13. März 2017

"Die 'Kastration' ist gut gelungen"

Interview geführt von

2016 erschien das zweite Album von The Dark Tenor namens "Nightfall Symphony". Auch hier bediente sich der Mann ohne Namen wie schon bei der Vorgänger-Platte "Symphony of Light" (2014) an Melodien der Klassik und mischte sie mit seinen eigenen Popsongs.

Bevor The Dark Tenor die Bühne des Münchner Gasteig betritt, um seine Fans in eine andere Welt zu entführen steht er mir Rede und Antwort. Frisch geduscht, ungeschminkt und unmaskiert spricht er über Themen wie die Goldene Himbeere der Musik, emotionale Fans und den ungewollten Fall vom Pferd.

Dein aktuelles Album "Nightfall Symphony" ist eine sehr emotionale Platte. Verarbeitest du mit der Musik Erlebnisse, die dir in letzter Zeit widerfahren sind?

Natürlich. Vielleicht nicht unbedingt bei den Liedern "Va, penciero" und "Confutatis", aber die Songwriting-Songs wie "Wild Horses", "Mountain High", "Renegades" und vor allem auch "Afterglow" sind alles Lieder, die definitiv zur Bewältigung meiner emotionalen Vergangenheit der letzten 15 Monate da sind.

Welche Musik begleitet dich in schweren Zeiten?

Unter anderem Alter Bridge. Ich liebe Alter Bridge – eine ganz tolle Band. Sie besteht aus der ehemaligen Formation um Creed gepaart mit dem Sänger Myles Kennedy von The Mayfield Four. Der Sänger selbst hat sich inzwischen – neben Axl Rose – zum beliebtesten und begehrtesten Rocksänger des Planeten gemausert. Die Texte sind toll. Es geht von Liebe bis hin zum Tod des Vaters um sehr breit gefächerte Themen. Es macht einfach unglaublich Spaß, der Musik zu lauschen, weil es auch technisch für einen Musiker ganz viel zu hören gibt. Der Gitarrist Mark Tremonti ist natürlich einer DER Top-Gitarristen weltweit.

Es gibt auf YouTube ein Fan-Video, in dem ein Mädchen ihre Geschichte erzählt und dir von Herzen dankt, dass du ihr mit deiner Musik aus einer schweren Zeit und vielen schwierigen Situationen hinaus geholfen hast. Wie gehst du mit solchen emotionalen und ergreifenden Geschichten um?

Direkt auf YouTube habe ich nicht reagiert, aber definitiv intern in Fangruppen. Bei solchen Geschichten stellt sich immer Frage: "Wie sehr nehme ich das an?" Man legt sich damit auch eine gewisse Verantwortung auf, für das, was man in Zukunft schreibt, macht oder tut. Was für Dinge man sagt, wie man mit den eigenen Songs umgeht ... Zudem hat man die Songs ja eigentlich für sich selbst geschrieben. Von daher finde ich es toll, ein Teil des Lebens anderer Leute durch die Musik zu werden. Ich finde das sehr, sehr schön, versuche aber, das nicht ganz so anzunehmen, weil meine private Ebene ja auch in der Musik steckt. Aber wenn es jemanden helfen kann, bin ich darüber natürlich sehr froh.

"Bin ich das schwarze Schaf von Adoros Mutter?"

In einem knapp zehnminütigen Kurzfilm zu "Nightfall Symphony" sieht man sehr beeindruckende Landschaften. Wo habt ihr denn gedreht?

Auf Island. Wir sind für vier Tage hingeflogen und haben pro Tag 14 bis 18 Stunden gedreht. Danach war ich erst mal eine Woche krank. Es war sehr kalt und der erste Drehtag fand gleich in einer aus Lavaströmen geformten Höhle mit wenig Kleidung statt. Da war es so kalt, dass das Wasser von der Decke tropfte und sich am Boden gleich zu Stalakmiten formte. Aber da muss man durch – und es war ein tolles Erlebnis!

Konntest du denn schon reiten?

Ich habe für diesen Dreh vorher Reiten gelernt. Das Pferd hat mich zweimal abgeworfen. Danach habe ich entschieden, dass es kein dauerhaftes Hobby wird. Es hat zwar Spaß gemacht, mit dem Tier eins zu werden, aber in Anbetracht dessen, was ich ja sonst noch so tue, ist mir das ein wenig zu riskant. Da stehe ich lieber auf der Bühne und singe.

Was kannst du mir zu dem Song "The Brave Never Die" erzählen?

Das Ganze fing mit dem Soundtrack von "Game of Thrones" an. Wir haben Kontakt mit dem Komponist des Stückes, Ramin Djawadi, – übrigens ein Deutscher – aufgenommen. Ramin hat von Hans Zimmer in L.A. gelernt und für ihn gearbeitet. Auf jeden Fall haben wir ihn angeschrieben und gefragt, ob wir seine Komposition benutzen dürfen. Er konnte dazu leider gar keine Aussage treffen, weil alle Rechte bei HBO liegen. Danach haben wir HBO angefragt und die haben gesagt: "Auf gar keinen Fall!" Das ist für die natürlich auch ein Goldschatz.

