laut.de-Biographie
Suzanne Vega
"Ich würde sagen, dass ich ein zurückhaltendes Leben führe. Es ist nicht so unschuldig, wie es scheint, aber schon ziemlich zurückhaltend. Das kommt daher, dass ich in Orten aufgewachsen bin, die nicht gerade unschuldig waren. Deshalb verspüre ich die Notwendigkeit, gewisse Dinge deutlich anzusprechen. Ich fühle mich als Teil dieser Welt und versuche, sie in ihrer Realität zu betrachten", erzählt Suzanne Vega im Gespräch mit Leonard Cohen. Ihre klare, jugendliche Stimme, gekoppelt mit poetischen Texten, die auch vor Tabuthemen nicht zurück schrecken, haben sie zu einer der einflussreichsten zeitgenössischen Singer/Songwriterinnen gemacht.
1959 in Los Angeles geboren, zieht Vega mit ihrer Familie zu Beginn der 60er Jahre in ein puertorikanisches Viertel von New York. Mit neun erfährt sie, dass ihr lateinamerikanischer Vater nicht ihr Erzeuger ist, und stürzt in eine lange anhaltende Identitätskrise. Die Nachricht "zwang mich dazu, meine Persönlichkeit neu aufzubauen. Als halbe Puertorikanerin fühlte ich mich wohl, ich war stolz drauf ... plötzlich heraus zu finden, dass ich eigentlich weiß war, war ein Schock", erzählt sie in einem Interview.
Von ihrem Stiefvater ermutigt, lernt sie schon als Kind Gitarre zu spielen und eigene Texte zu verfassen. Sie besucht ein Kunstgymnasium und strebt nach einem Abschluss als Tänzerin, beginnt jedoch, in verschiedenen Cafés der Stadt aufzutreten. 1979 hat sie ein Aha-Erlebnis, als sie ein Konzert von Lou Reed besucht. "Er war der erste Performer, den ich gesehen hatte, der die Lebensweise seiner Umgebung verstand und thematisierte. Er sang auch von schwierigen Wohnverhältnisse und gewalttätigen Nachbarn", erinnert sie sich. Reeds einfache und schnörkellose, gleichzeitig aber stark visuellen Texte beeinflussen sie nachhaltig.
Während sie ein Englischstudium am Barnard College absolviert, zieht sie mit ihren Auftritten und Stücken immer mehr Aufmerksamkeit auf sich. Schließlich unterschreibt sie einen Plattenvertrag und veröffentlicht einen Teil ihres Materials auf "Suzanne Vega" (1985). "Die frischeste und klarste Stimme aus New York unserer Zeit", schreibt ein Kritiker über sie, und spricht eine Meinung aus, die viele teilen. Das Album verkauft sich auch außerhalb der USA sehr gut und landet in England mit der Single "Marlene On The Wall" einen Hit.
Der endgültige Durchbruch gelingt ihr mit "Solitude Standing" (1987), auf dem eine Band ihre Gitarre und Stimme dezent begleitet. Neben "Gypsy", "Calypso" oder "Language" enthält es auch "Luka", das Lied, das Vega nachhaltig definiert: Einerseits besticht es durch seine einfache Melodie und die warme, jedoch distanzierte Stimme, andererseits handelt es von einem neunjährigen Jungen, der von seinen Eltern missbraucht wird.
Ihr größter Erfolg kommt eher zufällig zustande, als die britischen DJs DNA den A Capella-Opener des Albums, "Tom's Diner", mit Techno-Beats versehen. Das Ergebnis gefällt Vegas Label so gut, dass es von einer Klage absieht und das Duo unter Vertrag nimmt. 1990 hält sich das Stück wochenlang in den oberen Etagen der Charts und führt zu einem gleichnamigen Album, das verschiedene Remixe erhält.
Ihren Bekanntheitsgrad nutzt Vega für allerlei gemeinnützige Zwecke: Neben ihrer Unterstützung für wohltätige Vereine tritt sie in den folgenden Jahren auch bei einem Benefizkonzert Luciano Pavarottis in Modena sowie beim Frauenfestival Lilith Fair auf.
Nach einer Zusammenarbeit mit dem Komponisten Philip Glass und dem eher enttäuschenden Drittling "Days Of The Open Hand" (1990), wagt sie mit "99.9°F" (1992) einen Wechsel: Von ihrem zukünftigen Ehemann Mitchell Froom produziert, enthält das Album auch elektronische Klänge und ist stellenweise sogar tanzbar. Der Wandel schreckt ihr Stammpublikum eher ab, ihr kommerzieller Stern beginnt zu sinken. Zwar bleibt ihr Name beim großen Publikum in Erinnerung, ihr Ruhm ist fortan aber weitgehend mit ihrem frühen Material verbunden.
Nach der Hochzeit und der Geburt ihres ersten Kindes meldet sie sich 1996 mit "Nine Objects Of Desire" wieder. In ihrem bis dahin ambitionsreichsten Projekt verschmilzt sie ihre Folk-Wurzeln mit Jazz-Elementen und Night Club-Atmosphären; passend dazu wagt sie sich auch an anrüchigere Themen wie lesbische Liebe. Anschließend zieht sie sich ein zweites Mal zurück und veröffentlicht 1999 eine Sammlung an Gedichten, Songtexten und Essays ("The Passionate Eye: The Collected Writing of Suzanne Vega").
"Songs In Red And Grey" (2001) entsteht nach der Scheidung von ihrem Ehemann und erscheint zwei Wochen nach 9/11. Zwar verwendet sie auch diesmal elektronische Mittel, musikalisch knüpft sie aber wieder stärker an ihre Alben aus den 80er Jahren an. Mit dieser Rückbesinnung stößt sie bei den alten Fans auf freudigen Anklang.
2006 heiratet Vega ihren Jugendfreund Paul Mills und ist die erste namhafte Musikerin, die in Form eines Avatars beim gerade sehr populären Online-Spiel Second Life ein Konzert gibt. 2007 erscheint bei Blue Note ihr siebtes ALbum "Beauty & Crime" (2007), das sich mit Geschichten und persönlichen Erfahrungen rund um New York beschäftigt.
Der Anklang ist groß, der kommerzielle Erfolg hält sich jedoch in Grenzen, weshalb der Vertrag nach nur einer Platte wieder Geschichte ist. Vega gründet daraufhin ein eigenes Label Amanuensis Productions und beginnt, ihr Werk neu aufzunehmen. Einerseits, um es vom zum Teil überholten Soundballast zu befreien, andererseits, um sich die Rechte über diese Aufnahmen (und die Stücke) zu sichern. Thematisch sortiert, präsentiert sie alte und zum Teil noch unbekannte Lieder auf insgesamt vier CDs mit dem Titel "Close-Up", die zwischen 2010 und 2012 erscheinen.
2014 erscheint mit "Tales From The Realm Of The Queen Of Pentacles" ein Album mit neuen Stücken. Ein noch größeres Projekt ist ihr Theaterstück "Carson McCullers Talks About Love", das sie 2011 off Broadway in New York mich sich selbst in der Hauptrolle aufführt. Eine Aufnahme der Lieder, die sie darin singt, erscheint 2016 mit dem Titel "Lover, Beloved: Songs From An Evening With Carson McCullers".
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