laut.de-Biographie
Trio
"Unsere Politik ist es, nichts aus der Zeit vor Weihnachten 1980 zu erzählen", so Trio-Sänger Stephan Remmler im Spiegel-Interview 1982. Wie der Name des Printmediums schon andeutet: Remmlers Band ist zu dieser Zeit hip as fuck, die Single "Da Da Da" wird in 30 Ländern veröffentlicht und verkauft sich weltweit 13 Mio. Mal (Europa: 3 Mio.), Yellos Dieter Meier führt beim Videoclip Regie, das LP-Debut "Trio" erscheint in 20 Ländern (u.a. Brasilien, Hongkong) und die Band wird auf Großveranstaltungen wie der Loreley oder dem Open Air in Verona abgefeiert. Nicht schlecht für ein Trio, das knapp ein Jahr zuvor noch in kleinen Clubs in der norddeutschen Tiefebene vor "3-30 Leuten" gespielt hat.
Bei solch rasanter Zuwendung des Medieninteresses sickert dann doch durch, dass Remmler und Gitarrist Kralle Krawinkel bereits in den 60ern zusammen musizierten und den Stones nach eiferten. Beide studieren jedoch nach dem Abitur Lehramt, nachdem Kralle in den frühen 70ern zwei Solo-Alben unter dem Namen Cravinkel veröffentlicht hatte, die keinen interessierten.
Das von Remmler zitierte historische Krippenfest 1980 ist gleichzeitig die Geburt von Trio. Mit dabei im Stroh: Peter Behrens, ehemaliger Zirkusclown. Auf eine Drummer-Suchannonce hin müssen alle Bewerber mit Kralle und Stephan erstmal eine Runde Bommerlunder trinken, bevor geprobt wird. In Peters Fall bleibt es beim Bommerlunder. Die Drei ziehen in die Regenterstraße 10a in Großenkneten bei Oldenburg und absolvieren erste Live-Gigs in der Stammkneipe "Kempermann".
Nun geht alles ganz schnell: Die selbstproduzierte Mini-LP "Lady-O-Lady" hört Beatles-Intimus und Lennon-Bassist Klaus Voormann und verschafft der Gruppe im Februar 1981 einen Vertrag bei Phonogram. "Trio" erscheint im Oktober, das Cover listet Anschrift und Telefonnummer der Band und die Republik wird auf die drei Anarcho-Minimalisten aus dem Norden aufmerksam.
Durch ihre skurrilen Live-Performances gerät Mundpropaganda zum vorherrschenden Promotion-Tool: Behrens' Schlagzeug besteht aus einem Stand-Tom, einem Hi-Hat und einer Bass-Drum, die er im Stehen spielt (noch vor Bela B.), Kralle benützt einen Kofferverstärker als Tonabnehmer für seine Fender und Remmler nuschelt, spricht und singt in Deutsch und Englisch zum Teil über ein Kehlkopfmikrofon. Zu den Bühnen-Accessoires jener Tage gehört Lucy, die Plastikspielzeuggitarre und Carmen, die aufblasbare Gummipuppe aus dem Beate Uhse-Versand. Behrens verzieht live keine Miene, seine Aufgabe besteht laut Remmler in der Ausübung "dynamischer Inkompetenz". So sieht man ihn Äpfel verzehrend oder Tischtennis spielend mit Stephan, während Kralle Soli zwirbelt.
Schnell werden die drei in die Klamauk-Schublade der "Neuen Deutschen Welle" gesteckt, dem sie sich heftig widersetzen. Remmler plädiert für "Neue Deutsche Fröhlichkeit" und Kralle betont, dass "unsere Basis Rock'n'Roll ist, auf der wir alles Überflüssige weg lassen; von Starposen bis zu Instrumentenbombast".
Ihr Minimalgroove führt sie sowohl in Shows von Harald Juhnke als auch in die ZDF-Hitparade, die sie mit den Gruppen der NDW weitgehend vom Schlager säubern. Bei Dieter Thomas Heck spielen sie als erste Band live, für eine Single von Nicole singt Trio Background-Vocals. Zwar maßgeblich aufgrund einer verlorenen "Wetten Dass..?"-Wette Remmlers, doch der freut sich, weiterhin das zu machen, was keiner von ihm erwartet.
Dem "Arme-Leute-Charme" ihres Debüt-Werks folgt Trio auf "Bye Bye" 1983 nur noch teilweise. Nachdem "Live Im Frühjahr 1982" nur als MC auf den Markt kommt, mit Kontonummer auf dem Cover, findet die Band nach einem Jahr knapp 100 DM darauf vor. Auch auf "Bye Bye" gibt's ein Cover-Gimmick: Vorder- und Rückseite sind in je acht Felder aufgeteilt, die für je 10.000 DM pro Auflage für Werbung zur Verfügung stehen. Lediglich die Motorrad-Helm-Firma "Uvex" ziert die erste Auflage, später kommen bezahlte Anzeigen von HörZu, Spex und dem neuen Stones-Album hinzu, Organisationen wie Greenpeace werben kostenlos. Ihnen kommt auch der Erlös der Aktion zugute. Neben Hits wie "Anna" und "Bum Bum" covern Trio auf der LP auch einen Song von Yoko Ono namens "Wake Up".
1983 spielt die Band in den Staaten und landet mit "Turaluraluralu" hierzulande einen letzten Hit. Zu der Zeit fühlt sich Drummer Behrens zunehmend unterbezahlt, seine Kollegen teilen diese Ansicht aber nicht und lehnen sein Gesuch um Gehaltsaufstockung ab. 1985 erscheint zwar ein opulent instrumentiertes Abschlusswerk, doch es floppt gewaltig. Behrens ist schon gar nicht mehr im Studio dabei, obwohl er auf dem Cover noch zu sehen ist.
Die Band trennt sich in aller Stille. Remmler verfolgt eine recht erfolgreiche Solokarriere, Kralle verdingt sich wieder als Session-Musiker (u.a. Westernhagen) und auch Behrens tut alles ("Weiber, Kokain, Alkohol"), um wieder in seinen alten Job zurück zu kehren. 1995 hat er es geschafft: seine Trio-Kohle ist weg, er ist wieder Zirkusclown.
Völlig unerwartet wird "Da Da Da" 1997 wieder ein Hit in den Staaten, da ein Volkswagen-Werbespot die englische Version des Songs verwendet. Das US-Album "Trio And Error" wird daraufhin wieder veröffentlicht und die Band spielt eine Weile lang ernsthaft mit dem Reuniongedanken. Doch verschiedene musikalische Auffassungen von Remmler und Krawinkel machen den Plan zunichte.
2003 findet die Resteverwertung mit der DVD "Best Of Trio" und einem Re-Release des Debüts noch eine Fortsetzung. 2013 veröffentlicht der nicht von Songwriting-Tantiemen profitierende Drummer Behrens die Autobiografie "Der Clown mit der Trommel - Meine Jahre mit Trio aber nicht nur", die ihm seit langem wieder künstlerische Aufmerksamkeit beschert. Seine Trio-Vergangenheit hält Behrens aufrecht, indem er die alten Songs mit einem befreundeten Musiker hin und wieder in norddeutschen Gaststätten aufführt. 2016 stirbt der Schlagzeuger im Alter von 68 Jahren an den Folgen eines Nierenversagens. Bereits zwei Jahre zuvor ist der in Sevilla lebende Gitarrist Krawinkel 66-jährig an Krebs gestorben.
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