laut.de-Biographie
Ryan Leslie
Mit zu vielen Talenten gesegnet zu sein, kann einen manchmal auch ausbremsen. Ehe Ryan Leslie 2009 sein selbstbetiteltes Debütalbum vorlegt, liefert die Liste seiner Kollaborationen bereits reichlich Stoff für beeindruckendes Namedropping.
Auf zahlreichen Betätigungsfeldern macht sich Leslie bis zu diesem Zeitpunkt einen Namen. Er profiliert sich gleichermaßen als Sänger, Songwriter, Musiker, Produzent und Toningenieur und gibt zudem auf der Bühne den engagierten Entertainer.
Hinter den Kulissen betreibt er sein eigenes Label Next Selection Lifestyle Group. Er arbeitet Seite an Seite als Coproduzent mit P. Diddy, schreibt und produziert für Beyoncé, Britney Spears, New Edition, B5, Danity Kane, Usher, Snoop Dogg, LL Cool J und zahlreiche andere.
Nebenbei entdeckt er Cassie und schreibt ihr die Hitsingle "Me & U" auf den Leib. "Meine Karriere als Produzent war ursprünglich gar nicht geplant", tut er den eigenen Erfolg als Unfall ab. "Ehrlich gesagt war ich damit nie ganz zufrieden."
Schon als Kind will er viel lieber singen. Die Eltern, beide aktive Mitglieder der Heilsarmee, legen ihm das musikalische Talent in die Wiege. Mit einem trompetenden Vater und einer klassisch ausgebildeten Pianistin zur Mutter bleibt dem Erstgeborenen kaum eine Wahl.
Anthony Ryan Leslie kommt im September 1978 in Washington, D.C. zur Welt und entpuppt sich schnell als sprachbegabtes Wunderkind. Die Familie zieht ständig um. Ryan findet Halt in der Musik.
Mit neun Jahren bringt er sich das Klavierspielen bei, übt und übt. Mit einem Kassettenrekorder macht er eigene Gesangsaufnahmen. Der Vater hat ein Einsehen und schenkt seinem Sohn wenig später den ersten Drumcomputer.
Die ständigen Schulwechsel nerven den Teenager. Anstatt sich nach einem erneuten Wohnungswechsel mit 14 in der fünften Highschool einzuleben, macht Ryan einen Aufnahmetest fürs College - und schneidet glänzend ab. Die Elite-Schule Harvard nimmt den gerade einmal 15-Jährigen mit Kusshand.
Dort entwickelt Ryan allerdings eine wahre Musikbesessenheit. Er verbringt mehr Zeit im Studio und bei Proben und Auftritten mit der schuleigenen Jazz-Band als in den Vorlesungen. Bereits jetzt steigt er in Verhandlungen mit verschiedenen Labels ein.
Trotz allem hält er 1998 einen Abschluss in Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Händen. Die harte Realität beginnt allerdings erst: Richtig voran geht es mit seiner Musik nicht.
"Vier Jahre später saß ich wieder bei meinen Eltern auf der Couch", erinnert er sich. "Ich besaß nichts, nur ein paar unbezahlte Rechnungen." Wohl dem, der einen großzügigen Vater hat: Der greift tief in die Tasche und stellt seinem Spross das nötige Studioequipment für einen neuen und "letzten" Versuch.
Zu Gast bei Produzent Young Lord in New York nehmen die Dinge dann ihren Lauf: Ryan Leslie produziert einen Song für Beyoncé, dabei stolpert Diddy über den Newcomer und zeigt sich begeistert von dessen frischen Mixturen aus R'n'B, Hip Hop, Elektro- und Gospel-Sounds.
Doch eigentlich will Ryan immer noch singen. 2003 unterzeichnet er einen Plattenvertrag und macht sich an die Aufnahmen seines Erstlings. Die beiden Singleauskopplungen erzielen jedoch nicht den gewünschten Chartserfolg. Das Albumprojekt wird eingestellt. Lediglich in Europa erscheint "Just Right" Ende 2005 in geringer Auflage.
In Zusammenarbeit mit Cassie hat Ryan Leslie seine Popularität jedoch unter Beweis gestellt. Noch 2005 kommt er bei Universal Motown unter. Für sein Debüt lässt er sich dennoch reichlich Zeit.
Neben der Musik interessiert den Harvard-Absolventen auch die Maschinerie dahinter. Über ausführliche Blogeinträge und seinen eigenen YouTube-Kanal gestattet er Einblicke in den Entstehungsprozess seiner Songs und Videos, die auch mal zu Kurzfilmen ausufern - und verzeichnet Clickzahlen in Millionenhöhe.
Stetig propagiert er das Abweichen von ausgetretenen Pfaden, ruft zum Umdenken auf. "In fünf Jahren werden wir keine CDs mehr brauchen", prophezeit er und sinniert über neue Vertriebsstrategien.
In einer Hinsicht baut er jedoch auf traditionelle Werte: "Es ist mir wichtig, dass ihr wisst, dass ich auf den Rat meiner Eltern gehört und meinen Abschluss gemacht habe, ehe all das begann", teilt er seinen Fans auf seiner Homepage mit. "Ich habe in Harvard studiert und möchte Euch ermutigen, stets Euren Geist zu bemühen. So kann man Widrigkeiten kreativ begegnen."
Bevor 2012 "Les Is More" in die Laden-Theken wandert, fällt der Sänger mit Negativ-Schlagzeilen auf: 2010 kommt ihm in Köln sein Laptop abhanden. Via soziale Medien verspricht er dem Finder des Gerätes eine Belohnung von 20.000 US-Dollar. Dieses Angebot erhöht er kurze Zeit später auf eine Million. Der Handwerksmeister Augstein findet den entsprechenden Laptop und wartet seitdem auf seine Belohnung. Da sich Leslie trotz Gerichtsverfahren weigert, die Summe zu bezahlen, versteigert der Gerichtsvollzieher Leslies Cadillac. Er trickst und windet sich, meldet persönlichen Konkurs an und vertreibt seine Musik über eine neu gegründete Firma um nicht bezahlen zu müssen. Besonders im Hinblick auf Lyrics wie Man, I hope I get to see the pearly gates (Yeah) / Milli' now, 300 milli' before I'm 38 wirkt dieses Auftreten lächerlich.
In den Folgejahren versucht sich Leslie mehr und mehr von Management und Label-Strukuren loszueisen. Er richtet sein Smartphone so ein, dass ihm jederzeit jeder Fan schreiben kann und er auf einen Blick sieht, wie treu dieser Fan ist: Wieviele Platten hat er gekauft, wann war er wo und wie oft auf Konzerten etc. Je mehr Leslie an dem einzelnen verdient, desto größer ist auch der Kontakt zu demjenigen. Das klingt wie ein ausgefuchster Business-Deal und ist es auch. Der Erfolg gibt ihm recht, ebenso wie die Feststellung: "Welcher Fan bekommt schon eine persönliche Dankes-SMS von dem Künstler zugeschickt, nachdem er dessen Album erstanden hat?!"
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