laut.de-Biographie
2Hollis
Wir haben lange genug gewartet, bis ein Star erscheint, der diesen ganzen Drain-Hyerpop-Sound mal so richtig in den Mainstream prügelt. Seit etwa 2015 ist die Musik, die die Schweden vom Cloud Rap abgeleitet haben, das Subgenre, das all die coolen Kids hören. Ebenfalls seitdem sehen eben jene coolen Kids im überzogenen Hyperpop die Zukunft der Musik. Aber immer, wenn ein Artist wie Charli XCX dann doch einmal den Schritt in den Mainstream überbrückt, ist das "Hyper-"-Präfix ein bisschen aus ihrem Pop verschwunden.
2Hollis ist vermutlich eine der letzten Persönlichkeiten mit dem Potential, das doch noch zu ändern. Emporgestiegen aus den neurodivergenten Hip Hop-Discord-Servern fühlt er sich augenblicklich an wie eine neue Inkarnation von Rappern vom Schlag eines Lil Peep oder Playboi Carti. Er wirkt wirklich wie ein Artist, der das Genre voranschieben könnte, auch wenn mit seiner Musik aus tausend Ideen gar nicht so einfach wiederzugeben ist, was sein Genre denn nun eigentlich sein soll. Trotzdem, alle sind sich einig: Der und die Drain Gang, der und die EASYFUNs, die sind irgendwo aus dem selben Holz geschnitzt.
Dabei scheint schon sein Aufwachsen vielversprechend: Immerhin ist der Vater von 2Hollis der Drummer der legendären Post-Rock-Band Tortoise - und der schenkt ihm immerhin zum elften Geburtstag bereits die Software Ableton, die einen jungen Hollis sofort tief in die Produktions-Subreddits verbannt. Aber auch seine Mutter hat Musik im Blut: Die hat mit Skrillex zusammen in L.A. damals nämlich das Owsla-Label gegründet, auf dem von Bloodpop über Dylan Brady von 100 Gecs bis Porter Robinson, Marshmello und Zedd viel moderner EDM-Adel stattfindet, auch wenn sie inzwischen vorwiegend als Musikprofessorin und Lifecoach arbeitet.
Was, hört man da nun etwa Nepo-Baby-Vorwürfe aus den hinteren Reihen? Man muss einräumen, dass 2Hollis zumindest wohl mehr Möglichkeiten und Connections offen standen als dem durchschnittlichen Teenager aus Chicago. Hollis selbst sieht das natürlich etwas kritischer und verweist darauf, er sei nie in irgendwelche Meetings oder Pop-Sessions gesteckt worden. Man muss ihm auch lassen: Wenn er seine Jugend nacherzählt, klingt das schon einfach wie normale Zeiten eines seltsamen Kids. Er denkt sich eigenen Fantasy-Spiele und Feiertage aus, macht sich einen Soundcloud für seine Beats als Drippysoup und spamt irgendwann die einschlägigen modernen Hip Hop-Discordserver mit Bardcore-Trap voll.
So gut, so eigensinnig - und das mag das Internet natürlich. Es entspinnt sich ein kleiner Personenkult um den Elfenjungen mit den gigantischen Nischeninteressen, der sich ab dem Ende der Pandemie auf eine ernsthaftere musikalische Identität einpendelt. 2022 und 2023 erscheinen seine selbst-veröffentlichen Tapes "White Tiger" und "2" - und damit grätscht er gerade in die Phase, als in der Schneise, die Playboi Cartis "Whole Lotta Red", so richtig Hunger auf Untergrundartists besteht. Ken Carson und Yeat sind schon Stars, aber die nächste Welle à la Nettspend und OsamaSon formiert sich gerade. Und da all die Kids sich auch für Drain Gang und Hyperpop begeistern, wirkt 2Hollis mit dem einschlägigen Look und dem diversen Sound natürlich wie genau die Person, nach der sie gesucht haben.
2024 fängt es richtig zu kochen an: Sein Album "Boy" erregt mit Singles wie "Lie", "Crush" und "Two Bad" massive Aufmerksamkeit in der Bloggersphäre, aber auch die generellen Zahlen expandieren langsam. Er spielt eine große Show in seiner Heimatstadt Chicago und darf zeigen, wie sehr er sich bei den Moshpit-wütigen Kids schon zementiert hat, wenig später kommt sein größter Push dadurch, dass er die "A Great Chaos"-Tour von Ken Carson eröffnen darf. Rage-Crowds, wie schon Rico Nasty spüren musste, können durchaus gemeine Crowds sein und so wird auch Hollis auf den ersten Tourstops rigoros ausgebuht. Aber je mehr die Welle vorangeht, desto mehr lassen die Kids sich auf ihn ein. Am Ende des Tages geht er gestärkt und hot aus der Tour hervor.
Das beweist er dann 2025 auf seinem akuten Durchbruchsalbum "Star": Produktion und Mastering kommen diesmal geschlossen aus dem Opium-Camp, Jonah Abraham machte die Beats, Ojivolta die Mischen. Trotzdem klingt das Album überhaupt nicht derivativ nach Rage-Musik, im Gegenteil: In den Anleihen an Synthpop, EDM und gar Justin Bieber zeigen sich feste Mainstream-Ambitionen, die trotzdem nicht verdecken, was für ein verquerer und interessanter Charakter Hollis im Kern ist. Singles wie "Afraid" und "Style" schlagen Welle - außerdem kommt umgefähr zeitgleich auch sein Track "Jeans" heraus, der verdammt gut via TikTok geht.
Stand 2025 hat 2Hollis also noch nicht unbedingt den Höhenflug, der ihn als Superstar ausweist. Aber er hat Fans, die von ihm sprechen, als wäre er das schon längst - und diese Fans sind sichtbar. Wenn das kein gutes Zeichen für die nahe Zukunft ist, was dann? Im Vergleich zu vielen Zeitgenossen ist Hollis einfach ein einschlägiges Gesamtprodukt.