Porträt

laut.de-Biographie

Deinemafa

Rap-Crew, Duo oder Soloprojekt? Ein Mann, zwei Körper? Oder drei? Bei Deinemafa weiß man nicht so genau. Ob das "MAFA" im Namen wirklich für MusikAlisch oFfene GruppentherApie steht, für MondAnbetenFürAnfänger, für etwas ganz anderes oder für gar nichts: ebenso unklar. Fest steht nur: Das Projekt hat seine Basis in Leipzig, und als sein Frontrapper fungiert Edgar Einfühlsam.

Doubletime: Synapsen-Grillfest bei A$AP Rocky
Doubletime Synapsen-Grillfest bei A$AP Rocky
R.I.P. Fatman Scoop. Ren reichts. Megan goes K-Pop. Juju im Schwimmbad, Bushido auf der Rennbahn, Marteria in Rage.
Alle News anzeigen

Also fragen wir den, der muss es ja wissen: Was hat es nu auf sich, mit Deinemafa? "Ich betrachte es als eine Bewegung", erklärt er. "Klar bin ich seit Tag eins der kreative Dreh- und Angelpunkt, der Impulsgeber dieser ganzen Klamauksachen. Aber ich könnte mich nie als Solokünstler in Szene setzen."

Warum das denn? "Ich kann moderieren und Texte schreiben", führt Edgar aus, für die Umsetzung seiner Ideen in Videos, Beats oder Visuals brauche er jedoch Hilfe. "Ich hätte das Gefühl, ich belüge das Publikum, wenn ich Deinemafa als Soloprojekt deklariere."

Derlei Bescheidenheit ändert nichts daran, dass sein Gesicht das einzige ist, das Deinemafa nach außen zeigt. Edgar Einfühlsams Freunde, Gründungsmitglied, Produzent und Backup-Rapper Synthikat und DJ Loom, halten sich bedeckt.

Als 2011 ihre gemeinsame Reise beginnt, hat ihr Mastermind bereits einiges an Weg hinter sich. Geboren wird Edgar in Halle an der Saale als Sohn eines Musikers. Die Bemühungen des Vaters, sein Können an seinen Spross weiterzugeben, enden allerdings recht schnell: "Er hat es zwar versucht, wollte mir aber lieber die Gitarre über den Kopf ziehen als es weiter zu probieren. Er war da sehr ungeduldig."

Edgar findet einen niedrigschwelligeren Einstieg in die Welt der Musik: "Mit 13, 14 hab' ich den Fehler begangen und angefangen, zu rappen", erinnert er sich, "und das hat mich nie wieder losgelassen. Auch, wenn er bald noch ein zweites Talent entdeckt - Edgar interessiert sich für Menschen und redet entsprechend gerne mit ihnen: Hip Hop entpuppt sich als treuer und ziemlich zäher Wegbegleiter.

Dabei rumpelt es zwischendurch durchaus, auch bei Edgar zu Hause. "Meine sehr ausgeprägte Sturm & Drang-Phase" nennt er später die Zeit, in der er sich mit Drogenmissbrauch und Schulabbruch selbst vielleicht nicht den größten Gefallen getan hat.

2005 hat er obendrein genug von Halle und zieht nach Leipzig. Als Mitglied einer Rap-Crew mit dem verkaufsfördernden Namen Scheißmusik schafft er es 2006 immerhin ins Vorprogramm der Lieblings Rapper Sido und Harris, als die im Volkspalast auftreten. Trotzdem: Es wird Zeit für einen Umbruch.

"Deinemafa ist entstanden, als ich mich so ein bisschen aus meinem damaligen Umfeld befreit und tatsächlich angefangen habe, aufzuräumen." Mit auf der Strecke bleibt zunächst der Hip Hop, "weil ich die asoziale Komponente des Scheiterns damit verknüpft habe. Ich hatte aber schon Lust, weiter Musik zu machen."

Das Resultat: experimenteller Techno-Rap. "Wir haben dann viel auf Punkrock-Partys gespielt, das lief schon sehr unter dem Radar, hat aber Spaß gemacht. Erst 2015, '16 habe ich irgendwie geschafft, Hip Hop und Boom-Bap wieder mit positiveren Sachen zu assoziieren."

Inzwischen veranstaltet Edgar selbst Partys, interviewt Musiker*innen und hostet Radioshows für das Leipziger Drum'n'Bass-Kollekltiv It's Yours. Hierüber entspinnen sich viele Kontakte, darunter der zu Gossenboss mit Zett. "Darüber hat sich Deinemafa wieder gewandelt, von Deichkind zu ... naja, klassischer Hip Hop ist es ja jetzt auch nicht, was wir machen ... nennen wir es: hin zu ein bisschen mehr Szene-Konformität."

