laut.de-Biographie
Spice Girls
Schon komisch, diese englische Musikpresse. Mitte der Neunziger hatten die Damen und Herren nichts besseres zu tun, als jeden Wort gewordenen Furz von Blur und Oasis zum philosophischen Statement aufzublasen. Über diese Hysterie hätten sie fast ein Phänomen verschlafen: die Spice Girls.
Anfang 1994 werden in London, wie schon bei Boybands geschehen, schöne Menschen gecastet, um daraus ein kommerziell verwertbares Produkt zu erschaffen. Bob Herberts und dessen Sohn Chris, die schon für die mittlerweile in Vergessenheit geratenen Bros verantwortlich zeichneten, sichten exzessiv englische Mädels. Warum sollte sich der Erfolg einer Boyband durch Hinzunahme des weiblichen Sex-Appeals nicht verdoppeln lassen?
Touch, wie die Spice Girls zuerst heißen, bestehen aus Geraldine Halliwell, Melanie Janine Brown, Melanie Jayne Chisholm, Victoria Beckham (geborene Adams) und Michelle Stephenson. Ups, wer ist denn Michelle Stephenson? Hm, nicht so wichtig, denn die scheidet bereits Juli 1994 aus und wird durch Emma Lee Bunton ersetzt. Die Farbenfrohheit dieser zusammengewürfelten Truppe ist durchaus gewollt, jedem Girl wird ein Attribut verpasst, mit dem sich die Fans später identifizieren sollen. Ob "Scary", "Baby", "Ginger", "Sporty" oder "Posh", es ist für jeden etwas dabei.
Während die Mädels zwecks Vorbereitung auf den großen Coup in Klausur gehen und ihre (schon vorhandenen) Talente trainieren, muss irgendwie der Virus der Rebellion ausgebrochen sein, denn sie verpassen ihren "Entdeckern" Vater und Sohn Herberts kurzerhand einen eleganten Tritt in den Hintern und ersetzen die beiden durch den Medienprofi Simon Fuller (Manager von Annie Lennox). Fuller gibt nicht sehr viel auf die musikalischen Fähigkeiten der fünf und zieht verschiedene Songschreiber und Texter aus dem Hut, die den Spice Girls einen Anzug nach Maß verpassen.
Der Rest ist bekannt. "Wannabe" schnellt von Null auf Eins in die britischen Charts und auch der Rest der Welt wird vom Spice Girls-Fieber gepackt. Bald nach der Veröffentlichung des Debütalbums "Spice" gibt es alles mit dem Konterfei der Mädels zu kaufen, was man sich nur vorstellen kann. Merchandising in Perfektion nennt man das wohl, aber das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.
1997 verläuft nicht weniger ereignisreich. Ein Film und eine weitere Platte ("Spice World") erscheinen, aber mittlerweile scheint die Fangemeinde etwas gesättigt zu sein. Sinkende Absatzzahlen und die Gerüchte um ein Verhältnis zwischen Emma Bunton und Manager Fuller lassen den Eindruck aufkommen, dass längst nicht mehr alles mit geballter Girl-Power voran geht. Fuller wird entlassen und 1998 steigt schließlich auch noch Geri Halliwell aus, um ihren eigenen Weg zu gehen.
In der Folgezeit geistern die Spice Girls eher durch die Klatschspalten der britischen Boulevard-Presse als durch die Hitparaden, wenn man einmal von den erfolgreichen Gehversuchen von Mel C absieht. Victoria Adams und David Beckham outen sich als Super-Exzentriker und Mel Bs Brüste scheinen von größerem Interesse zu sein, als das 2000 erscheinende Spice Girls-Album "Forever".
Nachdem die Scheibe sich nur schlecht verkauft, gehen die Mitglieder der Spice Girls eigene Wege und versuchen, sich als Solokünstlerinnen zu etablieren. Einigermaßen erfolgreich ist dabei allerdings nur Mel C, und jene ist es auch, die sich lange einer Reunion verweigert. Ab 2004 bemüht sich Simon Fuller darum, die fünf wieder zusammen zu bringen.
Mitte 2007 einigt man sich nach langem Hin und Her endlich auf eine Welttour, die im Dezember starten und die Spice Girls um die ganze Welt führt. Die Damen betonen aber, dass die Reunion-Tour kein Neustart sei, sondern lediglich ein endgültiges Good Bye. Das ergibt Sinn: Immerhin haben die Spice Girls sich nie offiziell aufgelöst. Dessen ungeachtet veröffentlichen Geri, Emma und Mel B. als GEM zur Feier des 20. Jubiläums von "Wannabe" im November 2016 ihre neue Single "Song For Her".
2018 kommt ein zweites Comeback der Girls ins Gespräch. Mittlerweile sind sie alle um die 40 Jahre und haben Familie, eine eigene Modelinie (Posh Spice) Bücher geschrieben (Geri), sind als Radiomoderatorin (Emma) oder solo (Mel C.) erfolgreich unterwegs. Nach der weltweiten #MeToo-Kampagne wäre eine Wiedervereinigung gar nicht mal so unklug. Die Spice Girls stehen, trotz wiederholter Kritik, für die Rechte der Frauen und erinnern mit ihrem Hit "Wannabe" immer wieder daran. Doch letztlich geht es natürlich um die Millionen.
Nach einigem Hin und Her vor allem um die Teilnahme von Victoria Beckham kündigen die Spice Girls im November auf ihrer FB-Seite sechs Konzerte in Großbritannien an: die Reunion-Tour beginnt am 1. Juni 2019 in Manchester und endet am 15. Juni im Wembley Stadium in London. Victoria Beckham ist nicht dabei, statt dessen ist Jess Glynne als 'Special Guest' angekündigt. Die Sängerin von Clean Bandit wird vermutlich die Parts singen, die ursprünglich Victoria Beckham zugedacht waren.
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