laut.de-Kritik

Immer noch in Illinoise ...

Review von

Es ist gerade mal ein gutes Jahr her, dass Sufjan Stevens zweite Platte des Amerika-Zyklus "Illinoise" erschienen ist, und nun schon wieder neues Material. Dem ehrgeizigen Songwriter, der sich zur Aufgabe gemacht hat, jedem der fünfzig US-Bundesstaaten ein musikalisches Denkmal zu setzen, wünscht man ja gerne alles Gute für sein Unterfangen. Beim zweiten Blick aber stutzt der geneigte Hörer, denn "The Avalanche" tanzt aus der Reihe.

Die CD, mit fast 76 Minuten Spielzeit und 21 Songs nahezu randvoll gepackt, ist eine Sammlung von Outtakes und Extras, schamlos kompiliert von Stevens himself, wie das Cover verrät. Anstatt also Bundesstaat Nummer drei in Angriff zu nehmen, lässt uns Stevens an Altbackenem teilhaben.

Fast ist man da versucht, die Platte müde abwinkend in die Ecke zu legen, doch hat man die Scheibe einmal gehört, stellt man fest: dieser Silberling hat es in sich. Die Feststellung, die Kollegin Fromm zur letztjährigen Release traf, dass Stevens ein "verdammtes Orchester" sei, gilt nach wie vor.

Aber dieses "Orchester" ist auch noch so talentiert, dass er es schafft, ein hochkarätiges Album mit 22 Titeln aufzunehmen, um dann noch mal 21 Songs übrig zu haben, unter denen kein wirkliches Lowlight ist. Stevens schreibt seine amerikanische Saga nach eigenen Regeln fort und verweilt mit uns in Illinois.

Der eröffnende Titeltrack ist eine dieser ruhigen Nummern mit akustischer Gitarre und Klavierbegleitung, die einen mehrschichtigen Stevens-typischen Sound schaffen, der so warm und voll klingt, dass man am liebsten darin badete. Zwischendrin machen die Illinoisemakers, seine Begleitband, ihrem Namen alle Ehre.

Man fühlt sich immer an eine ambitionierte Musical-Inszenierung einer guten Kleinstadtbühne erinnert, wenn man Sufjan Stevens lauscht. Oder an eine Marching Band, die den Summer Of Love wieder aufleben lässt. Immer harmonisch, aber immer mit einem distinkten, eigenständigen Sound, taucht man mit Stevens und Band in eine ganz eigene Klangwelt ein. Die einzigen Wiederholungen, die drei alternativen Versionen des großartigen "Chicago" von "Illinoise", sind in Wirklichkeit gar keine Wiederholungen, sondern völlig eigenständige Songs mit der gleichen Melodie.

Gerade diese Songs unterstreichen die nicht zu bändigende Kreativität des gebürtigen Detroiters. Und so unterhält "The Avalanche", auf dessen Cover Stevens übrigens selbstironisch die Tatsache reflektiert, dass er für sein "Illinoise"-Album den Superman, der das Original-Artwork zierte, vom Cover nehmen musste, über die volle Distanz und verkürzt und erschwert gleichzeitig das Warten auf den dritten Streich der unpatriotisch patriotischen Serie.

Trackliste

  1. 1. The Avalanche
  2. 2. Dear Mr. Supercomputer
  3. 3. Adlai Stevenson
  4. 4. The Vivian Girls Are Visited In The Night By Saint Dargarius And His Squadron Of Benevolent Butterflies
  5. 5. Chicago (Acoustic Version)
  6. 6. The Henney Buggy Band
  7. 7. Saul Bellow
  8. 8. Carlyle Lake
  9. 9. Springfield, Or Bobby Got A Shadfly Caught In His Hair
  10. 10. The Mistress Witch From McClure (Or, The Mind That Knows Itself)
  11. 11. Korsakia River
  12. 12. Chicago (Adult Contemporary Easy Listening Version)
  13. 13. Inaugural Pop Music For Jane Margaret Byrne
  14. 14. No Man's Land
  15. 15. The Palm Sunday Tornado Hits Crystal Lake
  16. 16. The Pick-Up
  17. 17. The Perpetual Self, Or
  18. 18. For Clyde Tombaugh
  19. 19. Chicago (Multiple Personality Disorder Version)
  20. 20. Pittsfield
  21. 21. The Undivided Self (For Eppie And Popo)

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