5. September 2007
"K.I.Z. hätte ich auch gesignt"
Interview geführt von Philipp GässleinSelfmade Records gilt als Talentschmiede des deutschen Sprechgesangs, dieses Jahr will das Düsseldorfer Label den Thron von AggroBerlin und Ersguterjunge ankratzen. Mit laut.de unterhielt sich Gründer Slick One über Anfangstage und Zukunftsmusik seiner musikalischen Sprösslinge, seine eigenen Rapprojekte und die jüngste Verurteilung seines Shooting Stars Kollegah als Drogenhändler.Beim Vorgeplänkel zum Interview sorgt die vergleichsweise harmlose Frage nach den ungewöhnlichen Tour-Locations für Aufregung. Süddeutschlands Behörden sind der Grund für Slicks Verstimmung - denn die haben der deutschen Rapmusik kurzerhand wegen pauschal als jugendgefährdend abgeurteilter Inhalte den Krieg erklärt. "Obwohl wir kein einziges Lied auf dem Index haben", schimpft der Labelgründer und zeigt sich solidarisch mit K.I.Z., denen beim Rock am Ring 2007 ein ähnliches Schicksal widerfahren ist.
Back to 2005. "Schwarzes Gold" erscheint. War Selfmade damals eigentlich schon ein richtiges Label?
Ich würde sagen: Ja. Es war ein richtiges Label, hatte mit Favorite halt nur einen Künstler unter Vertrag. Zu dem Zeitpunkt war auch ein Flipstar-Soloalbum im Gespräch. Rizbo war als Produzent gesignt. Es waren halt die Anfänge.
Zwei Jahre vorher hatte die Pleite von Eimsbush der Hip Hop-Szene einen schweren Schlag versetzt, Flipstar selbst hatte mit Put Da Needle To The Records mehr als schlechte Erfahrungen gemacht. Gab euch das den Ansporn, es mal selbst und unabhängig zu versuchen?
Der ausschlaggebende Punkt war vielmehr, dass wir die damalige Szene einfach langweilig fanden. Wenn man AggroBerlin mal weglässt, waren die anderen Labels damals relativ gesettet, und wenn sie überhaupt eigenständige Labels waren, dann hatten sie Leute unter Vertrag, die die Labelbosse kannten. Mit Eimsbush oder Put Da Needle hat das eigentlich nichts zu tun, ich dachte mir, man müsse da mal Bewegung in die Szene bringen. Denn da draußen gab es genug Rapper, die richtig gut rappen, die aber durch die Strukturen der Labellandschaft nie zum Vorschein kommen.
Heute gilt Selfmade als die vielversprechendste Rap-Talentschmiede in Deutschland. Hast du selbst mit einem derartigen Erfolg gerechnet?
Ich hatte natürlich gehofft, dass das passiert. So was liegt immer im Auge des Betrachters: Nicht jeder teilt meinen Geschmack, und deswegen findet natürlich auch nicht jeder die Rapper gut, die ich signe. Aber ich freue mich auf jeden Fall, dass ich diese Sorte Künstler, die ich gesucht habe, gefunden habe, und dass diese Sorte Künstler so gut ankommt. Junge, talentierte, innovative Rapper, die auch das ganze Rapgame an sich um einige Facetten bereichern. Dass es im Endeffekt so einschlägt, damit kannst du nicht rechnen, darauf kannst du nur hoffen. Aber bisher hat mein Riecher sich bewährt - mal sehen, was die Zukunft so bringt. Wir haben noch einiges vor.
Wie kam es eigentlich zum Kontakt zwischen dir und deinen Rappern? Shiml kommt aus Bremen, Kollegah aus der Nähe von Mainz, das ist beides nicht gerade bei dir um die Ecke ...
Das lief über Umwege, auch bei Favorite. Bei dem hat die Freundin auf einem Konzert ein Demo auf die Bühne geworfen, danach hat unser Gitarrist ihn im Studio recorden gehört und ihn mir nahe gelegt, weil er auch wusste, dass ich solche Leute suche. Ich habe mir das im Internet angehört und fand das dann richtig geil. Shiml habe ich das erste Mal auf dem Demo eines anderen Künstlers gehört und mich nach ihm erkundigt. Kollegah wiederum war Shiml-Fan und hat einfach mal gemailt. Bei allen Rappern hab ich allerdings nur zwei, drei Stücke hören müssen, um überzeugt zu werden. Wir haben sehr viele andere Demos zugeschickt bekommen, auch von Rappern die jetzt auf anderen Labels gesignt sind, aber davon hat mich halt nichts umgehauen.
Nenn mal ein paar Namen.
Von den Rappern? Neee. Ich will ja keinen dissen hier (lacht). Aber es waren schon sechs, sieben, die jetzt bei anderen Labels sind.
