laut.de-Kritik
Starke Rückkehr zu alten Sample-Vorlieben.
Review von Michael SchuhMehr noch als Björk oder ein Mike Patton gehört Beck Hansen zu den wenigen Konsens-Künstlern des Rockgeschäfts, die sich seit jeher alles erlauben dürfen und dies auch genüsslich tun. Doch während Patton sich in seiner Kollaborationswut Richtung Avantgarde verabschiedet und Björk Gefallen an der Vertonung ihrer Acapella-Stimmübungen gefunden hat, erfreuen sich Becks musikalische Hakenschläge noch immer eines Millionenpublikums.
Ohne dafür belächelt zu werden, könnte der erst 35-jährige, gebürtige Kalifornier heute von sich behaupten, auf musikalischer Ebene so ziemlich alles bereits gemacht zu haben. Außer einem: dasselbe nochmal. Zu "Guero", der sechsten regulären Album-Veröffentlichung des ehemaligen Sample-Fetischisten, entweichen nun erstmals kritische Töne den Hallen der schreibenden Zunft, da Beck plötzlich, Hochverrat!, doch tatsächlich wieder Samples in seinen Sound integriere, und obendrein, nicht möglich!, schon wieder die alten Dust Brothers produzieren ließ.
Und es ist wahr: "Guero" ist der stilistische Nachfolger des 1996 mit zwei Grammys ausgestatteten Mammutwerks "Odelay", das mal eben Folk, Blues, Funk, Metal und Hip Hop zu einem grobschlächtigen Koloss formte, der gleich im Opener "Devils Haircut" King Kong gleich über den Hörer hinweg trampelte. Recht ähnlich behandelt uns heute Becks Single-Auftakt "E-Pro": Ein so einfaches wie gewaltiges Gitarrenriff dominiert zu den Beastie Boys-Drumsamples von "So What'cha Want" stur durchgespielt den Song und setzt nur für Becks roboterhaft gesprochenen Reime aus. Im Wissen um die Stärke des eingängigen Riffs ergänzt er den Refrain einzig um eine zweite Melodie, ein zum Grölen einladendes "Naah-naah-na-na-na-na-naah", was schon "Hey Jude" zum Welthit machte.
Man darf sich wundern, dass derselbe Mann, der 2002 mit dem fabelhaften "Sea Change"-Album als beeindruckender Klagelieder-Interpret vorstellig wurde, derart präzise zu alten Vorlieben zurück gefunden hat. Vorwerfen sollte man es ihm nicht. Zu stark sind die Songs auf dem neuen Werk geraten, zu ausgefeilt die Kompositionen, als dass man die wieder massiv auftretende, längst legendäre "Cut-and-paste"-Sampletechnik der Dust Brothers zur bloßen Effekthascherei reduzieren könnte.
Besonders deutlich tritt die Computerarbeit im relaxten "Que Onda Guero" (Mexiko-Slang im Sinne von "What's up, whitey?") zu Tage, das wohl nicht unfreiwillig auf die dopen Beats der frühen Cypress Hill rekurriert, und in der vor eckiger Elektro-Grooves und Piep-Sounds kaum nachvollziehbaren Sample-Orgie "Hell Yes". Ebenfalls zu den Highlights gehören mit "Girl" eines seiner unwiderstehlichen Upbeat-Folksongs, mit "Missing" eine streicherlastige Reminiszenz an das letzte Album, während "Black Tambourine" den wohl mutigsten Versuch darstellt, mit Monotonie und größter Simplizität traditioneller Mittel einen feuerspeienden Rocksong zu kreieren: Mehr als Percussions, Tamburinschläge, sporadische Beats und ein E-Gitarrensolo braucht es nicht.
Ganz offensichtlich verfolgen die Sound-Ingredienzien auf "Guero" einzig und allein das Ziel, einen Song komplett zu erzählen, ihn dabei aber nicht künstlich aufzublasen, wie das auf "Midnite Vultures" in übertriebenem Maße, und sogar zeitweise auf "Odelay", der Fall war. Beck darf deshalb auf ein Album mit wenigen Schwachpunkten stolz sein (ausgerechnet die langsameren Nummern wollten ihm diesmal etwas misslingen: "Emergency Exit", "Farewell Ride") und weiter der Formel vertrauen: "I better go it alone." Wobei ihm auf jenem Song Jack White zu Hilfe eilte. Was man aber nicht hört. Dasselbe gilt für "Earthquake Weather", den Song mit Smokey Hormel an der E-Gitarre. Hormel klampft normalerweise für Tom Waits.
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