laut.de-Kritik

Ohrtunnel und Skateschuhe alleine machen keinen Punkrock.

Review von

"Gut Holz", das neue Album von Drei Meter Feldweg, lässt sich unter Oi!-Pop mit Ska-Einsprengseln einordnen. Es ist noch sauberer, glatter und unkantiger produziert als die Vorgängeralben. Damit keine Missverständnisse entstehen, es gibt sehr guten Pop, aber dann kleidet sich dieser auch so.

Drei Meter Feldweg (in Folge 3MF) hätten vermutlich gern das Attribut "harte Gitarrenmusik", und ganz vereinzelt klappt das auch. "Nichts Für Ewig" ist etwas zorniger geraten, aber insgesamt wäre dieses Attribut für 3MF ein Euphemismus, denn man setzt auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, satte Melodien, gefällige Produktion. Zu Punkrock, dem sie medial zugerechnet werden und den sie mutmaßlich auch gern als Etikett trügen, fehlt ihnen die Zerrissenheit, nein, eigentlich das komplette Ethos.

Wäre die Musik nicht kleinster gemeinsamer Nenner, der sich zum Mitgrölen selbst in Bierzelten eignete, könnte man den Texten eventuell unvoreingenommener begegnen. Doch so hört man genauer hin und es fällt schwer, den Texten auf "Gut Holz" irgendetwas abzugewinnen, auch nur den kleinsten Aha-Effekt, den allerkleinsten erhellenden Moment. Klar positioniert man sich auch gegen rechts, nur passiert dies heutzutage in den meisten musikalischen Genres.

Ein wiederkehrendes inhaltliches Element - ich möchte es ein anachronistisches Verständnis von unterschiedlichen Geschlechterrollen nennen - empfinde ich sogar als nahezu grenzwertig; zwar prangt es einem nicht mehr so plakativ entgegen wie bei "Und Sie tanzt" vom Vorgängeralbum "Durak", wo die Protagonistin nicht deshalb tanzt, weil sie bei sich ist und für sich selbst das so will, sondern weil sie auf den Traumprinzen aus der Band wartet.

Doch auch auf der aktuellen Platte wird zu oft das Narrativ von der fehlerhaften oder gar der bösen Frau bemüht, die ihm nichts als Schulden und "Fünf kleine Kakteen" hinterlässt. "Am Anfang Gut" handelt von jemandem, der immer neu will und alles abbricht, Protagonist*in ist natürlich eine Frau, "Alle Deine Bilder" kritisiert im Endeffekt nicht den Icherzähler, den Stalker, sondern - "es sind hunderttausend Bilder, die jeder finden kann" - mindestens im selben Maße die Influencerin.
Mit der besten Strophe in "Scheissegal" wird der Typ beschwichtigt, weil sie ihm nicht so Beachtung geschenkt hat, wie er es gewollt hätte.

Ich habe die Stelle nicht mehr gefunden, aber irgendwo singt Bennet Ramm sinngemäß etwas von "Sie hat drei Kinder, also nix Tinder" oder so, und auch das klingt verdammt nach "Du hast eine Verantwortung gegenüber dem Nachwuchs und solltest bitte auf stabile Verhältnisse hinarbeiten." Selbst wenn diese Stelle ironisch gewesen sein sollte, fällt es schwer, dies aufgrund des Gesamteindrucks so zu verstehen. Wenigstens ist das Saufen thematisch nicht mehr ein so wiederkehrendes Element wie im Textkanon der vergangenen Alben.

Ich habe mich immer wieder an diesen Text gesetzt und mir selbst Mäßigung verordnet, aber es klappt nicht, wenn man mit Bands konfrontiert wird, die die Menschen mit Texten zum Konsens ködern, indem sie die wahre monogame Liebe in konservativer leicht frauenfeindlicher Würzart glorifizieren und durch seichten Punk-Pop als Botenstoff Menschen einreden wollen, sie seien subversiv.

Drei Meter Feldweg sind das Gegenteil von Punkrock, ihre Inhalte sind ziemlich uniform, gesellschaftskonform, ländlich, kleinbürgerlich und beseitigen zumindest keine Intoleranz gegenüber alternativen Lebensentwürfen. Ohrtunnel und Skateschuhe allein machen keinen Punkrock.

Trackliste

  1. 1. KGLVRN
  2. 2. Scheißegal
  3. 3. Wolken Im Paradies
  4. 4. Irgendwo Anders
  5. 5. Keine Worte
  6. 6. Fünf Kleine Kakteen
  7. 7. Am Anfang Gut
  8. 8. Nichts Für Ewig
  9. 9. Krokodilstränen
  10. 10. Alle Deine Bilder
  11. 11. Chaos
  12. 12. Letzter Tanz
  13. 13. Neue Single

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4 Kommentare

  • Vor einem Tag

    "Drei Meter Feldweg sind das Gegenteil von Punkrock, ihre Inhalte sind ziemlich uniform, gesellschaftskonform, ländlich, kleinbürgerlich und beseitigen zumindest keine Intoleranz gegenüber alternativen Lebensentwürfen. Ohrtunnel und Skateschuhe allein machen keinen Punkrock." Stimmt so, alles gesagt. Hört sich an wie Wolfgang Petry in seiner Jugend!

  • Vor einem Tag

    Ich kenne die Band nur vom Namen, deswegen kann ich über die Musik nichts sagen, aber: dass Kernpunkt einer Kritik ist, dass es bei Punk nicht nur um die möglichst gefällige Darbietung von spezifischen Genre-Konventionen, sondern vielmehr um eine Haltung gehen sollte, das finde ich wirklich ganz fantastisch!
    Also 5/5 für die Rezi.

  • Vor einem Tag

    Nun,

    wenn ich mir so den Stand von (Deutsch)punk angucke, find ich das schon recht repräsentativ.

    Also von einer kleinen feinen Minisubkulturszene abgesehen, ist da doch nur noch Schlager mit leicht linkem Anstrich.

    Da werden dann die uralten Klassiker Bands minus eines oder zwei inzwischen zu hängengebliebenen Bandmitgliedern nochmal für den Reibach über die Bühne geschleift und alle können nostalgisch zurückgucken wie schön es damals war.

    Und selbst besagte Minisubkultur lebt zwar diy und bringt regelmäßig bands hervor, die zumindest inhaltlich durchaus was zu sagen haben, meistens zwar nur über die eigene Subkultur oder etablierte Feindbilder die alle scheisse finden, aber immerhin, ist aber gleichermaßen musikalisch so stockkonservativ, dass es da schon als großer neuer wurf gefeiert wird, wenn uralter garagepunk mit etwas lofi und nem synthi um die ecke kommt (siehe eggpunk).

    Somit ist das doch hier sehr repräsentativ :-)

    PS: nix gegen eggpunk, ist cool.

  • Vor 18 Stunden

    Es wäre kein Verlust hätten sie gar keine Musik mehr veröffentlicht. Textlich wirklich ganz platt. Da sind ja Die Prinzen mehr Punk.