Daraufhin mussten wir uns überlegen, was wir machen. Der Chorus war total schön, alles war schon fertig. Der Song wurde umgeschrieben. Für mich ist es eines meiner Lieblingsstücke, weil es einfach so schön aufgeht und eine gewisse Ruhe in das ganze Extreme bringt.

Wie entstand der Song Wild Horses"?

Die Geschichte beginnt eigentlich bei "Afterglow". Ich habe zusammen mit Erik Nyholm in Berlin geschrieben. Das war einfach zufälliges Songwriting in einem ganz kleinen Studio. Wir haben angefangen, an "Afterglow" zu arbeiten, was schon mal eine echt coole Nummer war. Ich fand das so toll, dass ich gesagt habe: "Hey, komm! Ich fliege nach Helsinki. Wir treffen uns und machen was zusammen." Entsprechend habe ich mich dann mit ihm getroffen. Kristoffer Karlsson kam dazu und wir haben uns zu dritt hingesetzt und drei Songs innerhalb von zwei Tagen geschrieben. Es wurde ein bisschen ausprobiert, auch textmäßig. Wir sind dann ein bisschen in die Richtung meiner privaten Ecke gegangen.

Interessanterweise konnte auch Kristoffer sich in das Thema hinein versetzten, weil auch er eine Beziehung geführt hat, die mit Depressionen und Borderline zu tun hatte. Und darum geht es ja auch in diesem Song: Wie man sich durch diese "Downs" kaputt fühlt, sich selber nicht mehr spüren kann und das Gefühl hat, dass andere einen nicht hören und sehen können. Dass man doch eigentlich frei sein sollte. Sich davon befreien kann man nur selbst, beziehungsweise mit Hilfe. Darum geht es in diesem Song. Er entstand eigentlich relativ zügig. Innerhalb von zwei oder drei Stunden war das Demo fertig. Ich habe es noch eingesungen und das war es dann auch schon.

Laut dem Booklet zum Album hast du nahezu alle Instrumente – sogar das Cello – selbst eingespielt. Wie viele Instrumente spielst du?

Es ist viel selbst eingespielt, ja ... Ich spiele ein bisschen Geige, Bratsche und Piano. Ans Cello habe ich mich auch ein wenig herangewagt. Ich kann mir die Streicher dadurch so setzen, wie ich sie brauche, wenn ich Demos mache. Gitarre habe ich mir selber beigebracht und Bassgitarre habe ich auch acht Jahre lang gespielt. Singen kann ich auch ein bisschen. Das sind alles die Handwerks-Instrumente, die man braucht, um Musik zu machen. Dann ist man natürlich sowieso immer interessiert, wie ein Instrument funktioniert. Und ich habe bemerkt, dass mit einer Bassgitarre die Mädels interessanter wurden.

Deine Eltern haben ja auch beide etwas mit Musik zu tun. Wurdest du immer zum Musikunterricht gescheucht?

Musikunterricht als solchen hatte ich eigentlich gar keinen. Ich hatte bei meiner Mutter 16 Jahre lang Geigenunterricht, was natürlich für einen Sohn immer schwierig ist. Als ich beim Dresdner Kreuzchor angefangen habe, habe ich dort auch Geigen- und Bratschen-Unterricht bekommen. Als Kruzianer musste man ein Instrument lernen. Also war das für mich Geige oder Bratsche.

Zusammen mit der Veröffentlichung des zweiten Albums hast du ja auch deine Maske gelüftet. Wieso? Reine PR?

Das ist alles in der Geschichte begründet. Wir haben mit dem ersten Album angefangen, eine Geschichte zu erzählen und diese Geschichte haben wir von Beginn an schon so geschrieben, dass es beim zweiten Album dann dazu kommt. Also eine ganz bewusste Planung. In der Tat ist das Ganze natürlich Marketing-getrieben, allein durch die Spots auf RTL. Aber alle kreativen Entscheidungen, wie "Wie soll das Aussehen mit dem zweiten Album? Wie soll das Artwork sein? Wie sollen die Bilder sein?", kommen aus einem ganz kleinen Team, das aus meinem Produzenten Bernd Wendlandt und mir besteht. Da kommt das Ganze her und da werden auch alle Entscheidungen getroffen. Bernd und ich haben für die ganze Sache auch ein Label gegründet. Ist The Dark Tenor einfach nur das schwarze Schaf von Adoros Mutter? Ist das einfach nur ein Typ mit Tattoos? Oder ist das irgendwas anderes? Wir haben uns dann für eine etwas spektakulärere, teurere Variante entschieden. Wozu wir dann natürlich starke Partner brauchten wie Universal und RTL, um das stemmen zu können.

"Ich möchte viele Menschen erreichen"

Was sagst du zur Goldenen Himbeere der Musik 2014 für dein Album "Symphony of Light"? Die würde dir nämlich gerne ein Albumkritiker dafür verleihen.

Warum hat er es nicht gemacht?

Ich nehme an, weil es keine Goldene Himbeere der Musik gibt. Findest du, er sollte so etwas einführen?

