laut.de-Kritik
Schlampen und Schwuchteln, vereinigt euch!
Review von Dani FrommWenn sich Schlampen und Schwuchteln zusammen tun und verkünden: "Wir reden jetzt!" - dann darf das zumindest der verknöcherte Rest der Rap-Szene gerne als eine Drohung auffassen. "Ich pack' dich am Rest deiner Männlichkeit und spiegel' den Scheiß, bis du endlich begreifst."
Beim einen oder anderen könnte es mit dem Begreifen länger dauern. Zu umfassend dürfte vermutlich die Irritation sein, die Sookees kompromissloses Über-den-Haufen-Rennen eingefahrener Sichtweisen in der Szene hinterlässt. "Mein Herz und meine Kehle schreien es raus / Wir nehmen diese Scheiße nicht mehr in Kauf!"
Dabei erzählt "Bitches, Butches, Dykes & Divas" - wie unzählige Deutschrap-Veröffentlichungen zuvor - von der Liebe zum Rap ("Wordnerd"), den Vorbereitungen auf eine lange Clubnacht ("D.R.A.G."), schmerzhaften Erfahrungen ("Aua") und saftigen Sexphantasien ("Reibung", "Siebenmeilenhighheels").
Beileibe nichts Neues, würden die Zeilen nicht Mund, Herz und Hirn einer Frau entspringen, die nicht die Spur gewillt ist, sich ins herrschende Geschlechterbild zu integrieren. Wozu auch? "Purpleize Hiphop", lautet das Ziel. Sookee is "Working On Wonderland".
Perfide deckt "Einige Meiner Besten Freunde Sind Männer" den Alltags-Sexismus auf, der selbst in Kreisen grassiert, die sich für mordsaufgeklärt, subversiv und selbstironisch halten. Reichlich Kritik am deutschen Schulsystem steckt in "In Der Ferne Bildungsnähe".
Sookee kritisiert allerdings nicht nur, sondern fasst sich auch an die eigene Nase: In "Lernprozess II" nimmt sie ihr früheres Schaffen unter die Lupe und seziert minutiös, was man wie hätte besser machen können. Ein bisschen Selbstreflektion stünde zweifellos auch manchem Kollegen gut zu Gesicht.
So wenig viele andere die Bedeutung ihrer Aussagen hinterfragen, so genau geht Sookee ihren Worten auf den Grund. Dies und ihre - im netten Kontrast zur Berliner Schnauze - ausgesprochen akademische Ausdrucksweise strengen zweifellos an. Den einen oder anderen Hörer dürfte das abschrecken. "We don't imitate, we intimidate."
Sookee bildet tatsächlich ein Gegengewicht zu der hemmungslosen Hirnlosigkeit, mit der man sich tagtäglich konfrontiert sieht, trifft mit ihren Zeilen die Nägel gleich dutzendweise auf die Köpfe. Ihre Texte hat die Berlinerin mühelos im Griff.
Im Gegensatz zum Gros der ohnehin zu wenigen Kolleginnen am Mic hat sie es auch raptechnisch durchaus drauf. Ihrem Vortrag, den sie zuweilen auch - und genau so präzise - in doppelter Geschwindigkeit abfeuert, mangelt es allerdings enorm an Variantenreichtum.
Auf Dauer wirkt nämlich recht monoton, was Sookee von sich gibt. Der zauberhafte Spoken Word-Ausflug in "Deine Hände", den zirpende Insekten, sachte, aber dennoch unheilvolle Streicher und ein träger Bass begleiten, bildet da eine willkommene Abwechslung.
Die dunklen Beats dagegen präsentieren sich stimmig, in ihrer Nähe zu Dancehall und Drum'n'Bass durchaus tanzbar und vielfältig. Der quakende Sound des Titeltracks fährt ebenso in die Beine wie die bassige Grundlage von "Zeckenrapsupport". Leichtfüßig hüpft "Lernprozess II" an Abgründen entlang, ehe der Bass lässig in Richtung "Wonderland" groovt.
"Ich bin eigentlich kein Rapper, ich bin eigentlich ein Punk", rechtfertigt sich Captain Gips in "Zeckenrapsupport". Sein Fazit dürfte den Tenor der Reaktionen vom piefigen Deutschrap-Männerstammtisch vorweg nehmen: "Keiner von euch mag eine so gut wie Sookee, keiner von euch mag eine so klug wie Sookee."
1 Kommentar
Nur 3 Punkte? Da wär aber mehr drin gewesen wenn ich so sehe was hier 4 oder 5 Punkte bekommt
Ich würde 4 geben...