laut.de-Kritik
Der Anzug aus Noise und Pop passt wie maßgeschneidert.
Review von Yan VogelEin weißer Anzug eignet sich recht schlecht für ausgedehnte Trecking-Touren. Zahlreiche Wolkenbrüche und Abkürzungen später scheint der Ärger vorprogrammiert: Mal davon abgesehen, dass die Optik zu einem tristen Look verkommt, steigen die Reinigungskosten in nervlicher und finanzieller Hinsicht ins Unermessliche.
Dabei vergisst man den Exotenbonus, den die durch Matsch und Eleganz synthetisierte neue Kreation zweifelsohne besitzt, auch wenn die Schar der geschmacklich sattelfesten Liebhaber ausgesprochen klein ist. Einen ähnlich schmuddeligen Anzug kleidet im übertragenen Sinne die Silversun Pickups, eine aus Los Angeles stammende Indierock-Kappelle.
Noise meets Pop; was die Genre-Vorreiter My Bloody Valentine teilweise noch trennten, diffundiert bei den Pickups zu einer einzigen Klangkulisse. Dennoch erscheint die Band auf den ersten Blick reichlich unspektakulär. Einzig Drummer Christopher Guanlao reißt insbesondere sich desöfteren vom Hocker, da sein Drumset ziemlich in die Höhe ragt und dessen Bearbeitung reichlich Sprungkraft erfordert.
Der Rest verschanzt sich mit einem gewaltigen Arsenal an Effekt-Pedalen vor den Verstärkertürmen - die Schublade Shoegazing beschreibt den Stil wohl am treffendsten. Kollektiv ergibt dies ein Abdriften in Sphären, die der Albumtitel in dialektischer Manier mit einschließt: Ohnmacht, Ekstase, Entrücktheit sind untrennbar miteinander verwoben.
College-Pop mit einem Schuss Düsternis und Melancholie; wem das zu unkonkret klingt, sei folgendes Gedankenspiel ans Herz gelegt: Pumpkins-Chef Corgan steigt bei Ash ein, die wiederum auf Effektbrettwahnsinn umgestiegen sind. Dahinter bezieht eine Frequenz-Armee Stellung, gestaffelt in monströse Gitarrenwände, sinfonische Streicher Mahlerschen Ausmaßes und ein vielfältiges Soundspektrum.
Die Streicher hobeln unbarmherzig und stumpf die Gitarrenriffs mit, nur um im nächsten Moment zur Tapete zu erstarren und süßlich schimmernd die Vocals mit ihrer Harmonie zu umgarnen. Die Veränderungen zum Vorgänger sind minimal und eher im Detail auszumachen. Der Sound klingt voluminöser, die Arrangements fallen ein wenig kompakter aus.
Die Musiker hingegen sind die selben: Brian Aubert frönt dem Effektbrettwahnsinn und schwebt mit seiner androgynen Stimme förmlich über dem Instrumentarium. Tastenmann Joe Lester surft auf seinem Synthesizer über die monströsen Orchester-Wellen und Lady Monninger spielt ihren Bass zwischen plump und filigran und setzt nebenher Auberts textlichen Beschreibungen von Weltschmerz und Co. mit schönen Backings die Krone auf.
"Growing Old Is Getting Old" offenbart en detail die Finesse, mit der die Band aus L.A. arbeitet: Kleine harmonische Schlenker, oftmals nur an einem Ton festzumachen, subtil, vertrackte Rhythmen und eine fantastische Klanglandschaft; bedrohlich, herrlich, herrisch, gezähmt von populären Elementen. Hier vermischen sich klassisch-sinfonische, latent jazzige, vordergründig poppige und dramatisch dem Musiktheater entlehnte Elemente zu einer wahrhaften Wall Of Sound.
Allenfalls findet eine Variierung in Tempo und Tonart statt. Das ist jedoch nicht negativ gemeint: Denn diese Arbeitsweise garantiert Kontinuität. Und von der Kontinuität einer bestimmten australischen Hardrock-Formation sind die Pickups noch meilenweit entfernt, tragen sie ihren Schmuddel-Anzug mit Eleganz ja auch erst zum zweiten Mal und wirken wie auf "Carnavas" ungezügelt und spannend, neben der herkömmlichen musikalischen Abendgarderobe.
5 Kommentare
Review is ja eher schäbig. Album wirklich klasse, übetrifft, meiner Meinung nach, jedoch nicht den Vorgänger auf dem, für mich zumindest, jetzt schon ein paar Klassiker zu finden waren
Tolle Band, unbedingt im Auge behalten.
Ja wie geil ist das denn!
'ne neue Silversun Pickups!
*freu*
Großartige Platte, die mit jedem mal hören besser wird (genauso wie der Vorgänger). Im Gegensatz zu "Carnavas" fehlen mir aber irgendwie solche Gassenhauer wie "Lazy Eye" oder "Future Foe Scenarios". So richtige Ohrwürmer halt.
Muss es noch ein paar mal hören. Wie gesagt, es wird immer besser
Also momentan meine absolute Lieblingsplatte (oh Gott - das liest sich als wär' ich 'n 13jähriges Teeniemädel ...).
Sei's drum - is' tatsächlich so ... also ersteres.
Muss mir gerade mindestens fünf mal täglich "Growing old is getting old" auf voller (naja - nich' ganz) Lautstärke reinziehen.
Wozu das hier?
Um Euch dieses klasse Album wieder ins Gedächtnis zu rufen - ganz einfach.
In diesem Sinne ...
ich kann mich grad garnicht an The Royal We satthören. ouh mann, wie toll ist diese platte. wie groß ist diese band!