Edgar fährt fortan zweigleisig, nimmt seine Tätigkeit als Rapper wieder auf, bleibt dem Musikjournalismus aber treu. "Ich bin eben relativ begeistert in viele Richtungen, mach' viele Dinge, und keins davon richtig." Seit 2020 produziert er zudem zusammen mit Kollege Hartmann den Podcast "Nicht die Einzigen".

Überlegungen, sich auf seine Moderatorentätigkeit zu beschränken, kommt regelmäßig ein Umstand in die Quere: "Ich hab' halt diese Schwäche, dass mir immer wieder irgendwelche dummen Songtexte einfallen und dass ich die dann doch umsetzen möchte. Also hab' ich mich für den dummen und erfolglosen Weg entschieden." Nämlich: beides machen.

In den Folgejahren entstehen so mehrere Alben und EPs, darunter ein Werk mit dem schönen Titel "Schämen Ohne Rot Zu Werden", das "Leipzigs peinlichste Rapband" so ankündigt:

"Diese Platte ist uns sehr peinlich, worauf wir stolz sind. Sie besteht zum Großteil aus Liedern, die wir in den letzten Jahren digital rausgebracht haben. Die meisten davon behaupten sich live sehr passabel. Damit wir nicht nochmal vollgepöbelt werden, warum wir keinen Merch oder keine Vinyl dabei haben, geben wir dem Druck unserer fünf Fans nach und, naja, hier habt ihr sie."

Über Jahre hinweg basteln Deinemafa darüber hinaus an einem Playlistenprojekt namens "Brust Oder Keule". Die "Filetstücke" daraus erscheinen im Dezember 2022 tatsächlich auch im Album-Format.

Inzwischen ist Synthikat bei Deinemafa ausgestiegen, Prioritäten haben sich verschoben, Lebensrealitäten auseinanderentwickelt. "Wir haben erwachsen darüber gesprochen", so Edgar, mit dem Resultat: Man bleibe sich freundschaftlich und hin und wieder auch kreativ verbunden, Synthikats feste Mitgliedschaft bei Deinemafa jedoch sei beendet.

"Er hat das Phantom vor einem längeren Zeitraum einmal ausgefüllt, aber es ist zum Platzhalter geworden", so Edgar über den nun nicht nur gesichts-, sondern auch namenlosen "Freund" an seiner Seite. Also: doch ein Soloprojekt.

Die Flut bekloppter Einfälle stoppt die Line-Up-Schrumpfung nicht. "Im Vordergrund steht immer eine dumme Idee, ich hab' da so einen Stereotyp, den ich mime, und das Soundgewand bastelt sich dann da drumherum."

Inspiration liefern Edgar "das Verhalten und die Summe der Dummheiten unserer Spezies". Den Menschen gegenüber hege er "ambivalente Gefühle. Ich habe aufrichtige Hassempfindungen und denke, dass wir diesen Planeten nicht verdient haben. Andererseits erfahre ich, wenn ich mein Umfeld betrachte, auch unfassbar viel Zuwendung und Liebe."

Seine Songtexte bezeichnet er demnach als "Kompromiss aus Hass und Lebensbejahung", der musikalische Rahmen dafür speist sich aus seiner Bandbreite: "Mir fallen sehr viele Texte beim Joggen und beim Kacken ein, und wenn ich joggen gehe, höre ich wirklich alles von Taylor Swift über Haftbefehl und Sepultura bis zu klassischen Komponisten."

Ironie als Stilmittel beschreibt er als für Deinemafa essentiell, man dürfe es aber nicht überdosieren. Genauso sparsam sollte man mit Belehrungen umgehen: "Haltung zeigen ist mir als Privatmensch wie künstlerisch sehr wichtig. Ich komm' aber schlecht klar auf diesen Each-one-teach-one-Rap. Da fehlen mir oft Kontraste. Humor ist für mich so nah an Verzweiflung, dass sie für mich Protagonist und Antagonist sind. Außerdem strengen mich Menschen an, die sich ständig hinter Ironie verstecken. Ich finde, zwischendurch darf man diesen Mantel an die Garderobe hängen, einfach mal zu etwas stehen und das trojanische Pferd verlassen." Amen.

News

Alben

Surftipps

Noch keine Kommentare