laut.de-Biographie
Der W.
Auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen und die Augen vor der Realität zunächst verschließen, aber die Böhsen Onkelz geben im Juni 2005 am Lausitzring ein überragendes Abschiedskonzert - und sind dann tatsächlich Geschichte.
So bedauerlich das sein mag, so sicher ist auch die Tatsache, dass die Musiker hinter der Band sich noch lange nicht aus dem Business zurückziehen werden. Vor allem Basser Stephan Weidner, der schon immer die treibende Kraft und das Sprachrohr hinter der Band war, hat schon parallel zum Ende der Onkelz als Manager anderer Bands Erfahrungen gesammelt, und dass er seinen musikalischen Output bald selbstständig in Form bringen würde, war nur eine Frage der Zeit.
Immerhin reift die Idee im Hirn des W. schon seit 1996, doch es dauert noch bis März 2007 ehe Stephan soweit ist, dass er sich mit dem jungen Gitarrist Rupert Keplinger (Nordend Antistars) trifft, um mit ihm die Arbeiten an seinem ersten Soloalbum durchzusprechen. Gemeinsam setzen sie Stephans Ideen zusammen, bauen um, schreiben neu und machen sich schließlich mit unterschiedlichen Leuten an die Aufnahmen. Dabei sind auch den Jungs von Pro Pain am Start, mit denen Stephan schon seit Jahren eng befreundet ist und die insgesamt auf vier Tracks mitspielen.
Neben Drummer Peter Zettl, der mit Rupert auch bei den Nordend Antistars aktiv ist, sind noch Sängerin Nina C. Alice (Skew Siskin) und auch Gitarrist Jacob Binzer (D-A-D) mit dabei. Alle tragen ihren Teil dazu bei, dass Ende April das Debüt "Schneller, Höher, Weidner" in den Regalen steht und ein wirklich gutes Rockalbum mit gewohnt starken, deutschen Texten ist. Auch weiterhin nimmt der W. kein Blatt vor den Mund und spricht unzähligen Menschen aus der Seele.
Nachdem die deutsche Musikindustrie und Presse die Böhsen Onkelz Jahre lang ignoriert hat und krampfhaft versucht, sie in die rechte Ecke zu drängen, scheint man langsam auf den Trichter zu kommen. Nicht nur, dass die Onkelz posthum den Echo gewinnen, sogar der Spiegel bittet den W. zum Interview zur neuen Veröffentlichung und räumt zwei Seiten für ihn frei. Für alle, die es immer noch nicht wahrhaben und deutliche Worte wollen, sei hier ein Zitat von Stephan Weidner aus dem Jahre 1992 im HR 3 genannt:
"Also um es ein für alle mal klarzustellen. Jeder, der meint mit seinem schrägen Gedankengut auf unsere Konzerte kommen zu müssen, der soll sich verpissen. Wir haben auf dieses ganze Nazipack keinen Bock. Leckt uns am Arsch!" Dazu passen auch Weidners zahlreiche, sozialen Engagements, wie zum Beispiel das Projekt 'Voice vs. Violence' mit dem Bremer Soziologen Cornelius Peltz.
Die Massen, die die Onkelz gezogen haben, erreicht Der W. nicht, doch nach Dates im Vorprogramm von Motörhead behauptet sich der Mann spätestens seit der Veröffentlichung von "Autonomie!" (2010) auch als Headliner in größeren Hallen. Die Freundschaft zu Motörhead macht sich derweil bezahlt, denn deren Mikkey Dee ist auf der Scheibe zu hören.
Zwei Jahre später haut er das wichtige dritte Album "III" heraus. Ein Rock-Hammer voller Metal- und Core-Andeutungen, der Weidner endlich nach organisch zusammen gewachsener Band klingen lässt. Auch textlich liefern die teils sehr persönlichen Zeilen keinerlei Vorwand, den Songwriter auf alte Geschichten zu reduzieren. Er konzentriert sich auf sich selbst, und verzichtet weitgehend auf prominente Gastmusiker.
Da sich Stephan und sein Team von A bis Z wirklich um alles selbst kümmern, ist der Mann von keinem Vertrieb oder Label abhängig und kann sich mehr denn je auf seine treuen und leidenschaftlichen Fans verlassen.
Die müssen glücklicherweise auch nicht auf Der W verzichten, als sich 2014 die Böhsen Onkelz reformieren. Von vornherein stellt Weidner klar: Das Soloprojekt geht weiter. Und wie schon auf "III" hörbar ist dieses inzwischen weit mehr als nur Weidners Alleingang. Hand in Hand mit Gitarrist Dirk Czuya werkelt er an Album Nummer vier, das im Frühjahr 2016 das Licht der Welt erblickt. Das schlicht "IV" betitelte Release knüpft nahtlos an seinen Vorgänger an. Der W hat seinen Sound gefunden.
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