Also da wäre er ja nun kein Vorreiter. In den USA gibt es das schon seit Jahren. Auch als TV-Show mit ordentlicher Verleihung. Bei dem Thema dürfen Künstler sich auch über sich selbst immer ein kleines Lächeln erlauben. Ich glaube, in den USA werden die Musiker auch mit Schleim begossen und anderen komischen Sachen. Das ist so ein bisschen wie dieses "Roast", bei dem berühmte Schauspieler von ihren Kollegen "geroastet" werden. Charlie Sheen wurde zum Beispiel mal "geroastet". In der Show wird einfach nur Ultra-Schlechtes über die entsprechende Person gesagt. Das, was Herr Kubanke da versucht, macht er schon ganz gut, aber ich finde es eben noch nicht konsequent genug. Wenn er mir diesen Award verleihen möchte, soll er ihn doch gerne einführen.

Würdest du denn auch zur Verleihung gehen ...?

Na, klar!

... und dich mit Schleim übergießen lassen?

Das vielleicht nicht unbedingt. Es kommt natürlich auch drauf an, wem er das alles präsentieren würde. Sprich: Es kommt auf seine Partner an. Wenn er eine halb-komödiantische TV Show beim MDR oder ARD hätte mit Menschen, die das alle lustig finden – wieso nicht? Gibt es in Deutschland ja auch noch nicht. Da sollte er sich mal Gedanken drüber machen und darum kümmern, dass es umgesetzt wird. Ich fände es lustig.

Ich habe im Folgenden ein paar Zitate aus der Kritik herausgesucht und wüsste gerne deine Meinung dazu: "Kastration der Kunst".

Das haben wir doch auch ganz gut hingekriegt, finde ich. Schließlich haben mehr als 100.000 Menschen "die Kastration der Kunst" auch gewollt.

"Melodien von der Stange, Bombast, Plunder, Aufgeblasenheit im Klangbild".

Ich finde es sehr interessant, dass Ulf Melodien wie die 40. von Mozart, Wagners "Walkürenritt" und Mozarts "Lacrimosa" als "Melodien von der Stange" bezeichnet. Oder auch die brandenburgische Konzerte Bachs im Song "Renegades". Ich finde, die Melodien sind nicht von der Stange.

Ich glaube er meint, dass du dich nur den bekannteren Kompositionen bedienst und nicht mal etwas Unbekanntes von beispielsweise Mozart verwendest.

Das entspricht dann ja nicht meinem Gedanken. Ich möchte so viele Menschen wie möglich erreichen, um Klassik auf innovative Art und Weise zu präsentieren. In der Masse kennen jetzt wahrscheinlich weniger Leute das "Aquarium" von Camille Saint-Saens, wie beispielsweise im Song "Haunted Hearts". Das wäre mal eine "Indie" Melodie – um es vorsichtig auszudrücken – aber grundsätzlich macht es für mich natürlich gar keinen Sinn, mich auf Melodien zu beschränken, die keiner kennt. Ich möchte Menschen erreichen und ihnen zeigen, wie geil diese berühmten Melodien sind und darüber hinaus vielleicht einen neuen Zugang oder überhaupt einen Zugang zur Klassik legen. Und das hat funktioniert.

"Furchtbarer als die letzte Platte".

Wenn er die erste Platte schon nicht mochte, mag er die zweite auch nicht. Das ist für mich auch völlig in Ordnung und dann muss er sich das um Gottes Willen auch nicht anhören. Ich möchte ja auch niemanden zwingen ... Aber offensichtlich hat er sich doch gezwungen. Das war dann wohl ein bisschen Verschwendung seiner eigenen Zeit, würde ich sagen.

Mit The Dark Tenor sprach Jasmin X. Roder

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3 Kommentare mit 13 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    props für die entspannte souveräntät, mit der er die kritik an sich abtropfen lässt, ohne beleidigt zu sein. das finde ich schon sehr sympathisch. ist ja oft so, dass die leute mit der abgestandendsten mucke menschlich sehr angenehm sind.

    ...und mittlerweile reicht es ja nur noch zur bronzenen himbeere. denn immerhin führte seitdem noch oonagh die elben ein weiteres mal zur schlachtbank (was definitiv schlimmer ist) und blutengel haben kürzlich das komplett inspirationsfreie grauen abgeliefert. im vergleich zu letzteren ist dark tenor wenigstens handwerklich gut gemacht.

    schönes gespräch :)

  • Vor 7 Jahren

    Direkt in der ersten Frage:

    Dein aktuelles Album "Nightfall Symphony" soll eine sehr emotionale Platte für sein."

  • Vor 7 Jahren

    also ich find das interview ehrlich gesagt ziemlich blutleer. es wirkt, als wäre das für die interviewerin nur ein pflichttermin gewesen und sie liest die fragen nur ab und interessiert sich null für den menschen dahinter und seine motivation musik zu machen. sie geht auf keine seiner hingeworfenen gesprächs-brocken ein, die sich gut dazu geeignet hätten, tiefer in bestimmte themen einzusteigen. da fehlt humor, esprit, alles, was ein gespräch interessant macht.