laut.de-Kritik
Mit wuchtigen Klängen zurück an die Blackgaze-Spitze.
Review von Toni HennigAn Deafheaven gingen die beängstigenden Entwicklungen auf dieser Welt auch nicht spurlos vorbei. Auf "Lonely People With Power" befassen sie sich damit, welchen Einfluss einzelne Menschen auf andere ausüben und beklagen den Verlust an Gemeinschaft und Empathie zugunsten von Macht, Skrupellosigkeit und Kontrolle. Jedoch erwachsen die US-Amerikaner nicht gleich zu einer politischen Band. Eher macht sich emotional wieder eine gewisse Aggression breit, die man auf dem letzten Studioalbum "Infinite Granite" schmerzlich vermisst hatte.
Nach dem kurzen, elektronisch düsteren Intro "Incidental I" gehen Deafheaven mit "Doberman" auch gleich in die Vollen und legen, pendelnd zwischen Getragenheit und Härte, ruhigen Momenten und Heavyness, ein beeindruckendes Zeugnis ihrer Vielseitigkeit ab. Dabei schreit sich Fronter George Clarke endlich wieder genüsslich die Seele aus dem Leib. In "Magnolia" betont die Band noch mehr ihre treibende, wütende Seite, während in "The Garden Route" eher postrockige Töne auf der Tagesordnung stehen, ohne dass es an intensiven Gesangsmomenten mangelt.
Mit "Heathen" gesellt sich eine recht eingängige indierockige Nummer dazu, die Klargesang in den Strophen besitzt und sich zu einem packenden Finale aufschwingt. "Amethyst" bewegt sich zwischen Ruhe und stürmischen Ausbrüchen hin und her. In "Incidental II" steuert Jae Matthews von Boy Harsher zu noisigen Sounds beklemmende Vocals bei. Zum Schluss zieht der verfremdete Industrial-Gesang von Clarke unaufhaltsam in die Tiefe. "Revelator" schreitet knüppelnd voran, hält aber zwischenzeitlich eine kurze Verschnaufpause bereit, um danach noch härter und erbarmungsloser zuzuschlagen.
In "Body Behavior" kommt trotz aller Raserei ein postpunkiges Feeling an den Saiten zum Tragen. Da passt es, dass Paul Banks von Interpol für das entrückte Intermezzo "Incidental III" ein paar Spoken Words zum Besten gibt. "Winona" bietet zwischen verträumten Gitarren- und majestätischen Knüppelmomenten allerfeinstes Blackgaze-Programm, so, wie man es von der Band am besten kennt. In "The Marvelous Orange Tree" treffen zum Schluss majestätisch in die Höhe schraubende Saitensounds auf rohe Aggression und sphärische Klargesangsmomente, so dass die Scheibe eindrucksvoll endet.
Was man eventuell bemängeln kann, ist, dass sich der postrockige Spannungsaufbau in manchen Tracks oftmals ein wenig gleicht, was die US-Amerikaner mit stilistischer Abwechslung jedoch wieder wett machen. "Lonely People With Power" bildet ein wuchtiges, packendes und eindringliches Album, mit dem sich Deafheaven wieder an die Spitze der Blackgaze-Bewegung setzen.
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