laut.de-Biographie
Sonic Youth
New York anno 1981: Punk is dead, New Wave ist angesagt. Thurston Moore und seine Freundin (und spätere Ehegattin) Kim Gordon schließen sich mit Lee Ranaldo zu Sonic Youth zusammen, um den Begriff Noise neu zu definieren. Nicht als Band, sondern als avantgardistisches Projekt, in dem jedes Mitglied seinen eigenständigen Part einnimmt. Vor allem beim Songwriting und Gesang. Man verzichtet dabei auf gestimmte Gitarren und experimentiert lieber mit schrägen Feedbacks und Dissonanzen herum. Die Songs entstehen bei Sessions aus der Improvisation heraus, die Lyrics folgen später.
Als Vorbilder gelten die Stooges oder Velvet Underground, die sich schon viel früher an Experimentalkrach versuchen. Steve Shelley übernimmt 1985 die Drumsticks. Zu dieser Zeit erscheint "Bad Moon Rising", für das die Sonics erstmals die Struktur herkömmlicher Popsongs aufgreifen und damit in der Presse hochgelobt werden.
Ihren wahren Durchbruch feiern sie 1988 mit dem stilbildenden Noise-Klassiker "Daydream Nation", dem Album mit dem berühmten Gerhard Richter-Cover, gleichzeitig die letzte Veröffentlichung auf einem Indie-Label. Die Hymne "Teenage Riot" entwickelt sich zu einem College-Radio-Hit. 1990 unterschreiben sie dann bei Geffen ihren ersten Major-Deal. Dort erscheint "Goo", ein weiteres Meisterstück voller Krach-Ästhetik und wilder Melodie. Und als auch die von Moore protegierten Nirvana in die Charts aufsteigen, gelten Sonic Youth endgültig als Godfathers (and -mothers) of Alternative Rock. In den Folgejahren installieren die Vier ihr eigenes Studio in New York und basteln dort an immer neuen Klangexperimenten.
Nach einer Straße in Südmanhattan, in welcher sich das Studio befindet und die nur einen Block von Ground Zero entfernt liegt, benennen Kim Gordon & Co. auch ihr 2002er Album. "Murray St.", eigentlich schon im August 2001 begonnen, lag nach der Komplettsperrung rund um Ground Zero einige Monate auf Eis, bis man Sonic Youth wieder ins leicht verstaubte Studio ließ, wo sie ihrem Album den richtigen Schliff gaben.
Auf dieser Scheibe begeben sich Sonic Youth in einen deutlichen Gegensatz zu einem Großteil ihrer Landsmänner, die jegliche Nachdenklichkeit mit martialischem Säbelrasseln zu übertönen suchen. Wer sich die Mühe macht und die teilweise recht langen Tracks an sich heran lässt, wird schnell feststellen, dass aus dem Staub von New York ein neuer Rock'n'Roll erwachsen ist.
Auch der Album-Nachfolger "Sonic Nurse" zielt in diese Richtung: weniger Noise- und Feedback-Attacken, dafür genügend Sinn und Raum für zarte Melodien und großartige Vocals. Kim Gordon, Thurston Moore und Co. klingen auch 2004 noch absolut einzigartig in der Gitarrenlandschaft. Obs an Jim O'Rourke gelegen hat? Der Langzeit-Freund war bei den Aufnahmen zu "Sonic Nurse" für die Vibrations zuständig. Fast zeitgleich erscheint mit der "Corporate Ghost"-DVD auch erstmals eine Video-Kollektion, die den visuellen Output der lärmenden Fünf seit 1990 gründlich aufarbeitet.
Ende 2005 zieht sich Jim O'Rourke aus dem Sonic Youth-Dunstkreis wieder zurück, um sich dem Japanischstudium zu widmen. Inzwischen haben Sonic Youth an einem neuen Album gefeilt und zeigen sich im Frühsommer 2006 von ihrer melodiösesten Seite. Sie erfüllen damit ihren Vertrag mit Geffen Records und veröffentlichen ihr letztes Album "Rather Ripped" unter diesem Label. Die laut.de-Redaktion sieht darin den besten Release seit "Goo".
Kurz vor Weihnachten erscheint dann "The Destroyed Room", was den Schluss nahelegt, dass der Vertrag mit Geffen doch noch nicht ganz erfüllt war. Die zwölf Songs bilden eine Raritätensammlung aus allen Phasen ihrer Geffen-Zeit, gehen daher also prima als Abschiedsvorstellung vom Label durch. Lieblos zusammen gestellt ist die Platte aber keineswegs, die Band hörte sich höchstselbst durch sämtliche alten Aufnahmen. "The Eternal" heißt dann das erste Post-Geffen-Album. Thurston Moore beschreibt den Matador-Release gegenüber dem Blender Magazine als "our most killer rock and roll album".
Besonderes Aufsehen erregen Sonic Youth in den ausgehenden Nullerjahren auch mit weltweiten Gigs, auf denen sie ihr Kultalbum "Daydream Nation" (1988) von Anfang bis Ende vortragen. Gleichzeitig erscheint dieses Album wie zuvor schon "Dirty" und "Goo" in einer remasterten Neuauflage als Doppel-CD mit dem kompletten Album zusätzlich in der Live-Version plus Coverversionen von Mudhoney ("Touch Me I'm Sick"), Neil Young ("Computer Age"), Captain Beefheart ("Electricity") und den Beatles ("Within You Without You").
2011 geben Kim Gordon und Thurston Moore dann nach 27 Jahren ihr Ehe-Aus bekannt - eine verdammt lange Zeit, wenn man bedenkt, wie eng Privates und Beruf bei ihnen verknüpft sind. Lee Ranaldo zufolge liegt die Band damit erst mal auf Eis. Dafür arbeiten sämtliche Mitglieder an Soloprojekten weiter. Moore findet neben seinen Black Metal-Bands Twilight und Caught On Tape noch Zeit für ein Soloalbum (2014) und die Alternative-Band Chelsea Light Moving.
Dass Sonic Youth endgültig Geschichte sind, erfährt die Öffentlichkeit spätestens 2015 mit Kim Gordons Buch-Veröffentlichung "Girl In A Band". Darin beschreibt sie, dass ein Seitensprungs ihres Ex-Mannes zur Trennung führte. Diese über zwei Jahre währende, absurd-filmreife Soap-Story handelt sie jedoch vergleichsweise knapp ab und konzentriert sich vielmehr auf faszinierende Beobachtungen des Los Angeles ihrer Kindheit in den 60er Jahren, Erlebnisse aus Hongkong und Hawaii, wo sie aufgrund der Profession ihres Vaters eine Zeit lang lebte oder ihre Gefühle für die zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten ihres älteren, an paranoider Schizophrenie leidenden Bruders Keller. Mit Bill Nace veröffentlicht Kim Gordon zwischen 2013 und 2018 zwei Alben und einige EPs als Body/Head, 2019 dann ihr Solo-Debüt "No Home Record".
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