"K.I.Z. hätte ich auch gesignt"
Auf dem ersten Sampler waren Leute wie Brenna und Desasta, Dike und OnAndOn vertreten, nicht gerade Leichtgewichte des Pott-Raps. Waren die, oder nicht zuletzt auch Jason, nicht enttäuscht, dass sie nicht auch gesignt wurden?Ich denke schon. In dem Moment, in dem du als Rapper kein Label hast und siehst, da macht jemand ganz gute Labelarbeit, dann willst du natürlich auch gesignt werden. Also ich finde die auch gut, ich würde nie sagen, dass die schlechte Musik machen. Wir verstehen uns, die sind sehr korrekt, und ich wünsche denen alles Gute, aber das war halt nicht die Sparte, die ich gesucht habe: jung, hungrig, talentiert und innovativ. Wenn diese Faktoren zusammen kommen, dann bin ich interessiert. Aber da gibt es halt sehr wenige. In der Backspin habe ich mal gesagt, dass K.I.Z. noch so eine Gruppe wäre, die ich gesignt hätte, weil das auf die alles zutrifft. Derzeit ist es mir aber enorm wichtig, dass alle Releases gleich gut behandelt werden und alle Künstler gleichermaßen gepusht werden, und das hätte man mit zehn Künstlern auch nicht bewerkstelligen können.
Auf dem Splash habt ihr euren Labelsampler "Chronik I" vorgestellt. Entsprechen die Verkäufe deinen Erwartungen?
In Hinsicht darauf, dass wir das erste Mal in den Trendcharts waren, schon. Das Ding verkauft sich auch besser als viele Alben der Konkurrenz. Aber letztendlich kann man nie zufrieden sein, zumal die Sommerverkäufe eh nie sehr stark sind.
Und wie stehts mit deinen Erwartungen bezüglich Kollegahs Debütalbum "Alphagene"?
Verkaufstechnisch erwarte ich mir sehr viel mehr als bisher, weil wir das ganze auch anders aufziehen werden. Beim letzten Album gab es einige Dinge, die wir der Öffentlichkeit noch nicht preisgegeben haben, was den Verkauf behindert hat. Dazu wird Kollegah in den nächsten Interviews auch etwas sagen. Das wird sich nicht wiederholen, daher glaube ich schon, dass es sich sehr gut verkaufen wird. Es gibt in Deutschland momentan niemanden mit einem größeren Hype als Kollegah, er hat die Untergrundschwelle überschritten, ich denke er wird langsam den Platz einnehmen, der ihm gebührt. So auch unsere anderen Künstler, die enorm zugelegt haben.
Wie beurteilst du Kollegahs kürzliche Verurteilung als Drogenhändler? In puncto Verkaufszahlen dürfte das ja noch mal einen ordentlichen Schub nach vorne geben...
Da ich nicht nur in Verkaufszahlen denke, ist das in erster Linie eine üble Sache. Mit ein wenig Pech wäre er jetzt hinter Gittern, und dann hätten wir natürlich ein Problem gehabt. Wir haben einige Rückfragen erhalten und die meisten gingen davon aus, dass es eine Promoaktion war. Leider ist dem nicht so. Die ganzen Auflagen, die er zu erfüllen hat, kann man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich wusste schon so einiges über seine Vergangenheit, deswegen war ich nicht schockiert, ich denke, er hat jetzt seine Lehren daraus gezogen.
Du hast einen Drogendealer, ein Waisenkind und einen Lyriker gesignt. Selber warst du Profibasketballer. Was kommt als nächste Überraschung?
Unser Produzent Rizbo hat mehr Vorstrafen als alle anderen zusammen. (lacht)
"Ich denke, Kollegah hat seine Lehren gezogen"
Seit wann ist Flipstar nicht mehr an der Labelarbeit beteiligt?Flip hat nie Labelarbeit gemacht. Er produziert halt, damals wie heute. Und obwohl er kein Teil der Geschäftsführung ist, frage ich ihn immer noch, was er von Songs hält oder von den Konzepten.
Und kann man musikalisch solo noch was von ihm erwarten?
Er hat ein paar Songs aufgenommen, die irgendwann auch in irgendeiner Weise veröffentlicht werden. Wie und wann wissen wir leider noch nicht. Ich finde allerdings, dass sie sehr gut geworden sind, allerdings nicht so raplastig, wie man das von ihm gewohnt ist.
Bei euch ist mit Jan Mehlhose (Gründer von Subword) ein erfahrener Mann in die Geschäftsführung mit eingstiegen. Wie wird sich das auf den Selfmade-Output auswirken?
Inhaltlich gar nicht. Das ist aber jemand, der natürlich Strategien kennt und mir in vielen Bereichen Möglichkeiten eröffnet, die vorher nicht in dieser Form bestanden. Das sind aber Dinge der Labelarbeit: Künstlerisch läuft alles wie gehabt.
Du willst im kommenden Monat dein Studium abschließen. Gibt es danach auch eine Großoffensive von Slick One als Rapper?
Ich denke, erst mal eher nicht. Derzeit bin ich zu stark in Labelarbeit eingebunden. Ich habe vor, irgendwann ein Album zu releasen, aber einen Zeitpunkt zu nennen, wäre jetzt falsch. Derzeit ist mein Hauptaugenmerk darauf gerichtet, die jungen Künstler noch stärker zu etablieren. Ich mache den ein oder anderen Featuretrack, wenn ich Lust und Zeit habe.
Was steht bei Selfmade in nächster Zeit an?
Das nächste Album ist Kollegahs "Alphagene" am 16.11., das wird ein Klassiker. Dazu geht Selfmade noch auf Tour, durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Vom 18.10. bis zum 2.11., inklusive eines "Alphagene"-Specials. Das Programm wird 2,5 Stunden gehen. Danach stehen die Alben von Shiml und Favorite an.
Ich danke für das Interview!
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