruntergebrochene Kunst, die man nur zu gerne in einen endlosen Loop aus Blei gießen möchte.

Dabei ist für jeden Song aufs Neue erstaunlich, auf welche Vielfalt die Beiden in ihren Harmoniefüllhörnern zugreifen können, trotz allem dargebotenen Minimalismus. Denn letztlich sind das nur Gitarren mit ein wenig Drumcomputer durch diverse Verzerrer gejagt und kleine Synthie-Grooverschnipsel zu einem maximal sechsminütigen Gesamtwerk verleimt. Einfach, aber letztlich unerhört genial. Zugegeben, da ist viel experimentelles Gedudel und nerdiges Gegniedel darunter. Aber es ist auch sommertaugliche Bodenständigkeit made in the USA.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Cream on Chrome
  3. 3. Magnifique
  4. 4. Abrasive
  5. 5. Countach
  6. 6. Drift
  7. 7. Pricks of Brightness
  8. 8. Nightclub Amnesia
  9. 9. Cold Fingers
  10. 10. Supreme
  11. 11. Rome
  12. 12. Primetime
  13. 13. I Will Return
  14. 14. Outro

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LAUT.DE-PORTRÄT Ratatat

Zwei Jahre nach ihrer ersten Begegnung beschließen die New Yorker Evan Mast und Mike Stroud im Jahr 2003, aus bloßen Gedanken-Spinnereien endlich Ernst …

7 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Die haben sich in 10 Jahren nur um ein µ verändert. Langweilig.

    • Vor 9 Jahren

      Wer LP 3 und 4 gehört hat, würde sowas nicht schreiben.

    • Vor 9 Jahren

      Ich hab alle Alben gehört. Klar sind marginale Veränderungen vorhanden, aber der Grundvibe ist doch immer der gleiche. Finde "Magnifique" jetzt auch nicht direkt schlecht, einige Tracks gefallen mir sehr. Nur insgesamt ist mir das alles zu dudelig, zu gleichförmig.

    • Vor 9 Jahren

      Na ja die haben nen bestimmten Sound was die Saiteninstrumente angeht, das stimmt wohl. Der Rest aber ist eigentlich verdammt abwechlungsreich mMn.

    • Vor 9 Jahren

      Musikalisch haben sie tlw. echt fantastische Ideen, gerade diese verspielten Oldfield-Momente gefallen mir. Die Queen- und Discofunk-Anleihen finde ich eher ermüdend. Aber ist auch Geschmackssache, denk ich.

    • Vor 9 Jahren

      Wenn du größere Unterschiede brauchst als die zwischen LP4 und Magnifique, solltest du vielleicht unterschiedliche Bands hören. Kompositionen, Sample-Nutzung, Sounds. Das liegen Welten dazwischen. Du kreidest denen an, dass man Ratatat immer erkennt, weil sie nen einzigartigen Stil haben. Kann man natürlich machen, wenn man sich dann besser fühlt.

  • Vor 9 Jahren

    In der Review werden nicht mal Nighhtclub Amnesia oder Rome erwähnt. Liest sich wie ne Besprechung jedes einzelnen Songs, nur dass dann nach 3 Songs aufgehört wurde. 1/5

  • Vor 9 Jahren

    nicht der große wurd, aber es sind einige sachen drauf, die auch gern auf classics oder dem debut hätten erscheinen können. bin rome fan! und nightclub amnesia ist auch ein brett