laut.de-Biographie
Carcass
Wenn eine Band den Grindcore maßgeblich mitbestimmt und mitentwickelt hat, dann ist das neben Napalm Death definitiv Carcass. Die ersten Demo Versuche starten 1985 mit Bill Steer (g, Ex-Napalm Death), Ken Owen (dr), Jeff Walker (b, Ex-Electro Hippies) und einem Kerl namens Sanjiv, der ins Micro röchelt. Der verkrümelt sich aber recht schnell wieder, und da Ken anfängt, zu studieren, liegen Carcass erst mal wieder auf Eis. Bill nimmt mit Napalm Death die legendäre "Scum"-Scheibe auf und ruft daraufhin Jeff und Ken wieder zusammen. 1987 lärmen sie also als Trio wieder durch die Gegend, und Jeff teilt sich mit Bill den Job hinterm Micro.
Im Juli '88 erscheint das zwar sehr legendäre, aber trotzdem grottenschlechte Debüt "Reek Of Putrefaction", das mit dem Originalcover, auf dem unzählige Leichenteile abgebildet sind, schon lange ein begehrtes Sammlerstück ist. John Peel, der auch schon Napalm Death gefördert hatte, macht eine seiner bekannten Peel Sessions mit den Jungs, ernennt die Scheibe zum Album des Jahres, und auch im Kerrang! schlagen sie mächtig ein. Die ein Jahr später erscheinende Platte "Symphonies Of Sickness" ist tatsächlich ein erstklassiges Grindcore-Album und setzt auch die Tradition der Splatter-Cover weiter fort. Doch da das Trio an seinen Instrumenten immer besser wird und man sich musikalisch auch weiter ausleben will, holen sie sich mit Michael Amott (Ex-Carnage, jetzt bei Arch Enemy), einen zweiten Gitarristen in die Band. Außerdem metzeln Carcass lyrisch nie stumpf vor sich hin, sondern gehen dermaßen profund und pathologisch zu Werke, dass man als Mediziner oder Biologe seine helle Freude an den Texten hat.
Wie groß die Weiterentwicklung ist, lässt sich auf "Necroticism - Descanting The Insalubrious" nachhören. Inzwischen sind die exakten Texte der Band zu einem Markenzeichen geworden, das heutzutage von unzähligen anderen Bands kopiert wird. Mittlerweile ist Jeff auch beinahe komplett alleine für die Vocals verantwortlich und macht diesen Job ausgesprochen gut. Die Songs an sich haben auch einen deutlichen Wechsel zum technischeren Death Metal hinter sich, sind aber immer noch einzigartig. Gleiches gilt für die EP "Tools Of Trade", die '92 erscheint. Doch schon auf ihrem nächsten Output "Heartworks" zeigen sich Carcass von ihren Splatterlyrics gelangweilt und keifen lieber über alltägliche Probleme wie Krieg, Religion oder Technology. "Heartworks" ist das letzte Album mit Michael Amott, der seinen Platz für den ehemaligen Roadie Mike Hickey frei macht.
Der bleibt aber auch nur für die Tour, somit spielt Carlo Regadas auf "Swansong" die zweite Klampfe. Die Scheibe ist zwar auch nicht schlecht, für Carcass-Verhältnisse aber zu vorhersehbar. Noch bevor das Album in den Läden steht, verlässt Bill die Band, und auch Jeff, Ken und Carlo beschließen, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Mit "Wake Up And Smell The ... Carcass" erscheint posthum noch eine CD, die nicht nur für Fans interessant sein dürfte, enthält sie doch bisher unveröffentlichte Stücke aus den Swansong-Sessions, diverse B-Seiten- und Sampler-Songs, Radio-Aufnahmen aus den Peel-Sessions sowie die beiden bislang erschienenen EPs.
Während sich Michael Amott zunächst völlig anderen musikalischen Klängen widmet (Spiritual Beggars), machen Walker, Owen und Regadas mit Black Star weiter, können damit aber auch nichts reißen. Ken erleidet 1999 eine schwere Gehirnblutung und entgeht nur knapp dem Tod. Nach einem zehnmonatigem Koma erwacht er jedoch und befindet sich seitdem auf dem Weg der Besserung. Die für '99 angesetzte Veröffentlichung von "Choice Cuts" wird verschoben und erscheint mit kreativer Unterstützung des Drummers letztendlich im Mai 2004.
2004 meldet sich Jeff Walker auf sehr überraschende Weise zurück. Erst ist er mit der Grindcore-Band To Seperate Flesh From The Bones (besteht aus einigen Amorphis- und HIM-Mitgliedern) zu sehen. Bei denen steht er für das Debütalbum "Utopica Sadistica" mit im Studio. Dann gibt er den Zuschauerschreck bei einer Halloween-Show von HIM. Und im Januar 2005 ist er auf einer Show von Napalm Death bei deren CD-Präsentation von "The Code Is Red ... Long Live The Code" dabei.
2006 veröffentlicht er das Soloalbum "Jeff Walker Und Die Flüffers: Welcome To Carcass Cuntry", das für Überraschung in der Szene sorgt. Darauf widmet er sich einer eigenwilligen Version des Country und Blues und covert Johnny Cash, Hank Williams und andere - all das mit einer guten Portion Metalriffs. Wer sich jetzt fragt, wer denn bitte die Flüffers sind, dem sei gesagt, dass es auf der Platte einige prominente Mitstreiter gibt, die sich hinter dem Namen verstecken. Neben den alten Bandkollegen Bill Steer und Ken Owen sind auch fast alle Amorphis-Mitglieder, Faith No Mores Billy Goulde und Ville Valo mit dabei.
In einem Interview im Juni desselben Jahres spricht Jeff über die Möglichkeit einer Carcass-Reunion. Ob Steer mit dabei sein würde sei nicht sicher. Wenig später stellt sich heraus: Steer macht mit. Und nicht nur er, sondern auch Michael Amott, inzwischen hauptamtlich bei Arch Enemy. Ken Owen hingegen muss passen, weil der die alten Schlagzeugpartien nach seiner Gehirnblutung 1999 nicht mehr spielen kann. Für ihn nimmt Daniel Erlandsson auf dem Hocker hinter der Schießbude Platz.
In dieser Besetzung tourt die Band einige Jahre fröhlich auf Festivals umher. 2013 passiert das, womit niemand mehr gerechnet haben: Carcass veröffentlichen "Surgical Steel", ihr sechstes reguläres Studioalbum. Amott und Erlandsson haben die Band mittlerweile wieder verlassen, der neue Schlagzeuger Daniel Wilding trommelt aber alles in Grund und Boden. Carcass sind wieder voll im Geschäft.
Noch keine Kommentare