laut.de-Kritik

40 Tracks und wenig Abwechslung.

Review von

Mit Höchstnote betrat Stephan Weidner 2008 auf "Schneller, Höher, Weidner" die Bildfläche als Der W. Dreizehn Jahre sind seither vergangen, vier Alben und zwei EPs stehen zu Buche und nun sei es Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen, meint Weidner. Bevor dieses Jahr noch das neue Studiowerk "V" erscheinen soll, resümiert er also die erste(n) Phase(n) seines Soloprojekts auf "Operation Transformation – Zwo Acht - 2020". 40 Songs auf zwei Scheiben – darunter neben dem 19 Track starken Best Of-Teil auf CD 1 auch B-Seiten, Liveaufnahmen und instrumentale Demos. Stolze zweieinhalb Stunden Spielzeit.

Auf ihre Kosten kommen trotz des Überangebots vor allem diejenigen, denen die straight rockende Seite Weidners mehr zusagt als die experimentelle (sprich: Böhse Onkelz-Klientel). Die Route der beiden jüngeren Alben "III" (2012) und "IV" (2016) verfestigt sich also. Denn auch von den musikalisch breiter aufgestellten Frühwerken "Schneller, Höher, Weidner" (damals mit Pro-Pain eingespielt) und "Autonomie" wählte Weidner nun vornehmlich leicht verdauliche Tracks wie "Geschichtenhasser", "Machsmaulauf" (mit Motörhead- und Scorpions-Drummer Mikkey Dee am Schlagzeug) und das mutmaßlich Matthias "Gonzo" Röhr gewidmete "Mein Bester Feind". Zu den Ausreißern zählen die verspielte Klavierballade "Sterne" sowie der leicht wavige Alternative-Grower "Angst". So entsteht auf der Best Of-Seite weniger Abwechslung als möglich gewesen wäre. Auf die plumpe Gröllyrik von "Urlaub Mit Stalin" hätte man außerdem gut verzichten können. Dass Weidners Solostücke trotzdem oft vielschichtiger ausfallen als die seiner Hauptband zeigt er unter anderem in "Kafkas Träume".

Die zweite Hälfte taugt vor allem für Sammler. Instrumentals von frühesten Gehversuchen als Der W ("Seelenwachs") bis hin zu einem Ausblick auf das kommende fünfte Album ("Ruach V") zeichnen die Entwicklung nach. Anfangs spielte Weidner wohl mit dem Gedanken, deutlich mehr gen Industrial zu tendieren. Neben maschinellen Riffs präsentiert er im "Seelenwachs"-Demo auch an Rammsteins "Engel" erinnernde Synthies. "Ruach V" dagegen kommt mit muskulösen Stoner Metal-Gitarren und einer an "Rockin' All Over The World" erinnernde Melodie an.

Die vorangestellte Raritätensammlung landete ausgenommen "Heiß" bis dato aus gutem Grund nur auf B-Seiten, auch wenn einigen Onkelz-Fans bei der Fußballhymne "Gewinnen Kann Jeder" wahrscheinlich das Wasser im Mund zusammenläuft: "Wir werden es überleben / Gehen jetzt einen heben / Und machen uns auf die Reise / Und sagen zum Abschied leise Scheiße". Fehlt eigentlich bloß noch Kevin Russell. Nice to have, aber verzichtbar.

Etwas enttäuschend fällt der Livepart aus, denn drei von fünf ausgewählten "Live In Hamburg"-Songs stehen bereits auf Seite 1 und die Konzertversion von "Der W Zwo Drei" wäre besser in der Schublade geblieben. Der schon auf Platte gewöhnungsbedürftige Strophenpart geht live leider völlig in die Hose. Immerhin: Zu "Machsmaulauf" waren Band und Publikum bestens aufgelegt, und der Mental Health Awareness-Song "In Stürmischer See" fügt dem Katalog noch eine weitere Facette bei.

So ist "Operation Transformation" zwar ein alles andere als rundes, dafür aber gerade für den Angebotspreis sehr üppiges Paket Der W-Geschichte. Die erste Hälfte punktet durch solide bis starke Rocksongs, die zweite, wenn schon nicht musikalisch, wenigstens mit Sammlerwert. Als Dreingabe serviert Weidner zu "Operation Transformation" ausführliche Liner Notes, in denen er zu jedem Song etwas Hintergrundwissen teilt.

Trackliste

CD I

  1. 1. Geschichtenhasser
  2. 2. Mehr!
  3. 3. Machsmaulauf
  4. 4. Mein Bester Feind
  5. 5. Neuland – Erinnerung Ist Sperrgepäck
  6. 6. Ein Lied Für Meinen Sohn
  7. 7. Stille Tage Im Klischee
  8. 8. Angst
  9. 9. Kafkas Träume
  10. 10. Lektion In Wermut
  11. 11. Sterne
  12. 12. Keiner Kann Es Besser Als Du
  13. 13. Mordballaden
  14. 14. Nein, Nein, Nein
  15. 15. Justitia
  16. 16. Urlaub Mit Stalin
  17. 17. Zwischen Traum Und Paralyse
  18. 18. Herz Voll Stolz
  19. 19. Ich Komm Heim

CD II

  1. 1. Komm Schon
  2. 2. Leinen Los
  3. 3. Gewinnen Kann Jeder (Schnelle Version)
  4. 4. Und Wer Hasst Dich
  5. 5. Du Kannst Es
  6. 6. Heiß
  7. 7. Es Scheint Als Sei
  8. 8. An Die, Die Wartet
  9. 9. Fünf Minuten Ruhm
  10. 10. Bring Mich Heim
  11. 11. Urlaub Mit Stalin (Live In Hamburg)
  12. 12. Mein Bester Feind (Live In Hamburg)
  13. 13. Machsmaulauf (Live In Hamburg)
  14. 14. Der W Zwo Drei (Live In Hamburg)
  15. 15. In Stürmischer See (Live In Hamburg)
  16. 16. Ode An Den Raum (Extended Version)
  17. 17. Seelenwachs (Demo – Instrumental)
  18. 18. Song 23 (Demo – Instrumental)
  19. 19. Handball Wizard (Demo – Instrumental)
  20. 20. Mit Ph (Demo – Instrumental)
  21. 21. Ruach V (Demo – Instrumental)

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