laut.de-Kritik
Prätentiöses Debüt mit Celli, Violinen und Samples.
Review von Martin LeuteAuf dem Cover ist ein trauriger junger Mann zu sehen: Ben Hamilton. In Schwarzweiß und im Halbdunkel, da wird also auf düstere Romantik gemacht. Und er starrt uns an, nicht beiläufig, sondern ganz direkt schaut er uns in die Augen. Das weckt einerseits mein Interesse, andererseits ist mir dieser aufgesetzte Blick nicht geheuer. Einschätzen lässt sich das erst, wenn man weiß, was sich musikalisch hinter dieser Inszenierung verbirgt.
Bei dem Album handelt es sich um das Debüt des 26-jährigen Singer/Songwriters, der in einer Londoner Musikerkommune um die Mitglieder der 70er Jahre-Kultband Traffic aufwuchs, später singend durch Europa tingelte, um schließlich von einem deutschen Produzenten entdeckt zu werden, der ihn mit nach Berlin nahm. Soweit die schöne und abenteuerliche Geschichte des unaufhaltsamen Aufstiegs des Ben Hamilton.
Um es vorweg zu nehmen: das Album wird der aufregenden Biographie Hamiltons nicht annährend gerecht. Sein größtes Kapital ist seine tiefe und raue Stimme, die in allen 13 Songs (plus einem "Hidden Track") darauf aus ist, ihr Potential auszuschöpfen und große Gefühle zu suggerieren. Zu den üblichen Instrumenten (Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboards) gesellen sich gelegentlich ein Cello, Violinen und häufig Loops und Elektroniksamples. Herr Hamilton lässt nichts aus, er will den ergreifenden, pathetischen Pop, aalglatt produziert.
Dementsprechend umfasst das Repertoire Reggae-Rhythmen ("Sparrow's Blues"), schmissige Midtempo-Nummern ("Bells", "Billy the Clown", "Curtaincall") und - wie könnte es anders sein – viele melancholische Stücke. Am authentischsten klingt Hamilton, wenn ihm die Gitarre - dezent gezupft oder geschlagen - und seine Stimme genügen. Leider ist das nur in "Hologram" und besagtem "Hidden Track" der Fall.
Ansonsten ist dem Album ist ein prätentiöser und gewollter Pathos eigen, der mich nicht erwärmen will. Das fängt bei den absehbaren Songstrukturen an – den langsamen Strophen folgt ein sich erhebender, dramatischer Refrain – die wenig Überraschendes bieten, und endet bei der glatten Instrumentierung, die diesen Pathos unterstreicht. Die Texte sind allesamt schwermütig oder tragisch, wogegen nichts einzuwenden ist.
Ben Hamilton hat die richtige musikalische Verpackung gewählt, um die Songs kommerziell über Wasser zu halten. "We ride on the wastelands, spreading the news / Looking for results in this happy world / Forgive me, if I hesitate / I'm human. I'm human", singt er in "Human". Auch ich bin nur allzu menschlich und stelle fest, dass sein Debütalbum so konzipiert ist wie der Blick auf dem Cover inszeniert ist: unheimlich prätentiös.
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