laut.de-Kritik

Die Death Metal-Pathologen haben nichts verlernt.

Review von

Vor mehr als 30 Jahren starteten Carcass mit einem klaren Ziel vor Augen: Musik, Texte und Artwork sollten so ungenießbar, anstößig und extrem wie möglich sein. Mit ihrem garstigen, noch fest im Grindcore verankerten Debüt "Reek of Putrefaction" (1988) ist das der Band aus Liverpool nachdrücklich gelungen. Allein schon das Cover mit der Autopsie-Collage aus Kadavern sorgte für Aufsehen. Die Texte waren mit medizinischen Fachbegriffen gespickt. Und der verwaschene Sound mit hektischen Blastbeats, chaotischen Riffs und dem unmenschlich Grunz-Gesang war sicherlich nicht jedermanns Sache.

Mit der Musik und den Metzelorgien der Anfangstage haben die aktuellen Carcass nichts mehr gemein. Auf dem neuen Longplayer "Torn Arteries" lassen lediglich Titel wie "Under The Scalpel Blade", "Kelly's Meat Emporium" oder "Wake Up And Smell The Carcass - Caveat Emptor" die Tradition der blutigen Pathologie-Zeiten aufleben. Liebliche Klänge sind nach wie vor nichts für die Veteranen Bill Steer und Jeff Walker - dafür die Liebe zum Detail umso mehr. Das siebte Studioalbum der Briten überzeugt mit technisch anspruchsvollen Death Metal, der eigenwillig genug ist, um auch melodische Parts und rockige Einflüsse zuzulassen. So verfuhren Carcass schon, als sie Anfang der 90er Jahre "Necroticism - Descanting The Insalubrious" und "Heartwork" veröffentlichten. Die Verweise auf diese alte Glanztaten sind nicht zu überhören, hinterlassen aber keineswegs einen faden Beigeschmack.

Carcass bedienen sich ihrer Trademarks wie dem präzisen Riffing, der komplexen Rhythmik und dem mal grunzig, mal keifigen Gesang von Bassist Walker und Gitarrist Steer. Schon nach den ersten Tönen erkennt der Hörer sofort, wer hier spielt. Der schnelle Titelsong eröffnet das Werk und seziert mit skalpellscharfen Riffs die Hörgänge. Passgenaue Breaks und ein edles Solo von Sechsaiter Steer sorgen für die nötige Abwechslung. Im Marschrhythmus, mit Twingitarren und ziemlich groovy geht es mit "Dance of Ixtab (Psychopomp & Circumstance March No. 1)" weiter. Im Midtempo walzt "Eleanor Rigor Mortis" vorwärts, bevor kurz vor dem Ende die Gitarren in einem Höllentempo alles zerschreddern. Immer nur schnell ist aber langweilig. Deshalb kriecht das fiese "The Devil Rides Out" in mittlerer Geschwindigkeit durch die Nacht, gefühlvolle Leads sorgen indes auch für erhellende Momente.

Mit einem Akustik-Intro startet das super abwechslungsreiche "Flesh Ripping Sonic Torment Limited", das mit zehn Minuten jedoch etwas zu lang geraten ist. Der aufmerksame Carcass-Fan wird festgestellt haben, dass die Band den Titel von ihrem 1987er Demo geklaut hat. Das rasende "Kelly's Meat Emporium", die erste Videoauskopplung des neuen Albums, ist mit einer völlig irren Gitarrenmelodie versehen. Für eine Überraschung sorgt "In God We Trust", als im Mittelteil plötzlich rhythmisches Händeklatschen erschallt.

"Wake Up And Smell The Carcass - Caveat Emptor" greift schon wieder einen alten Titel der Band auf. Dieses Mal handelt es sich um die gutklassige Raritäten-Compilation von 1996. Der Song selbst fällt dagegen aber qualitativ ab. Der Schlusstrack "The Scythe's Remorseless Swing" ballert phasenweise heftig aus den Boxen, überzeugt aber auch durch seine ausgeklügelte Rhythmik und die erneut hochstehende Gitarrenarbeit. Zusammenfassend kann festgestellt werden: Carcass halten mit "Torn Arteries" den hohen Standard des acht Jahre zurückliegenden Vorgängers "Surgical Steel".

Trackliste

  1. 1. Torn Arteries
  2. 2. Dance Of Ixtab (Psychopomp & Circumstance March No. 1)
  3. 3. Eleanor Rigor Mortis
  4. 4. Under The Scalpel Blade
  5. 5. The Devil Rides Out
  6. 6. Flesh Ripping Sonic Torment Limited
  7. 7. Kelly's Meat Emporium
  8. 8. In God We Trust
  9. 9. Wake Up And Smell The Carcass - Caveat Emptor
  10. 10. The Scythe's Remorseless Swing

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