Porträt

laut.de-Biographie

Clipping

"Anfangs war clipping. das erste Projekt, das sogar bei meinen Freunden gemischte Reaktionen hervorrief", erinnert sich Banddrittel Jonathan Snipes. "Es gab nicht direkt eine negative Reaktion, aber eine verwirrte. Wir spielten ihnen damals die ersten Songs von 'Midcity' vor und bekamen nur leeres Starren zurück. Die Leute sagten immer wieder: 'Das ist cool, Jungs. Aber ich weiß nicht, für wen diese Musik ist. It's so weird.'"

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Beschäftigt man sich auf theoretischer Ebene mit dem Leftfield-Hip Hop-Trio aus L.A., bleiben solche Reaktionen erst einmal unverständlich. Schließlich bezeichnen sich MC Daveed Diggs und die Produzenten Jonathan Snipes und William Hutson auf dem Papier als reines Rap-Projekt.

Während sie von außen für den harschen Sound voll lärmender Field Recordings und Musique Concrete-Collagen den Stempel Noiserap aufgedrückt bekommen, sehen sich die drei in der Hip Hop-Traditionslinie.

"Ich rappe schon seit 16 Jahren", unterstreicht MC Diggs anlässlich des Zweitwerks "CLPPNG" den Anspruch auf Konformität. "Das Ausgangsmaterial basiert zum Großteil auf Radiorap." Zugleich allerdings machen Clipping. aus ihrem Faible für brachiale Geräuschkulissen keinen Hehl. Schon das Pseudonym, das sich in etwa mit "Verstümmelung" ins Deutsche übersetzen lässt, transportiert ein aggressives Moment.

Aggressiv sind Clipping. zweifellos. Ihre dekonstruktivistische Rapmusik hantiert mit Noise, Glitch und Subbässen. Über die hastet Daveed Diggs mit gleichfalls stolpernden - oder eben verstümmelten - Lyricpeitschen. "Wir machen Partymusik für den Club, den du besser nicht besucht hättest, das Auto, von dem du nicht mehr weißt, wie du darin gelandet bist, und die Straßen, in denen du dich nicht sicher fühlst."

Ein Wecker piept, eine Schleifmaschine kreischt. Wasser fließt, und in der Küchenschublade tanzt das Besteck. Dieser umfangreiche Soundkosmos ergibt insbesondere dann Sinn, wenn man die Herkunft von Snipes und Hutson bedenkt. Snipes ist Sounddesigner, Soundtrack-Autor und als Captain Ahab Experimentalmusiker. Zusammen mit Hutson auch Teil der Noiseband Unneccessary Surgery, startet er 2009 Clipping. Nachdem das Duo zunächst bekannte Hip Hop-Zeilen samplet und mit Industrial-Noise unterlegt, kommt 2010 der MC ins Spiel.

Damit landen die Kalifornier nach einer eigenhändigen Albumpremiere bei der legendären Seattler Plattenfirma Sub Pop (Nirvana). Clipping. bestätigen dort den neuen Labelkurs Richtung avantgardistischer Hip Hop (Shabazz Palaces, Theesatisfaction). Klar ist auch, dass der Band im Siegeszug einer anderen Noise-Formation verstärkt Aufmerksamkeit zuteil wird:

"Die ersten zwei Jahre unserer Bandgeschichte erschien kein einziger Artikel ohne die Worte 'Death Grips' darin. Die Jungs aus Sacramento haben ohne Zweifel eine Tür geöffnet. Wir sind jedoch nicht so sicher, ob sie den Leuten wirklich geholfen haben, zu verstehen, dass Rap und Noise schon seit langer Zeit Seite an Seite stehen."

Clipping - Visions Of Bodies Being Burned
Clipping Visions Of Bodies Being Burned
Scream, Blair Witch, Lovecraft: Horrorshow, Part Two.
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"Was wir machen, ist Teil eines Kontinuums", führen Clipping. weiter aus. "Wir glauben nicht, dass sich das etwa grundlegend von Bomb Squad-Produktionen unterscheidet. Wir versuchen, den Fokus darauf und auf unseren Platz in dieser Geschichte zu lenken." Das klappt seit 2014 ziemlich gut: Sogar Die Zeit bejubelt bald einen Klang, "so aufregend und anstrengend, wie man sich die Zukunft des Rap schon immer vorgestellt hat".

Befeuert von dem Erfolg ihres Debüts wagen sich Clipping. auf ihren folgenden Projekten in noch konzeptuellere und exzentrische Gefilde. "Splendor And Misery" ist der größenwahnsinnige Versuch, ein Sci-Fi-Epos à la "2001: A Space Odyssey" als musikalische Parabel für aktuelle Politik umzusetzen: Das Album erzählt die Geschichte eines Sklaven-Raumschiffs, auf dem der ewige Kampf des Menschen gegen die Maschine tobt.

Auch die "Wriggle"-EP liefert trotz kurzer Laufzeit ein weiteres Paradebeispiel für die Kreativität des Trios. Beats entstehen nicht nur am Computer, sondern werden mit echten Schussgeräuschen, brechendem Glas oder rieselndem Sand angereichert.

Zu diesem Zeitpunkt haben Clipping. den Status des Geheimtipps längst hinter sich gelassen. Gerade Frontmann Daveed Diggs sorgt aufgrund seiner Perfomances im Musical "Hamilton" (für die er sowohl einen Tony als auch einen Grammy erhielt) und Filmen wie "Blindspotting" landesweit für Aufsehen. Seine Musik knüpft zwar nicht ganz an diese Erfolge an, aber zumindest in Krtikerkreisen gehören Clipping. schon lange zum Kanon der besten Hip Hop-Acts der Dekade.

Diesen Staus festigen sie mit ihrem Release "There Existed An Addiction To Blood", einem Album, so radikal in seiner Umsetzung, dass man es getrost als ihr bestes bezeichnen kann. Es klingt wie das entstellte Lovechild von John Carpenter, Merzbow und Three 6 Mafia, dreier Acts, die wahrscheinlich nicht einmal von der Existenz des jeweils anderen wissen und dennoch in Clipping.s Mikrokosmos des Absurden perfekt miteinander harmonieren.

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