24. September 2025

"I fucking love Trent Reznor"

Interview geführt von

Wer sie im Sommer in Köln und Berlin live erlebt hat, weiß: Die 20-jährige US-Musikerin Sofia Isella ist auf dem Sprung nach ganz oben.

Sofia Isella zählt derzeit zu den spannendsten Pop-Musikerinnen der USA. Hierzulande steht die 20-jährige noch vor dem großen Durchbruch, könnte aber bald der nächste Star einer neuen Generation sein. Ihre zwei deutschen Gastspiele der "You'll understand, Dick"-Tour in Köln und Berlin wurden in diesem Sommer beide in größere Hallen hochverlegt - in die Live Music Hall und ins Metropol. Auch dort hieß es kurz darauf: Ausverkauft.

Die klassisch ausgebildete Geigerin und Songwriterin begeistert mit einem ganz eigenen Mix aus düsterem Folk-Goth und Indie-Pop. Als musikalische Einflüsse zählt sie Nine Inch Nails, Beck und Taylor Swift auf. Ihr verdankt sie auch ihren bisher größten Auftritt: 2024 stand Isella als Support der "Eras Tour" im Londoner Wembley Stadion auf der Bühne. Nachdem ein geplantes Interview am Rande ihres Gastspiels in Köln kurzfristig ausfallen musste, beantwortete die Musikerin unsere Fragen nach Abschluss ihrer Europa-Tournee in Glasgow per Mail.

Sofia, du warst gerade in Europa unterwegs. Erlaubt dir dein Zeitplan denn die ein oder andere Stadtbesichtigung? Gab es Dinge, die du auf alle Fälle sehen wolltest, vielleicht den Kölner Dom?

Sofia: Ich weiß oft kaum, in welcher Stadt ich bin. Kürzlich war ich so verwirrt, dass ich dachte, ich wäre in den USA und fragte mich, von welchem ​​Staat Amsterdam die Hauptstadt sei.

Du bist in deiner Kindheit oft umgezogen. Hat dich das Leben auf der Straße als Person geprägt und vielleicht dabei geholfen, deine Kunst zu formen?

Es ist der Domino-Effekt des stetigen Reisens, was bedeutet, dass ich zu Hause unterrichtet wurde. So hatte ich die Zeit, drei Lieder pro Tag zu schreiben und hatte so viel Langeweile wie ich wollte.

Deine Einflüsse sind sehr verschieden. Welchem/r Künstler*in würdest du den größten Einfluss zuschreiben?

Mich beeinflussen vor allem Dichterinnen und Schriftstellerinnen. Ich liebe Anne Sexton, Sylvia Plath, Margaret Atwood und Mona Awad.

Songs wie "Sex Concept" und "Crowd Caffeine" haben einen düsteren Instrumentalsound, der mich ein wenig an Nine Inch Nails erinnert. Passt dir der Vergleich oder empfindest du so etwas als einschränkend?

I fucking love Trent Reznor.

In ähnlicher Weise erinnert mich der Song "Orchestrated, Wet, Verboten" an PJ Harvey – eine meiner liebsten Künstlerinnen. Du fühlst dich öfter zu dunkleren Themen hingezogen. Was reizt dich an diesen schattigeren Stimmungen?

Sie fühlen sich ehrlicher an.

Du meintest einmal, dass du skeptisch gegenüber Technologie bist. Das höre ich von vielen Menschen aus deiner Generation. Ich bin 45 und gebe zu, dass ich das Chaos der "Italian Brainrot"-Memes liebe, aber danach fühle ich mich übersättigt und leer. Du wirkst da geerdeter.

Ich kämpfe damit jeden Tag. Es ist eine fürchterliche Sucht und ich versuche von ihr loszukommen.

Ich kann mir einen Tag ohne Internet kaum vorstellen, auch weil es stark mit meiner Arbeit verwoben ist. Wie gelingt es dir, davon Abstand zu nehmen und spielt das Songwriting dabei eine Rolle?

Das Songwriting ist der Grund, warum ich versuche, davon loszukommen. Ich brauche das Gehirn. Ich brauche Langeweile und das Fehlen übermäßiger Stimulation.

"'The Handmaid's Tale' hat mir mehr zugesetzt als jeder Gore-Film"

Auf YouTube gibt es einige Reaction-Videos zu deinen Songs, aber die Kommentarspalte dazu finde ich fast noch faszinierender. Dort schrieb jemand: "Ich liebe Sofias Musik. Sie klingt, als würde sie während eines Songs sterben, weil unsere Form der Gesellschaft unsere Frauen tötet." Was denkst du über diese Interpretation deiner Musik?

Ich verstehe das. Ich versuche stets, in meiner Musik Freude oder Humor zu finden, aber ich verfalle leicht in Wut.

Du bist online immer noch ein kleines Mysterium. Ist das Absicht? Verhältst du dich auf TikTok bewusst bedeckt, um ein wenig Spannung aufrecht zu erhalten?

Ich rede nicht gern über mich. Interviews meide ich generell. Es fühlt sich an, als würde ich mir Zähne ziehen und meinen Kopf wiederholt in einen Smoothie-Mixer stecken, während mir Stiere die Beine auseinanderreißen (nichts für ungut).

Du bist auch ein Horrorfan. Spiegelt das Genre unsere heutige Zeit mit all ihren realen Bedrohungen vielleicht besser wider als andere? Filme wie "Midsommar", "Pearl" und "Don't Worry Darling" behandeln außerdem Themen wie weibliche Stärke und Wut.

"The Handmaid's Tale" ("Die Geschichte der Dienerin") hat mich sehr verstört und mir beim Anschauen mehr zugesetzt als jeder Gore-Film. Es war zu real. Ich bin zu der Stelle gesprungen, an der sie entkam, und habe dann ausgemacht.

"Ich kritisiere nicht speziell Männer"

In "Everybody Supports Women" kritisierst du Männer, die sich als Feministen bezeichnen, aber empört reagieren, sobald eine Frau sie beruflich in den Schatten stellt. Hast du diese Lektion selbst beobachtet oder gar erlebt?

Ich kritisiere nicht speziell Männer, sondern alle. Frauen tun das auch. Ich weiß seit meiner Kindheit, dass die Welt so funktioniert. Wenn man im Leben erfolgreich sein will, kann man das nicht vermeiden.

Deine Familie scheint eine wichtige Rolle in deinem Leben zu spielen. Wie wichtig ist dir diese Bodenhaftung?

Meine Familie ist ein großer Teil meines Lebens. Wir sind die lustigsten Menschen auf dem Planeten. Besonders eng bin ich mit meiner Mutter.

Letzte Frage: Was läuft gerade in deiner Playlist?

Die neue Deftones-Platte.

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