laut.de-Kritik
UK-Indiepop-Mutation mit seltsamem Kunstanspruch.
Review von Olaf SchmidtSo seltsam das Cover, so seltsam die Musik. Vier Jahre nach "Coconut" lässt das Archie Bronson Outfit wieder von sich hören - und nach wie vor befindet sich niemand in der Band, der Archie Bronson heißt. Sam Windett, Sänger und Gitarrist des englischen Trios, hat sich inzwischen zumindest in Kennerkreisen einen Namen als Maler gemacht. Sein Stil: abstrakte Formen, nichts Gegenständliches. So ähnlich klingt auch die Musik auf der neuen Scheibe. "Wild Crush" tischt ein Gemisch aus artsy-fartsy Wüstenrock, Blues-Elementen und einer verkopften Indiepop-Mutation auf.
Kommen wir direkt zu den beiden Hauptproblemen des Albums: Für Archie-Bronson-Kenner vielleicht kein Argument, aber Windetts Stimme bewegt sich teilweise im Bereich des Unerträglichen. Sein winselndes Gejaule mag effektiv sein, wenn möglichst viel Entfremdung vom Konzept 'Song' erreicht werden soll. Es klingt dadurch aber nicht weniger schlimm, wenn der gute Mann versucht, höhere Töne zu erreichen, etwa in der Halbballade "Love To Pin You Down" oder in "Cluster Up And Hover".
Und dann gibt es ja auch noch das schreckliche Bariton-Saxofon, das Bandfreund Duke Garwood beisteuert. Wenn man ihn nicht zurückhält, greift er quietschdudelnd aus dem Hinterhalt an und zerstückelt komplette Songs mit seinem Getröte. Leute, die John Zorn mögen, müssten in Verzückung verfallen, alle anderen seien gewarnt. Schon wieder denkt man an "Love To Pin You Down", das eigentlich ein guter Song wäre, von den Begleitumständen aber kaputt gemacht wird. Falls Garwood gerade mal Pause hat, übernimmt Windett dessen Part mit seiner Gitarre. Dudelei beherrscht der nämlich ebenfalls.
Dabei kann die Band aus Bath auch anders. Der Opener "Two Doves On A Lake" tritt geradlinig das Rock-Gaspedal bis zum Bodenblech runter und taugt was. Da verzerrte Bässe gerade in Mode sind, führt sich Neu-Mitglied Kristian Robinson (für den ausgestiegenen Dorian Hobday) passend ein. Außerdem verrichtet er 'full time analogue synthesizer duty'. Weißte Bescheid. "We Are Floating" geht ebenfalls gut nach vorne.
Falls jemand schon immer hören wollte, wie sich das Outfit einen 60er-Jahre-Popsong vorstellt: "In White Relief" schafft Abhilfe. Der hier zu hörende Vocoder-Effekt auf dem Gesang taucht über das Album verteilt noch ein paar Mal auf, zum Beispiel in "Lori From The Outer Reaches" oder "Glory, Sweat, And Flow".
Gefangen im Schattenreich des Fazits: Anstrengendes Album, dem man seinen Anspruch deutlich anhört, was bisweilen aber einfach nervt. Möglicherweise braucht man mehr Zeit, um sich hier reinzubeißen.
2 Kommentare mit einer Antwort
Die erste Scheibe, Coconut, war der Hammer. Kann mir nur schwer vorstellen, daß bei diesem Album nur etwas Durchschnittliches herauskommt.
So richtig super fand ich von Coconut eigentlich nur Magnetic Warrior, aber der Rest war auch OK. Sind ja auch oft Tour nächsten Monat, habe zwar noch nichts über deren Live-Qualitäten gelesen, aber einen Versuch sind die sicherlich wert
Ja, find' die Kritik auch etwas sehr hart. Ich stör' mich nicht einmal an den drei Sternchen, aber der Grundtenor ist so übertrieben negativ.
Na, jeder nach seiner Façon.